Bei mir entscheidet immer der Patient

Rheumatoide Arthritis

Was erzählen Sie einem Patienten, wenn Sie ihm zum ersten Mal die Diagnose Rheuma­toide Arthritis mitteilen müssen?

Die Ursache Ihrer Beschwerden können einer bekannten Krankheit zugeordnet werden, sie heisst Rheumatoide Arthritis. Sie befällt die Gelenke und erklärt Ihre Schmerzen und Gelenkschwellungen. Die Krankheit kann mehrere Ursachen haben. Sie kann sowohl vererbt sein als auch neu auftreten. Es gibt bekannte Risikofaktoren wie Rauchen oder schlechte Mundhygiene. Meistens sind die Patienten erleichtert, wenn man der Krankheit einen Namen geben kann. Viele machen sich Sorgen, dass sie sich die Schmerzen einbilden.

Was sagen Sie dem Patienten über die ­Prognose und die Behandlungschancen?

Verkrüppelte Hände und zerstörte Gelenke sehen wir praktisch nicht mehr. Heute ist die Prognose in der Regel sehr gut. Sie ist am besten, wenn man die Krankheit frühzeitig, rasch und konsequent behandelt und sie in die Inaktivität bringt. Wir reden dann von einer Remission. Die Behandlungschancen sind inzwischen exzellent, der Nutzen der Therapie enorm. Wir haben ältere Substanzen, die sich bestens bewährt haben, auch günstig sind und je nach Bedarf kombiniert werden können. Bei schweren Fällen gibt es auch neuere Medikamente. Es ist die rheumatologische Erkrankung, gegen die am meisten Medikamente zur Verfügung stehen.

Wie versuchen Sie, den Patienten zu einer aktiven Mitarbeit zu gewinnen?

Es braucht viel Feingespür. Deshalb nehme ich seine Sorgen ernst. Ich wende genügend Zeit auf, um die Erkrankung und die Therapiemöglichkeiten zu erklären. Ich lasse ihn mitreden und versuche herauszufinden, welche Behandlung der Patient am ehesten durchführen möchte. Ob er sich lieber einmal wöchentlich eine Spritze verabreichen oder lieber täglich eine Tablette einnehmen mag. Ich schreibe die verordneten Medikamente ganz genau an. Zu Beginn wird oftmals kurzzeitig eine Cortison-Therapie verschrieben. Da mache ich einen Plan, wie das Cortison nach und nach reduziert wird, damit dem Patienten klar ist, wie er das Medikament einnehmen muss. Oft drucke ich eine Medikamentenliste aus und sage ihm, dass er sich umgehend melden soll, wenn etwas nicht klar ist oder wenn er das Gefühl hat, eine Nebenwirkung zu haben.

Wie gut sind heute die Chancen, mit den ­verfügbaren Therapien auch langfristig ohne Schaden über die Runden zu kommen?

In den meisten Fällen kann man bei früher, aggressiver Therapie, sprich raschem Erreichen einer Schwellungs- und Schmerzfreiheit, die Krankheit gut unter Kontrolle bringen. Viele Patienten merken gar nicht mehr, dass sie eine Gelenkkrankheit haben. Weil so viele, auch neue Medikamente zur Behandlung dieser Erkrankung zur Verfügung stehen und in der Schweiz auch von den Krankenkassen vergütet werden, sind die Chancen sehr gut.

Mit was muss ein Patient rechnen, der bewusst auf eine krankheitsmodifizierende Therapie verzichtet?

Eine unbehandelte Rheumatoide Arthritis, welche aktiv ist, führt zur Zerstörung der Gelenke mit starken Schmerzen, Steifheit und Kraftminderung. An den Händen bedeutet das den Verlust der Feinmotorik durch verkrümmte Finger. Aber auch der Nacken kann betroffen sein, was ohne Behandlung unter Umständen gefährliche Folgen hat. Die Augen können befallen werden mit Hornhautgeschwüren und starker Sehbehinderung, wenn nicht behandelt wird. Ebenfalls gilt es als erwiesen, dass eine chronische unbehandelte Entzündung wie die rheumatoide Arthri­tis das Herz und die Blutgefässe gefährdet und Osteoporose begünstigen kann. Leider gibt es immer wieder Patienten, die trotz langen Gesprächen und viel Motivationsarbeit auf eine wirksame Behandlung verzichten und ihre Gesundheit stur gegen die Wand fahren. Aber so schwer es fällt, wir müssen das akzeptieren. Ich zwinge keinen Patienten zu einer Behandlung.

Wie sind Ihre Erfahrungen mit der neusten ­biologischen Therapie?

Es handelt sich um einen spezifischen Antikörper. Er hemmt gezielt ein körpereigenes Protein, das bei den Symptomen der Rheumatoiden Arthritis wie Schmerzen und Gelenkschwellungen eine entscheidende Rolle spielt. Den Wirkstoff kann sich der Patient alle zwei Wochen selber mit einem Fertigpen unter die Haut verabreichen. Das neue Medikament ist ideal für aufgeklärte, autonome Patienten. Es ist relativ rasch wirksam und in der Regel gut verträglich. Wie bei jedem immunsuppressiven Medikament muss man berücksichtigen, dass bei gewissen Patienten eine vermehrte Neigung zu Infekten auftreten kann. Hier hilft ein ausführliches Gespräch, welche Infektionen der Patient schon gehabt hat.