Sie ist die erste Titularprofessorin für Herzchirurgie der Schweiz. Nach ihr sollten Frauenherzen nicht mehr nach den normalen Richtlinien behandelt werden, weil die auf Männer ausgerichtet sind.
Warum ist das so?
Weil es bisher kaum Studien gibt, die sich ausschliesslich mit den Herzen der Frauen beschäftigt haben.
Geht die Herzmedizin denn an den Frauen vorbei?
Nicht nur die Herzmedizin. Die ganze Medizin – angefangen bei der Forschung. Sowohl bei Patientenstudien als auch bei Tierversuchen werden bis heute vorwiegend männliche Probanden untersucht. Erst jetzt werden so langsam Vorgaben für einen Mindestprozentsatz an weiblichen Probanden aufgestellt.
Wie sind Sie draufgekommen, dass Männerherzen und Frauenherzen nicht über einen Leisten geschlagen werden können.
Wir sehen es in unserer täglichen Arbeit: Frauen kommen im Allgemeinen schlechter davon. Ihre Sterberate ist höher als die von Männern.
Das müssen Sie erklären.
Es fängt damit an, dass Frauen untypische Beschwerden haben. Ein Herzinfarkt macht sich bei ihnen ganz anders bemerkbar als bei Männern. Während er bei Männern häufig links in die Brust und in den Kiefer ausstrahlt, klagen Frauen über Schmerzen im Oberbauch. Weil diese aber auch andere, banale Ursachen haben können, gehen Frauen viel später zum Arzt oder werden unwissentlich falsch diagnostiziert. Deshalb müssen sie häufiger notfallmässig behandelt werden als Männer.
Und haben dann ein grösseres Sterberisiko?
Genau. Wer als Notfall kommt, befindet sich in einem akuten und meist schlechten Zustand. Das trifft besonders auf Frauen zu, da sie meist älter und kränker sind, wenn sie auf dem Operationstisch landen. Und dann muss es schnell gehen. Beispiel Bypass: Es konnte gezeigt werden, dass Frauen weniger arterielle Bypässe bekommen als Männer und dadurch eine schlechtere Überlebensrate haben. Warum das so gehandhabt wird, weiss man noch nicht.
Sind an der zu späten Behandlung nur die unklaren Symptome schuld?
Nicht nur. Einerseits ist es möglich, dass die Betroffenen selbst zu lange warten mit einem Arztbesuch, andererseits aber auch, dass die Behandelnden sich zu wenig mit Gendermedizin auskennen und so unbewusst eine falsche Diagnose stellen. Sie orientieren sich – man muss einfügen: korrekterweise – an den Guidelines, die vornehmlich auf Daten von Männern basieren. Andererseits sind Frauenherzen aber auch anatomisch anders als Männerherzen: Sie sind kleiner und ihre Gefässe viel feiner, neigen auch mehr zu Rissen und Verkrampfungen.

Was vermuten Sie?
Ein Aspekt könnte sein, dass die Versorgung der kleinen Gefässe technisch schwieriger ist, aber auch, dass der Abfluss über den Bypass eingeschränkt ist und dieser deshalb schneller verschliesst. Ferner konnte gezeigt werden, dass bei Frauen vermehrt die Mikrogefässe erkranken, die mit einem Bypass gar nicht versorgt werden können. Momentan erfasse ich die Daten von tausend Bypass-Patientinnen und -Patienten unserer Klinik, um die Sterblichkeit der Frauen ermitteln zu können.
Sollte man bei der Risikoanalyse der Frauen auch auf die Hormonsituation achten?
Einzelne Studien haben in diese Richtung Vermutungen aufgestellt. Der Hormonstatus hat einen Effekt auf das Herz und die Gefässe der Frau, aber wir wissen noch nicht genau welchen. Wir wissen aber, dass während der Menopause, wenn der Östrogenspiegel sinkt, Frauen zwischen 40 und 49 bei Herzoperationen eine rund zweieinhalb Mal höhere risikobereinigte Sterblichkeit als Männer aufweisen. Zwischen 50 und 59 sinkt sie auf das doppelte, und danach gleicht sie sich dem Wert bei Männern an.
Was macht das Östrogen?
Es hat einen Schutzeffekt auf die Gefässwände. Wir gehen davon aus, dass es nicht allein um die Höhe, sondern auch um die Veränderung des Östrogenspiegels geht. Der plötzliche Entzug in der Menopause hat womöglich eine Art Schock-Effekt, der sich negativ auswirkt.
Was muss sich ändern?
Sehr vieles: Es braucht Grundlagenforschung und klinische Forschung, bei der statistisch gesehen genug Probandinnen eingeschlossen werden. Wir müssen verstehen lernen, welche Pathophysiologie den negativen Folgen zugrunde liegt, so dass die Guidelines angepasst werden können. Es muss ein allgemeines Bewusstsein für die Gendermedizin geschaffen werden, sowohl in der Öffentlichkeit als auch beim medizinischen Personal. Es müssen Gesundheitszentren für Frauen entstehen, wie dies bereits in Bern der Fall ist.
Was tun Sie selber?
Ich konnte mit zwei Publikationen zeigen, dass wir in der HerzKlinik Hirslanden in Zürich auf dem richtigen Weg sind. Unsere Patientinnen und Patienten nach Aortenklappen- und Mitralklappen-Operation haben ähnlich niedrige Sterblichkeitsraten. Sie sind kleiner als ein Prozent. Ich gehe davon aus, dass das unserem interdisziplinären Herz-Board zu verdanken ist. Wir besprechen dort jede Patientin und jeden Patienten und entscheiden uns dann mit Rücksicht auf Guidelines, Risikoprofil und erwartetem besten Langzeit-Behandlungsresultat für die personalisierte Behandlung. Vermutlich führt dieses feingliedrige Vorgehen ganz unbewusst zu einer geschlechterspezifischen Medizin. Es wird in Zukunft sicher auch dazu beitragen, die zunehmende Anzahl Patientinnen und Patienten, die nach einer Geschlechtsumwandlung eine Herzoperation benötigen, sehr individuell mit niedrigem Sterberisiko behandeln zu können.
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Das Team der HerzKlinik Hirslanden setzt sich aus international anerkannten Spezialistinnen und Spezialisten zusammen, die – ausser Transplantationen – das gesamte Spektrum modernster Herzmedizin abdecken. Zusätzlich gibt es bei Hirslanden Zürich das Netzwerk spezialisierter Chirurginnen, das eine fächerübergreifende Behandlung anbietet. Von der HerzKlinik ist Prof. Dr. med. Diana Reser Teil des interdisziplinären Chirurginnen-Teams. An der HerzKlinik werden Patientinnen und Patienten aller Versicherungsklassen behandelt.

HerzKlinik Hirslanden
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