Bäume sind Medizin

Waldbaden Haende 276581558 Bild: AdobeStock, Urheber: Tanja Esser

Wie gut ein Spaziergang im Wald tut, wissen wir alle. Die frische Luft, das viele Grün, die Ruhe. Schon nach ein paar Minuten fühlt man die Entspannung. Diesen Effekt kann man steigern und damit sogar die Gesundheit fördern. Das Zauberwort heisst Waldbaden. Der Begriff stammt ursprünglich aus dem Japanischen. Shinrin Yoku bedeutet, dass der Wald mit allen Sinnen erlebt wird.

«Inmitten der Bäume wird das Spüren, Riechen, Hören und Sehen auf natürliche Art und Weise intensiviert. Mit Achtsamkeits- und Atemübungen kombiniert, kann man noch viel mehr profitieren, denn die Luft ist rein und angereichert mit Duftstoffen», erklärt Zoë D. Lorek vom Waldbaden Institut Schweiz. «Zudem macht man auch kreative Aufgaben. Immer alles schön langsam, weil Shinrin Yoku eine Stressreduktions- und Gesundheitspräventionsmethode ist.»

Im Zentrum steht die Langsamkeit

Mit dem normalen Spazieren ist Waldbaden nicht zu vergleichen. Im Zentrum steht die Temporeduktion. Sie ist ganz wichtig, damit man sich stärker mit der Natur verbinden kann. «Erst ab einer gewissen Langsamkeit entdeckt man kleine und grosse Dinge. Ein anderes Ziel gibt es nicht. Der Wald wir so zum Erlebnisraum und nicht zur Kulisse», sagt Zoë D. Lorek.

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Richtig durchgeführt, soll sich Shinrin Yoku wie ein Medikament heilend auf Körper, Geist und Seele auswirken, so asiatische Studien. Alle wissenschaftlichen Belege zur Achtsamkeitstechnik stammen aus dem Herkunftsland Japan. Momentan forschen Wissenschaftler, ob die Ergebnisse auch für die Wälder in Europa gelten. Die japanischen Untersuchungen ergaben nämlich, dass zum Beispiel der Blutdruck durch regelmässiges Waldbaden deutlich sinkt.

Die Duftstoffe der Bäume beruhigen das Herz

Der Grund dafür sind die Duftstoffe der Bäume, auch Terpene genannt. Vor allem im Nadelwald, aber auch im Mischwald und besonders im Sommer ist die Konzen­tration am höchsten. Die Bewegung fördert das Wohlbefinden zusätzlich. «Wichtig für einen Erfolg ist, dass man eine gewisse Zeit im Wald verbringt oder ihn mehrmals pro Woche kurz aufsucht», sagt Zoë D. Lorek.

Ihre Kursteilnehmer und Kursteilnehmerinnen berichten, welche Wirkungen das Waldbaden hat:

  • besserer und regelmässiger Schlaf
  • verbesserte Konzentrationsfähigkeit
  • stärkeres Immunsystem
  • gesteigerte Fitness
  • bessere Stimmung
  • Abnahme von Angst und weniger Stimmungsschwankungen
  • reduziertes Risiko, an Depressionen zu erkranken
  • reduziertes Risiko für Herz- und Lungenerkrankungen
  • eine längerfristige Reduktion des Stressgefühls

Wer alleine Waldbaden möchte, kann das natürlich machen. «Ich empfehle aber auf jeden Fall, zum Einstieg einen Kurs zu besuchen. Viele Kursteilnehmende berichten, dass sie alleine nicht in diese Art der Entspannung und Präsenz gelangen», rät Zoë D. Lorek. Die Kursleitung kann unterstützend Fragen beantworten und alternative Übungen anbieten.

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Grundsätzlich ist Waldbaden für alle Menschen geeignet. Allerdings sollte man bereit sein, sich auf ein gemütliches Tempo einzulassen. Ein weiteres Kriterium ist die Trittsicherheit. Die Pro Senectute Rheintal zum Beispiel hat bereits ein Angebot für Senioren und Seniorinnen.

Im Wald bleibt das Handy ausgeschaltet

Es gibt ein paar Regeln, die man beachten sollte. Wie zum Beispiel den Wetterbericht vorher zu lesen, die Strecke zu kennen und für den Notfall das Handy im Rucksack mitzunehmen. Das bleibt während eines Ausfluges aber stummgeschaltet. In einem Kurs kann es sogar ganz zu Hause bleiben, da die Leitung sich um alles kümmert.

«Aus meiner Praxiserfahrung weiss ich, dass bei den Kursteilnehmenden bereits nach drei bis sechs Stunden Waldaufenthalt eine verbesserte allgemeine Stimmung und häufig eine wohlige Entspannung zu beobachten ist. Viele erzählen, dass sie in der folgenden Nacht tiefer und länger geschlafen haben als sonst», erzählt Zoë D. Lorek.

Das Wichtigste für Einsteiger

Sehr langsames Gehen ist für die meisten eine ungeahnte ­Herausforderung. Ein paar einfache Tricks helfen, damit sich jeder auf das Abenteuer Waldbaden einlassen kann.

  1. Schalten Sie Ihr Handy auf Flugmodus. Gönnen Sie sich eine störungsfreie Auszeit: Es lohnt sich! Wenn Sie Ihre Zeit begrenzen möchten, können Sie auch einen Wecker stellen, der Sie frühzeitig an das Umkehren erinnert.
  2. Sobald Sie den Wald/Park betreten, verlangsamen Sie Ihre Schritte. Schlendern ist der liebevolle Ausdruck für das sehr langsame Gehen und ist zu Beginn vielleicht eine Herausforderung. Gehen Sie Ihren Impulsen nach.
  3. Versuchen Sie, kein Ziel zu erreichen. Was zählt, ist das Geniessen des Moments: im Hier und Jetzt bewusst anwesend sein.
  4. Wenn Sie sich müde fühlen, setzen/legen Sie sich hin, und ruhen Sie sich aus. Wenn Sie etwas betrachten möchten, nehmen Sie sich Zeit dafür. Hören Sie einen Moment den Waldgeräuschen zu. Laden Sie sich selbst zum Schnuppern und Riechen ein und nehmen Sie bewusst die Düfte des Waldes wahr.
  5. Achten Sie auf Ihre Gedanken. Versuchen Sie, den Alltag für einen Moment hinter sich zu lassen. Fragen Sie sich: Was sehe ich? Was höre ich? Was rieche ich?

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Weitere Tipps von Zoë D. Lorek, Infos zum Waldbaden und zu Workshops gibt es auf achtsamkeitimwald.ch