Alkoholprobleme bei älteren Menschen sind unterdiagnostiziert, werden oft übersehen und bleiben lange Zeit unentdeckt. Gründe für Alkoholmissbrauch im Alter sind reduzierte soziale Kontakte sowie Depressionen und Schlaflosigkeit, die mit dem Altersprozess einhergehen können. Probleme mit dem Alkohol im Alter werden oft auch absichtlich ignoriert. Man gönnt den Betagten ihr Gläschen, heisst es verniedlichend. Zudem weisen Studien darauf hin, dass rund ein Viertel aller in der Grundversorgung tätigen Ärzte nicht das nötige Wissen hat, bei Suchtproblemen wirksam zu intervenieren.
Es gibt eine Reihe von Risikofaktoren für Alkoholmissbrauch bei älteren Menschen: Beendigung des Berufslebens, das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden, Leere und Langeweile, dünner werdende soziale Netze, Einsamkeit, Verlusterfahrungen und Heimaufnahme, nachlassende Gesundheit, Häufung von Krankheiten, seelische Leiden.
Fliessender Übergang von Genuss zu Missbrauch
Bei zwei Dritteln der älteren Menschen, die ein Alkoholproblem haben, besteht dieses schon seit längerer Zeit. Etwa ein Drittel aber entwickelt dieses erst nach der Pensionierung, oft in Zusammenhang mit Schwierigkeiten beim Umgehen mit Belastungen. Der Übergang vom Genusskonsum zum Alkoholmissbrauch und zur Abhängigkeit ist fliessend. Es gibt keine genau definierte Konsummenge, bei der jemand als alkoholabhängig gilt. Das ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich.
Das Gefühl, nicht mehr auf Alkohol verzichten zu können, ist ein klares Anzeichen dafür, dass man genauer hinschauen und sich an eine Fachperson wenden sollte. Besorgniserregend sind auch ein Alkoholkonsum im Alter, der Probleme verdrängen soll; eine steigende Konsummenge und sowie Entzugserscheinungen. Auch wenn jemand wegen Alkohol bereits Probleme hatte, zum Beispiel eine Busse, einen Unfall, Streit, oder wenn nahestehende Menschen wegen des Konsums schon ihre Sorge ausgedrückt haben, sollte das ein Anstoss sein, genauer hinzuschauen.
Anzeichen für eine mögliche Abhängigkeit von Alkohol werden oft dem Alter zugeschrieben. Angehörige trauen sich nicht, das Thema anzusprechen. Auch das Pflegepersonal ist häufig ratlos. Die Liste der möglichen Auswirkungen reicht von Müdigkeit, Kopfweh, Inkontinenz, Appetitverlust, über Gedächtnis- oder Schlafprobleme, Depressionen, Stürze bis hin zu einer Abhängigkeit.
Alkohol wirkt im Alter stärker
Das Älterwerden bringt Veränderungen mit sich, die beim Alkoholkonsum bedacht werden sollten. Mit steigendem Alter – ab ungefähr 50 Jahren – sinkt der Wasseranteil im Körper. Der Alkohol verteilt sich bei älteren Menschen auf weniger Körperwasser und wirkt deswegen stärker. Hinzu kommt, dass die Funktionsfähigkeit einiger Organe sich verändert, zum Beispiel Nieren oder Leber. Es besteht ein klarer Zusammenhang zwischen Alkoholmissbrauch im Alter und Beschwerden im Magendarm-Bereich, im Bereich der Blase – Stichwort Inkontinenz – sowie mit Depressionssymptomen. Menschen mit einem Alkoholproblem im Alter haben die Tendenz zur Selbstvernachlässigung, einseitiger Ernährung, mangelnder Hygiene und Unterkühlung. Alkoholismus im Alter führt öfter zu früher Pflegebedürftigkeit und Unselbständigkeit. Auch bei kleinen Konsumengen erhöht sich das Risiko für all diese gesundheitlichen Probleme.
Mit zunehmendem Alter überschreitet man die Promillegrenze schneller. Damit steigt die Unfallgefahr, zum Beispiel im Strassenverkehr oder im Haushalt. Zudem wird mit steigendem Alter der Gleichgewichtssinn empfindlicher und die Beweglichkeit wird häufig eingeschränkt, was das Risiko von Unfällen weiter erhöht. Alkohol ist ein untaugliches Schlafmittel. Er beeinträchtigt die erholsamen Phasen des Schlafes, erzeugt oft paradoxe Reaktionen und provoziert verhängnisvolle Stürze. Mit maximal zwei Standarddrinks bei Männern und einem bei Frauen ist man auf der sicheren Seite.
Gefährliche Kombination
Sehr problematisch ist die im Alter verbreite Kombination von Alkohol und Beruhigungs- sowie Schlafmitteln. Viele Medikamente vertragen sich schlecht mit Alkohol und die Wechselwirkung kann bei älteren Menschen negative Konsequenzen für die Gesundheit wie Bluthochdruck, Leberkrankheiten, Brustkrebs, Schlaflosigkeit, Depression und so weiter haben. Kombinierter Medikamenten- und Alkoholkonsum bei älteren Menschen ist einer der Hauptgründe für selbstverschuldete Verletzungen, Stürze oder Verkehrsunfälle.
Sprechen Sie das Thema in Ihrer Familie direkt und offen an; wie jedes andere gesundheitliche Problem auch. Machen Sie keinen Bogen um dieses Thema. Sie tun damit niemandem einen Gefallen. Es gibt heute gute Behandlungsmöglichkeiten, mit denen es gelingt, die gesamte Trinkmenge und die Anzahl Tage mit hohem Alkoholkonsum zu reduzieren. Reden Sie über Alkoholprobleme im Alter mit Ihrem Arzt.
Die Lektionen 1, 2, 3, 4, 5, 6, 8 und 9 von „Besser alt werden“ finden Sie hier:
Lektion 1
Lektion 2
Lektion 3
Lektion 4
Lektion 5
Lektion 6
Lektion 8
Lektion 9