Abschied vom Leben mitten im Leben

als 1

Unser 55-jähriger Vater kann nicht mehr sprechen, hat zunehmend Mühe mit dem Gleichgewicht, stürzt immer öfter, verliert ungewollt an Gewicht, leidet unter Atemnot und kann kaum noch feste Nahrung zu sich nehmen. Für uns ist diese Situation eine riesige Belastung und wir machen uns grosse Sorgen. Der Hausarzt vermutet ALS. Uns macht diese Diagnose unheimlich Angst. Was ist das für eine Krankheit? Was können wir tun und wohin sollen wir uns wenden, damit wir Hilfe bekommen?

Unheilbare Erkrankung des Nervensystems

ALS steht für „Amyotrophe Lateralsklerose“ und bezeichnet eine unheilbare Erkrankung des zentralen und peripheren Nervensystems. ALS verläuft immer tödlich. Betroffenen bleibt nach der Diagnose im Schnitt eine Lebenserwartung von drei bis fünf Jahren. In der Schweiz leben circa 700 Betroffene. Damit gehört ALS zu den sogenannten „Seltenen Krankheiten“. Die Anzahl Erkrankter bleibt aufgrund der drastisch verkürzten Lebenserwartung seit Jahren etwa gleich. Nicht zuletzt deswegen war ALS bis zur Eiswürfel-Aktion letzten Sommer den meisten Leuten unbekannt.

Lange Zeit der Ungewissheit bei ALS-Verdacht

Durchschnittlich 14 Monate dauert es, um eine ALS zu diagnostizieren. Es braucht ein Ausschlussverfahren, um einen Verdacht auf Amyotrophe Lateralsklerose zu erhärten. Noch gibt es keinen direkten Weg, die Krankheit zu erkennen. Um andere Erkrankungen auszuschliessen, sind spezialisierte neurologische Untersuchungen notwendig. Und immer wieder Zeit, um die Veränderung von Symptomen zu beobachten. Die Kenntnisse über ALS haben zwar dank weltweiter Forschung in den letzten Jahren zugenommen. So hat beispielsweise die ALS Association (USA) Kriterien der World Federation of Neurology zur ALS-Diagnose veröffentlicht. Bei Verdacht auf ALS sind aber Betroffene und Angehörige auch heute einer enorm langen Zeit der Ungewissheit ausgesetzt. „Wir erleben immer wieder, wie verzweifelt ALS-Betroffene sind, bevor sie in ein Muskelzentrum kommen“, sagt Bea Goldman, Pflegefachfrau Intensivpflege, am Muskelzentrum des Kantonsspital St. Gallen. Das Bundesamt für Gesundheit empfiehlt in seiner nationalen Strategie zu seltenen Krankheiten, Referenzzentren zu schaffen. Diagnosen seltener Krankheiten sollen innert nützlicher Frist gestellt und eine qualitativ gute Versorgung sichergestellt werden. ALS gilt aufgrund der drastisch reduzierten Lebenserwartung Betroffener als besonders grosse Herausforderung für Fachpersonen und das gesamte soziale Umfeld. Und sie verlangt sehr schnell nach einer Vielzahl von Betreuungspersonen. Nebst fachärztlicher Begleitung und der Unterstützung spezialisierter ALS-Pflegefachpersonen sind Physio- und Ergotherapeuten vonnöten, Logopädinnen, Psychologinnen, Seelsorger und Sozialarbeiter. Das bedingt Koordination. Experten betonen, dass dazu ein „Therapeutisches Bündnis“ notwendig ist, ein Bekenntnis zu einer gemeinsamen Betreuung der betroffenen Person und eben auch dessen Umfelds. „Interdisziplinarität gilt deshalb heute als absoluter Standard in der Versorgung ALS-Betroffener“, sagt ALS-Spezialistin Bea Goldman vom Kantonsspital St. Gallen.

ALS-Betreuung enorm aufwendig

ALS-Betreuung ist sowohl personell als auch finanziell und zeitlich enorm aufwendig. Ein nahestehender Mensch ist unheilbar und tödlich krank, verliert in schneller Folge seine Selbstständigkeit. Das Umfeld ist gezwungen, Abschied voneinander zu nehmen und gleichzeitig die letzte Lebenszeit so selbstbestimmt und würdig zu gestalten wie möglich. Die Betreuung geht weit über eine reine Kontrolle der Symptome hinaus. Es ist die Bewältigung der Erkrankung selber, die ausgenommen anspruchsvoll ist. Es ist die Aufgabe aller, sich der eigenen Endlichkeit bewusst zu werden, sozusagen in die Wiege gelegt. ALS indes verlangt von Betroffenen und ihren Nächsten, sich im Eilzugstempo mit diesen Fragen auseinanderzusetzen. Und dies zumeist mitten im Leben: 75 Prozent der Betroffenen sind zwischen 45 und 55 Jahre alt bei der Diagnose.

Verein ALS Schweiz

Der gemeinnützige Verein ALS Schweiz unterstützt Menschen mit ALS und ihre Nächsten persönlich. Durch Vermittlung ausgebildeter ALS-Fachpersonen, durch direkte finanzielle Beihilfe, mit einem Leihservice professionell gewarteter Hilfsmittel, durch Vernetzungstreffen u.a.m. Spenden an den Verein ALS Schweiz sind steuerbefreit. Finanzielle Zuwendungen werden für Direkthilfe oder Forschung eingesetzt. Für Menschen mit ALS und deren Angehörige bieten sogenannte „Muskelzentren“ ein Höchstmass an Erfahrung und Fachwissen.

Kontakt Verein ALS Schweiz
 8600 Dübendorf [email protected], www.als-schweiz.ch
, Telefon 041 887 17 20
, Spenden PC 85-137900-1, 
IBAN CH83 0900 0000 8513 7900 1