Schwierige und unangenehme Erfahrungen gehören grundlegend zu unserem Leben dazu. Wir können entscheiden, wie wir damit umgehen, ob wir uns von diesen Erlebnissen kontrollieren lassen, oder ob wir lernen, eine etwas gelassenere Haltung im Umgang mit unseren Gedanken, Gefühlen und Empfindungen zu entwickeln. Denn Gelassenheit schafft die innere Freiheit für neue kreative Lösungen.
Verdrängen ist keine Lösung
Es gibt verschiedene Arten, wie wir auf unangenehme Erfahrungen reagieren. Manchmal schalten wir innerlich ab und wandern mit den Gedanken an einen anderen Ort, um den Schmerz oder die Trauer nicht zu spüren. Ein anderes Mal lassen wir eine Erfahrung nicht los, halten innerlich an dem Ärger und der Enttäuschung fest, weil wir sie so ungeheuerlich finden und verpassen dadurch die Verbindung zum Augenblick. Oder wir wollen die Erfahrung loswerden und wehren uns massiv gegen das, was gerade passiert, vermeiden möglicherweise sogar die nächsten anstehenden Schritte. All das macht die Situation nicht besser, manchmal langfristig sogar noch schwieriger.
Sich selber spüren und hinterfragen
Ein erster Schritt kann sein, achtsam wahrzunehmen, was in solch einem Moment unseres Daseins an Gedanken, Gefühlen und Körperempfindungen gerade da ist. Vielleicht ist da ein wilder, unruhiger Gedankenstrom, Gedanken an Vergangenes oder an die Zukunft. Welche Gefühle gehen mit diesen Gedanken einher? Vielleicht Ängstlichkeit, Enttäuschung, Wut, Trauer, Leere oder auch andere. Und wie reagiert der Körper darauf? Möglicherweise ist da eine Anspannung, ein Schmerz oder eine Schwere.
In einem nächsten Schritt können Sie darauf achten, wie Sie auf das, was Sie wahrnehmen, reagieren. Ob Sie sich dagegen wehren, sich selbst dafür verurteilen, es weg haben wollen. All dies macht es meist noch schlimmer.
Gefühle akzeptieren
Entspannung und Gelassenheit kann sich erst einstellen, wenn wir aufhören, die Dinge anders haben zu wollen, als sie gerade sind. Akzeptanz bedeutet, den gegenwärtigen Erfahrungen Raum zu geben und diese zuzulassen.
Körper und Atem können dabei helfen. Untersuchen Sie aufmerksam, welche körperlichen Empfindungen mit diesen schmerzhaften Gefühlen und Gedanken verbunden sind, und wo Sie diese am stärksten wahrnehmen. Kultivieren Sie dabei eine Haltung von Freundlichkeit und Mitgefühl sich selbst gegenüber. Mit dem nächsten Atemzug können Sie sanft in diese Körperstelle hineinatmen und sie etwas weicher werden lassen. Beim Ausatmen können Sie etwas von der Anspannung oder dem Schmerz loslassen und sich innerlich sagen: «Es ist okay. Was immer es auch ist, es ist okay. Ich kann das annehmen.» Atmen Sie dann eine Weile sanft mit Ihren Empfindungen.
Nicht resignieren
Akzeptanz bedeutet nicht Resignation, oder dass wir das, was uns schmerzt, gutheissen. Es ist vielmehr ein notwendiger Schritt, um uns bewusst zu werden, welche Schwierigkeiten da sind und den Raum zu öffnen für neue, lebendige Wege und eben, Gelassenheit.
Der Sufi-Dichter Rumi bringt diese Haltung der Achtsamkeit und Akzeptanz in seinem Gedicht «Das Gasthaus» zum Ausdruck:
Das menschliche Dasein ist ein Gasthaus. Jeden Morgen ein neuer Gast. Freude, Kummer und Niedertracht – auch ein kurzer Moment von Achtsamkeit kommt als unverhoffter Besucher. Begrüsse und bewirte sie alle! Selbst, wenn es eine Schar von Sorgen ist, die gewaltsam dein Haus seiner Möbel entledigt, selbst dann behandle jeden Gast ehrenvoll. Vielleicht bereitet er dich vor auf ganz neue Freuden. Dem dunklen Gedanken, der Scham, der Bosheit – begegne ihnen lachend an der Tür und lade sie zu dir ein. Sei dankbar für jeden, der kommt, denn alle sind zu deiner Führung geschickt aus einer anderen Welt.
Gelassenheit kann man üben
In einer stressvollen Situation kann auch die folgende Übung hilfreich sein, um in die gegenwärtige Erfahrung des Körpers zurückzukommen und den Raum zu öffnen für notwendige Schritte:
- Wenn Sie stehen, nehmen Sie eine angenehme und natürliche Haltung ein. Beide Fusssohlen sind im Kontakt mit dem Boden. Die Schultern werden von dem Gewicht der Arme sanft heruntergezogen. Die Knie sind leicht gebeugt.
- Wenn Sie gehen, verlangsamen Sie Ihren Schritt und lassen Sie die Schultern nach hinten und unten los.
- Lassen Sie Ihren Atem auf ganz natürliche Art und Weise fliessen. Nehmen Sie wahr, welche Gefühle in diesem Augenblick da sind. Werden Sie sich Ihrer Gedanken gewahr und Ihrer Körperempfindungen. Einfach nur beobachten, ohne zu bewerten oder etwas verändern zu wollen.
- Richten Sie dann Ihre Aufmerksamkeit auf Ihre Fusssohlen. Spüren Sie dem nach, wo Ihre Fersen den Boden berühren, wo sie im Kontakt mit den Strümpfen und Schuhen sind. Können Sie die Kurve des Fussgewölbes spüren, die Fussballen und die Zehen? Vielleicht bewegen Sie die Zehen vorsichtig, um die Empfindungen lebendiger werden zu lassen.
- Achten Sie danach für eine oder zwei Minuten erneut auf die Qualität Ihrer Gedanken und Körperempfindungen.
- Wenn Sie spüren, dass Sie auf die schwierige Situation antworten können, ohne einfach nur automatisch zu reagieren, erinnern Sie sich daran, dass Sie selbst wählen können, ob Sie die Situation einfach verlassen, oder ob Sie ihr mit Klarheit und Kreativität begegnen.
Sanatorium Kilchberg
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