Stürze können schwerwiegende Folgen haben, wie Knochenbrüche oder Kopfverletzungen. Doch selbst weniger ernste Verletzungen wie Prellungen, Schnittwunden und Verstauchungen führen oft zu Schmerzen, Einschränkungen im Alltag und hohen Gesundheitskosten.
Stürze beeinträchtigen nicht nur die körperliche Gesundheit. Sie schwächen das Selbstvertrauen und verstärken die Angst vor weiteren Stürzen. Viele Betroffene reduzieren ihre Aktivitäten. Das führt zu einem Abbau der körperlichen Leistungsfähigkeit und weniger sozialen Interaktionen – ein Teufelskreis, der das Sturzrisiko weiter erhöht.
Stürze bei älteren Menschen entstehen durch das Zusammenspiel mehrerer Faktoren. Eine wichtige Rolle spielt die Abnahme der Muskelkraft und der Gleichgewichtskontrolle. Diese Fähigkeiten lassen sich durch gezieltes Training verbessern. Doch kann Bewegung wirklich das Sturzrisiko senken?
108 Studien und eine klare Antwort
Eine Gruppe von Forschenden hat diese Frage untersucht und alle verfügbaren Studien zum Thema zusammengefasst. In ihrer Analyse berücksichtigten sie 108 randomisierte kontrollierte wissenschaftliche Arbeiten.
Ein randomisiertes Studiendesign bedeutet, dass die Teilnehmenden zufällig der Trainings- oder Kontrollgruppe zugeteilt wurden. Kontrolliert heisst, dass die Ergebnisse der Trainingsgruppe mit einer Gruppe verglichen wurden, die kein gezieltes Training erhielt. Dieses Vorgehen ist entscheidend, um sicherzustellen, dass beobachtete Verbesserungen tatsächlich auf das Training zurückzuführen sind – und nicht auf Erwartungen oder spontane Veränderungen.
Insgesamt nahmen 23’407 Personen aus 25 Ländern an den Studien teil. Die Trainingsprogramme umfassten Gleichgewichtsübungen, funktionelle Übungen, Krafttraining, Tai-Chi, Tanzprogramme und Lauftraining.
Das Training zeigt Wirkung
Die Studien bestätigen, dass regelmässiges Training das Sturzrisiko deutlich reduziert. Basierend auf einem beispielhaften Risiko von 850 Stürzen pro 1000 Personen pro Jahr führte das Training zu 195 weniger Stürzen in der Trainingsgruppe.
Am wirkungsvollsten ist ein Training, das mit alltagsnahen Übungen gezielt Gleichgewicht und Kraft verbessert. Tai-Chi kann sich ebenfalls positiv auf das Sturzrisiko auswirken. Ob isoliertes Kraft-, Tanz- oder Lauftraining das Risiko senken kann, lässt sich aus der derzeitigen Datenlage nicht eindeutig beantworten.
Das funktionelle Training von Gleichgewicht, Kraft und Gang scheint somit die wirksamste Einzelstrategie zu sein, um Stürze zu vermeiden.
Das Training zur Sturzprävention
Dieses Training eignet sich besonders für Personen, die bereits gestürzt sind. Es hilft, erneute Stürze zu vermeiden und das Vertrauen in die eigene Bewegungssicherheit zurückzugewinnen. Doch auch zur Vorbeugung ist es wirksam: Schon 1–2 Trainingseinheiten pro Woche können das Gleichgewicht verbessern und das Sturzrisiko senken. Viele Übungen lassen sich zudem einfach in den Alltag integrieren – zum Beispiel durch Einbeinstand beim Zähneputzen oder Wadenheben beim Abwasch.
Trainingsempfehlungen
- Trainingsdauer: Mindestens 3–6 Monate
- Frequenz: 2–3-mal pro Woche
- Dauer: 30–60 Minuten pro Training
- Langfristiger Erfolg: Nach der intensiven Phase kann das Training auf 1–2-mal pro Woche reduziert werden, um die Effekte aufrechtzuerhalten.
Sicherheit beim Training
Besonders Balance-Übungen fordern das Gleichgewicht heraus. Deshalb ist es wichtig, dass immer eine Möglichkeit zum Festhalten in der Nähe ist – zum Beispiel eine stabile Wand, ein Tisch oder ein Geländer.
Praktische Übungen
Die Wirksamkeit folgender Übungen wurde in mehreren Studien bestätigt und zielt auf eine Verbesserung von Gleichgewicht, Koordination und Kraft ab.
1. Gleichgewichtsübungen
- Einbeinstand: Auf einem Bein stehen (10–30 Sekunden), dann die Seite wechseln. Falls nötig, an einer stabilen Oberfläche festhalten.
- Tandemgang (Fersen-Zehen-Gang): In einer geraden Linie gehen, wobei ein Fuss direkt vor den anderen gesetzt wird.
- Gewichtsverlagerung: Das Körpergewicht langsam von einem Fuss auf den anderen verlagern und dabei eine aufrechte Haltung bewahren.
- Stehen auf instabilem Untergrund: Auf einem Balance-Pad oder einer Wackelplatte stehen, um die Stabilität herauszufordern.
2. Kräftigungsübungen
- Aufstehen ohne Hände: Aus einem Stuhl aufstehen, ohne die Hände zu benutzen, dann langsam wieder hinsetzen.
- Stufensteigen: Auf eine stabile Plattform oder eine Treppenstufe steigen und kontrolliert wieder hinabsteigen.
- Fersen- und Zehenheben: Im Stehen die Fersen vom Boden heben (Wadenheben), dann die Zehen anheben. Stärkt die Fuss- und Sprunggelenkmuskulatur.
- Mini-Kniebeugen: In eine leichte Kniebeuge gehen, dabei die Knie in Linie mit den Zehen halten.
3. Koordination & Reaktionsfähigkeit
- Seitwärts-Schritte: Langsame Schritte zur Seite, dabei das Gleichgewicht halten.
- Überkreuz-Schritte: Seitwärts Gehen, dabei einen Fuss über den anderen setzen, um die Koordination zu verbessern.
- Ball fangen: Einen kleinen Ball gegen die Wand werfen und wieder auffangen, um die Reaktionszeit zu trainieren.
4. Dynamische Bewegungen
- Knieheben im Stand: Abwechselnd die Knie heben, während der Oberkörper aufrecht bleibt.
- Gehen mit Kopfdrehung: Beim Gehen den Kopf langsam von Seite zu Seite drehen (unterstützt die vestibuläre Funktion).
- Hindernisparcours: Um Hütchen oder Objekte herumgehen, um die Beweglichkeit zu verbessern.
Diese Übungen basieren auf alltäglichen Bewegungen, stärken Kraft und Balance und tragen dazu bei, das Sturzrisiko nachhaltig zu reduzieren. Wer regelmässig trainiert, verbessert nicht nur seine Stabilität, sondern auch seine Sicherheit und Selbstständigkeit im Alltag.
Unser Tipp
Mehr Information, wissenschaftlich fundiert, individuelle Bewegungsberatung