Das dunkle Loch und die grosse Sehnsucht

Von XL zu S. Madeleine Baumann macht vor, wie es geht. Hier ist ihr vierter Schritt.

baumann Teil 4 Aufmacherbild

Meine Haut wurde dünner. Ich wurde dünnhäutiger. Das merkte ich. Konnte ich mir es überhaupt leisten, dünnhäutig zu sein? Früher brauchte ich den Schutzpanzer. Er schützte mich vor verletzenden Worten und Taten. Lange war mir das nicht bewusst. Ich nahm es einfach hin. Bis ich an den Punkt meines Lebens kam, wo es so nicht mehr weiterging. Ich musste mich entscheiden, ob ich hinschauen wollte. Ob ich mein Leben in die Hand nehmen wollte, oder ob ich aufgeben sollte. Ich war verzweifelt.

Wie weiter?

Damals war ich in Bern. Es war ein wunderbarer Tag. Die Sonne schien, und ich streifte durch die Altstadt. In meinem Kopf kreisten die Gedanken um die Frage, wie und ob überhaupt weiter. Als ich beim Münster war, kam mir spontan der Gedanke, nach oben zu gehen. Ich stieg die Treppe hoch. Oben angekommen, war ich ausser Atem und ich lehnte mich über die Brüstung und schaute dem Treiben unten zu. Meine Gedanken und Fragen kreisten in meinem Kopf. Versunken lehnte ich über die Mauer der Aussichtsplattform. In meinem Herzen brannte die Frage nach dem „wie weiter?“. Ich schickte all die Fragen nach oben.

Hinter mir nahm ich plötzlich ein paar Frauen wahr. Auf einmal hörte ich, wie eine Frau sagte: „Schaut mal, was da geschrieben steht!“ Auch ich wandte meinen Kopf und schaute in die Richtung. Was ich da las, traf mich bis in mein Innerstes. Ich las in Stein gemeisselt die Worte:

NID NAHLA!

Nicht nachlassen.

Nicht aufgeben.

Das steht noch immer auf der Aussichtsterrasse auf dem Berner Münster. Eine Figur hält eine Schriftrolle in der Hand, mit dieser Schrift in Stein gemeisselt.

Ich bekam Mut und wusste, ich will nicht aufgeben. Ich suchte mir professionelle Hilfe, die mich auf meinem Weg unterstützte. Ohne diese Hilfe hätte ich es nicht geschafft. Den Weg musste ich aber selber gehen, Schritt um Schritt.

Vielleicht merken Sie, dass in Ihrem Inneren auch so ein undefinierbares Loch ist. So eine Sehnsucht, die sich sehnt und sucht. Wenn Sie dieses Loch mit Süssigkeiten oder Essen oder sonst mit Irgendetwas zuschütten wollen, dann möchte ich Ihnen Mut machen, sich diesem Loch zu stellen. Wenn Sie merken, dass Sie Hilfe brauchen, dann holen Sie sich diese Hilfe. Es ist nicht ein Zeichen der Schwäche. Im Gegenteil, es ist ein sehr mutiger und starker Schritt, sich seiner Geschichte zu stellen und sein Leben zurückzuerobern. Sie haben nur dieses Leben, es gehört Ihnen.

Wenn Sie in sich hineinhorchen wissen Sie, ob Sie Ihr Leben leben. Oder ob es ein aufgezwungenes Leben ist. Wird es von aussen bestimmt oder leben Sie von innen heraus?

Ich möchte Ihnen Mut machen, Ihr Leben Schritt um Schritt zu erobern und dabei nicht nachzulassen.

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Dieser Eintrag wurde veröffentlicht am 24.05.2018.

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