Die verpasste Diagnose

Morbus Gaucher 110724899

Es gibt Krankheiten, die selten sind, an die man aber dennoch denken muss. Weil man sie behandeln kann. Und weil sie zu schweren Schäden führen, wenn man sie nicht behandelt. Morbus Gaucher, benannt nach dem französischen Dermatologen Philippe Charles Ernest Gaucher, der 1882 als erster das Leiden beschrieb, gehört zu den sogenannt seltenen Krankheiten. Im Schnitt erkrankt eine von 40 000 bis 60 000 Personen in der Gesamtbevölkerung. Das sind weniger als 100 000 Menschen weltweit. Zurzeit sind in der Schweiz nur 25 Patienten mit Morbus Gaucher bekannt. Aufgrund der Häufigkeit dieser Erbkrankheit müssten es jedoch viel mehr sein.

Anhäufung von Stoffwechselprodukten im Körper

Weil ein bestimmtes Enzym aufgrund eines genetischen Defektes fehlt, kommt es zur Anhäufung von Stoffwechselprodukten im Körper. Das betreffende Enzym ist für den Abbau von zuckerhaltigen Fettstoffen verantwortlich und spaltet diese in Zucker und Fett. Die nicht abgebauten Fettstoffe reichern sich als Speichersubstanz in den Fresszellen des Körpers an. Mit zunehmender Speicherung schwellen die Fresszellen zu dicken Gaucher-Speicherzellen. Diese Zellen sammeln sich in verschiedenen Organen, vor allem in Milz, Leber und Knochenmark und führen zum charakteristischen Erscheinungsbild der Krankheit. Die Folge sind leichte bis schwere, zum Teil sogar lebensbedrohliche Symptome, die ab der Kindheit bis ins hohe Lebensalter auftreten können.

Einfacher Labortest verschafft Klarheit

Typische Merkmale sind Blutarmut, rasche Ermüdbarkeit, Vergrösserung von Leber und Milz, Mangel an weissen Blutzellen und Blutplättchen sowie Knochenschmerzen und sogar Knochenbrüche. Findet man für eine oder mehrere dieser Symptome keine ausreichende Erklärung, müssen beim Hausarzt oder beim Hämatologen die Alarmglocken klingeln, besonders wenn die Blutarmut und der Thrombozyten-Mangel persistieren. Die Verdachtsdiagnose lässt sich problemlos mit einem einfachen Labortest erhärten oder ausschliessen. Die weitere Abklärung erfolgt in einem Expertenzentrum, das auf die sogenannten Speicherkrankheiten spezialisiert ist.

Endgültige Diagnose durch Bluttest

Eine eindeutige Diagnose des Morbus Gaucher ist problemlos möglich. Die Untersuchung des Knochenmarks und spezielle Bluttests geben klare Hinweise auf die Krankheit. Erschwerend in der Früherkennung ist jedoch, dass der Arzt überhaupt erst einmal an die seltene Erbkrankheit denken muss, um die notwendigen Untersuchungen zu veranlassen. Aufgrund der unspezifischen Symptome werden leider auch Patienten mit schweren Formen nicht frühzeitig erkannt, welche von einer Therapie profitieren würden. Oft werden die Symptome fälschlicherweise anderen Krankheiten zugeordnet. So können Knochenschmerzen bei Erwachsenen zur Dia­gnose Arthritis führen, bei Kindern können sie als Wachstumsschmerzen fehlgedeutet werden. Die verminderte Zahl weisser Blutzellen lässt häufig an eine Leukämie denken. Die Kombination aus Milz- und Lebervergrösserung mit den entsprechenden Blutbildveränderungen und Knochenmarksymptomen sind aber ein deutlicher Hinweis auf Morbus Gaucher. Die endgültige Dia­gnose erfolgt durch einen Bluttest, bei dem die Aktivität des betreffenden Enzyms bestimmt wird.

Ursachen beseitigen

Bis vor rund 25 Jahren konnten lediglich die Symptome etwas gelindert werden. Eine ursächliche Behandlung existierte nicht. Inzwischen gibt es eine Infusionstherapie, um das fehlende Enzym zu ersetzen. So können die in den Fresszellen gespeicherten Substanzen abgebaut werden. Im Gegensatz zur symptomatischen Behandlung wirkt die Infusionstherapie in allen betroffenen Organen und beseitigt die Ursache der Gaucher-Symptome. Regelmässige Infusionen des Enzyms führen zu einer Verbesserung bis Normalisierung der körperlichen Beschwerden und können das Fortschreiten der Erkrankung verhindern.

Die Infusionstherapie ermöglicht vielen Gaucher-Patienten bei frühzeitiger Diagnose ein weitgehend normales Leben. Allerdings sind nicht alle Spätschäden reversibel. Insbesondere fortgeschrittene Knochenveränderungen wie die Zerstörung des Hüftgelenkkopfes können bei zu spätem Einsatz des Enzyms nicht mehr rückgängig gemacht werden. Die Infusionen müssen regelmässig und lebenslang gemacht werden. Sie werden bei den meisten Patienten über einen Zeitraum von 1 bis 2 Stunden alle 14 Tage über eine Vene verabreicht. Die Behandlung ist im Allgemeinen sehr sicher und hat nur sehr selten Nebenwirkungen. Sie kann auch vom Hausarzt oder sogar als Heim-Infusion durchgeführt werden.

Fazit

An Morbus Gaucher muss man denken. Anämie, Organvergrösserung und Knochenschmerzen – das könnte Morbus Gaucher sein. Sogar bei Menschen über 30 ist eine Erstdiagnose möglich. Die meisten unerkannten Patienten sind nicht nur beim Hausarzt in Behandlung, sondern auch bei Rheumatologen wegen Knochenschmerzen oder beim Hämatologen wegen Blutarmut. Einfache Untersuchungen wie ein Blutbild oder das Abtasten von Leber und Milz helfen weiter. Morbus Gaucher ist eine Krankheit, die man mit gutem Erfolg und guter Prognose behandeln kann. Dank der Therapie führen viele Betroffene ein normales Leben. Es ist wichtig, die Diagnose frühzeitig zu stellen, um schwere Komplikationen zu verhindern.

Morbus Gaucher – die Symptome

Die Ansammlung von Gaucher-Zellen in verschiedenen Organen führt zu unterschiedlichsten Symptomen und zu einem charakteristischen Erscheinungsbild. Bei Kindern hat die allgemeine Schwächung des Organismus ein verzögertes Wachstum und Gedeihstörungen zur Folge.

  • Milzvergrösserung, in Extremfällen auf das 30fache der Norm
  • Lebervergrösserung, oft auf das ­zwei- bis dreifache der Norm
  • Leberfunktionsstörungen
  • Druckgefühl im Bauchraum
  • Knochenschmerzen
  • Brüche von Wirbelkörpern und ­Extremitäten
  • Blutungsneigung, Blutergüsse
  • Rasche Ermüdbarkeit

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