Covid-19 – Was zum Teufel ist mit den Österreichern los?

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Noch vor wenigen Wochen hatte es aus der Regierungskoalition geheissen, dass man radikale Massnahmen mit Ausgangssperren und Schulschliessungen um jeden Preis vermeiden wolle. Am letzten Wochenende sah sich Kanzler Sebastian Kurz, der sich im Spätfrühling noch damit gebrüstet hatte, Österreich sei besonders gut durch die Krise gekommen, angesichts rekordhoher Fallzahlen gezwungen, das Land in den zweiten harten Lockdown zu schicken. Er verhängte strenge Ausgangssperren und schloss Geschäfte und Schulen. Ziel ist, am 7. Dezember wieder zu öffnen, um wenigstens einen Teil des Weihnachtsgeschäftes zu retten. «Treffen Sie niemanden! Jeder soziale Kontakt ist einer zu viel!» lautet der eindringliche Appell des Kanzlers. Gegenwärtig stecke jeder Corona-Infizierte 1,2 andere Menschen an. Die Reproduktionszahl müsse jetzt unbedingt auf 0,9 gesenkt werden. Eine Zahl, welche die Schweiz mit viel weicheren Massnahmen geschafft hat.

Die Pandemiemüdigkeit lähmt das Land

Wie konnte es soweit kommen, dass Österreich bezüglich Fallzahlen sogar die Schweiz überholt hat und mit dem Minilockdown gescheitert ist? Ist es das Versagen der vor allem auf Eigen-PR fokussierten Regierung, wie die Opposition lautstark verkündet? Ist es die Pandemiemüdigkeit im Land, wie eine Umfrage der Universität Wien herausgefunden haben will? Fehlt mittlerweile das Verantwortungsbewusstsein, die Bereitschaft in der Bevölkerung, sich einzuschränken? Der bescheidene Rückgang der Mobilität trotz der nächtlichen Sperrstunde legt diese Vermutung zumindest nahe.

Die Schweiz entscheidet sich für den Mittelweg

Überzeugend sind diese Erklärungsversuche nicht. Pandemiemüde sind auch die Menschen in der Schweiz. Und auch bei uns ging die Mobilität längst nicht mehr so stark zurück wie noch während der ersten Welle im Frühjahr. Ausschlaggebend dürfte viel mehr sein, dass unser vielgescholtenes föderalistische System keine Irrläufe und keine Schnellschüsse zulässt. Trotz ähnlichen Infektionszahlen bleiben die Massnahmen in der Schweiz viel lockerer. Trotz Druckversuchen von manchen Seiten macht der Bundesrat keine Anstalten, die Schraube noch mehr anzuziehen. Die Schweiz habe sich für einen Mittelweg entschieden. Man schränke die Aktivitäten nur so weit wie nötig ein, wolle das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben aber möglichst laufen lassen, hiess es diese Woche von Seiten des BAG. Die rückläufigen Zahlen geben den Behörden Recht.

Alles zum halben Preis

Wie irrwitzig die Auswirkungen von Schnellschüssen sein können, zeigte sich am letzten Wochenende überall in Österreich. Zu Tausenden strömten die Menschen vor dem Lockdown noch einmal in die Läden. Rabattschlachten überall. Vor den Geschäften kam es zu langen Schlangen. Alles zum halben Preis! «Für einen Montag ist die Hölle los!», titelten die Zeitungen. Waren es im Frühjahr noch WC-Papierrollen, die Massen angezogen haben, waren es diesmal Schuhe, Telefonverträge und Kaffee. Wie hiess es? Jeder Kontakt ist einer zu viel! Ideale Bedingungen für ein Virus, sich nochmals so richtig zu verbreiten.

Im Lockdown lernen die Schüler so gut wie nichts

Vollends unvernünftig und verantwortungslos ist der Entscheid von Kanzler Kurz, die Schulen zu schliessen. Der Schaden für die Bildung und die Zukunft der Kinder und Jugendlichen ist immens und kann nur schwer wiedergutgemacht werden. Primarschüler lernen im Lockdown so gut wie nichts, ergab eine niederländische Studie. Am meisten trifft es jene Kinder, deren Familien ohnehin schon sozial schlechter gestellt sind. Die Politik in Österreich scheint das nicht zu kümmern. Hoffen und beten wir, dass unser Bundesrat das gute Augenmass bewahrt.