Die Hälfte sind gar keine Hämorrhoiden

Sie sind zwar häufig, aber längst nicht das einzige Problem am Enddarm. Hautarzt und Proktologe Dr. Dominik Mestel über Hämorrhoiden und das, womit sie oft verwechselt werden.

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Manchmal blutet es, manchmal schmerzt es, bisweilen juckt es nur. Und manchmal kann man mit dem Finger etwas ertasten, das dort nicht hingehört. Die Rede ist vom Analbereich. Dr. Dominik Mestel: «Hat jemand Beschwerden, denkt er meist an Hämorrhoiden. Selbst viele ärztliche Kollegen reden schnell davon, wenn sie am After eine Anomalie entdecken. Zu schnell, wie ich in meiner Sprechstunde immer wieder feststelle. Die Hälfte aller Erstdiagnosen ist nämlich falsch. Hämorrhoidalleiden sind zwar häufig, aber es gibt noch ein paar andere Veränderungen. Harmlose, aber auch ernsthafte.»

Marisken

Marisken zum Beispiel. Das sind Hautfältchen. «Manche Patienten entdecken sie bei der Analhygiene. Je nach ihrer Grösse erschweren Stuhlreste die Reinigung des Afters, was zu Reizungen führen kann. Bei Frauen treten Marisken oft nach Schwangerschaften und Geburten auf. Störend sind sie vor allem beim Tragen von schmalen Slips und Strings. Oder beim Geschlechtsverkehr, hier aber nur aus ästhetischen Gründen. Auch Velofahrer mögen die Hautzäpfchen und -fältchen nicht, weil sie auf dem Sattel scheuern. Marisken an sich sind harmlos, können aber zu Unannehmlichkeiten führen. Rund zwei Drittel aller über 60-Jährigen haben sie. Unter lokaler Betäubung kann man sie einfach und schnell entfernen.»

Analvenenthrombosen

Am häufigsten werden Analvenenthrombosen mit Hämorrhoiden verwechselt. Sie treten ganz plötzlich innerhalb von Minuten bis Stunden auf und können extrem schmerzhaft sein. «Wenn der Patient hinfasst, bemerkt er so einen Knubbel. Obwohl Analvenenthrombosen gelegentlich platzen und bluten, sind sie in der Regel harmlos und heilen in den allermeisten Fällen innerhalb einiger Tage von selber ab. Vor dem eigentlichen Thrombus einer Analvenenthrombose muss man auch keine Angst haben. Im Gegensatz zu einer Thrombose am Bein wandert er nicht, sondern bleibt im kleinen Knötchen gefangen. Zur Überbrückung bis zur Heilung verschreibe ich schmerzstillende und entzündungshemmende Medikamente. Nur selten muss der Thrombus durch einen kleinen Schnitt entfernt werden.»

Abszesse und Polypen

Deutlich seltener sind Abszesse, Fisteln, Fissuren und Polypen, doch auch das sind alles keine Hämorrhoiden. Dr. Dominik Mestel: «Polypen sind aber potentielle Vorstufen von Krebs, können also gefährlich werden, daher muss man sie entfernen. Selbst Feigwarzen können durch sogenannte HP-Viren zu Vorstufen von Analkrebs werden und Karzinome hervorbringen. Feigwarzen liegen meist aussen am After, sind aber nicht selten auch innen im Analkanal versteckt und fühlen sich beim Tasten wie Gries oder Reiskörnchen an. Sie können jucken, müssen aber nicht. Und sie sind ansteckend, vor allem bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr. Konservativ behandelt man sie mit Cremes. Da eine Selbsttherapie in diesem Bereich allerdings schwierig ist, trägt man sie üblicherweise mit elektrischem Strom, Scherenschlag oder Laser ab. Das ist keine grosse Sache.»

Hämorrhoiden

Zurück zu den Hämorrhoiden. «Jeder Mensch hat diese blutgefüllten Schwellkörper am inneren Rand des Enddarms. Sie schliessen – ähnlich einem Dichtungsring – zusammen mit dem Schliessmuskel den Anus ab. Wenn sich Hämorrhoiden vergrössern und daher nicht mehr abdichten, wenn sie Schmerzen verursachen, bluten oder sogar aus dem After treten, sollte man sie behandeln. Richtig schlecht für Hämorrhoiden ist Druck von innen, wie er bei langem Sitzen auf der Toilette entstehen kann. Auf dem WC hängt der Enddarm im knöchernen Becken wie in einem Trichter über der Schüssel. Das Gewicht der inneren Organe erhöht den Druck nach unten. Das venöse Blut kann nicht mehr gut abfliessen und die Hämorrhoiden vergrössern sich. Zusätzliches Pressen beim Stuhlgang ist dann ganz schlecht. Darum sollte der Toilettengang kurz und bündig sein, und vor allem ohne zu pressen. Zeitung und Smartphone haben auf dem Klo, dem ‹stillen Örtchen›, nichts zu suchen. Auch falsche Atmung beim Sport erhöht den Druck im Bauchraum und kann mit der Zeit zu Problemen führen. Leider schämen sich viele Leute, ihre Beschwerden einem Arzt zu schildern. Lieber verstärken sie erst einmal ihre Analhygiene und verschlimmern alles nur noch. Zu häufiges Wischen mit Klopapier reizt die Schleimhäute um den After genauso, wie es die Konservierungs- und Duftstoffe der Feuchttüchlein tun können. Am besten ist Analhygiene mit reinem Wasser – auf einem Dusch-WC, Bidet oder über der Badewanne. Für unterwegs empfehle ich Öltücher aus der Babyabteilung.»

Bei Analbeschwerden zum Proktologen

An wen soll man sich bei Analbeschwerden wenden? Dr. Mestel: «An einen Proktologen. Er beschäftigt sich mit dem Enddarm. Proktologie ist ein Spezialgebiet von Dermatologen – Hautärzten – und Venerologen, also jenen Ärzten, die sich mit übertragbaren Geschlechtskrankheiten befassen. Aber auch von Chirurgen, Gastroenterologen und Allgemeinmedizinern. Die verschiedenen Fachdisziplinen überschneiden und ergänzen sich. Selbst Urologen und Gynäkologen sind häufig involviert, allein schon wegen der anatomischen Nähe. Doch nur der Proktologe ist auf den zwar kleinen, aber sehr diffizilen Bereich des Enddarms spezialisiert.»

 

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Dr. Dominik Mestel und das Team der Pallas Kliniken beantworten Ihre Fragen zu ­Problemen im Bereich des Enddarmes.

Info via Telefon 058 335 00 00 oder [email protected].

Am Dienstag, 7. November, ­referiert Dr. med. Dominik Mestel im Pallas Zentrum Winterthur, Gertrudstrasse 1, zum Thema «Juckender Po? Leiden, über die man kaum spricht.» 

Anmeldung über www.pallas-kliniken.ch.

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht am 22.10.2017.

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