Das Wunder von Reinach

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Diese Offenheit ist das beste Heilmittel. Maya Legio, Coiffeuse aus Reinach BL, über verlorene Kilos, gefährlichen Alkohol und neue Verliebtheit. 15 Kilo weniger nur mit Laufen. Maya Legio hat etwas geschafft, wovon viele nur träumen. Abnehmen, ohne bei der Ernährung nur das Geringste zu ändern. Eine Liebesgeschichte.

Sie ist keine gewöhnliche Coiffeuse. Trendfrisuren sind genauso ihre Leidenschaft wie Perücken für Krebspatientinnen, die wegen einer Chemotherapie oder wegen einer Bestrahlung ihre Haare verloren haben. Sie lebt für ihre Kundinnen, besucht sie sogar im Spital und arbeitet bis zu 12 Stunden am Tag. Sie weiss, was es heisst, wenn ein bösartiger Tumor in ein Leben einbricht und alles auf den Kopf stellt, weil sie selber einmal davon betroffen war. Sie kennt das Elend, wenn Mütter schon in jungen Jahren sterben und kleine Kinder und einen verzweifelten Mann zurücklassen müssen. Sie kennt den Kreislauf der Natur und den Glauben, der Trost und Gelassenheit spendet.

Ihren Salon an der Hauptstrasse im Zentrum von Reinach in Baselland hat sie liebevoll und stilsicher eingerichtet. Auf ihre Mitarbeiterinnen ist sie mit gutem Grund stolz. Die Passion, welche diese Frau ausstrahlt, ist überall zu spüren. Sie hat Tempo beim Reden und Feuer unter dem Hintern. Und sie hat Beine voller Muskelpakete, wie man sie sonst nur bei 100-Meter-Läuferinnen der Weltelite sieht. Nicht etwa, weil sie Bodybuilding machen und schon gar nicht, weil sie Anabolika nehmen würde. Die einzige Erklärung für diese imposante muskuläre Erscheinung ist unser Schrittzähler. Er, und nur er brachte im Leben der 54-jährigen Frau die grosse Wende.

Wo sollen wir anfangen, diese grosse Wende zu beschreiben? Bei den Kilos, die verschwunden sind? Bei der Verliebtheit, die zurückgekommen ist? Beim Sex, der besser ist als je zuvor? Oder beim Alkohol, den sie wieder in den Griff bekam? Maya Legios Offenheit ist befreiend. Wo andere nur verschämt tuscheln, spricht sie gerade heraus, was sie meint. Weil sie weiss, dass es nichts bringt, nur für die Fassade zu leben und sich und den anderen etwas vorzumachen. Weil sie ehrlich zu sich selber und ehrlich zu den anderen ist. Weil sie lieber der Wahrheit ins Gesicht schaut und an dieser Wahrheit etwas ändern will, anstatt sie zu verdrängen und so zu tun, als sei alles in Ordnung. Weil sie verstehen und nicht verurteilen will. Denn nur wer versteht und zu sich selber steht, mit den Sonnen- und mit den Schattenseiten, macht Schritte nach vorne, anstatt stehen zu bleiben und am Leben zu verzweifeln.

Maya Legio und die Schritte. Das ist eine einzige Liebesgeschichte. Begonnen hat sie im letzten Mai. Auf den Fotos hat sie sich damals angeschaut und gedacht: Herrgott, dieses Fett am Bauch! Das bin nicht mehr ich! Als jemand fragte, ob sie nach der Niederkunft weiter arbeiten wolle, sei das des Guten zu viel gewesen. Eine Kundin zeigte ihr zufällig unseren Schrittzähler. In diesem Augenblick war es um sie geschehen. Das war genau das, was sie brauchte, um abnehmen zu können. Mehr Bewegung lag ihr im Blut. Aber nicht weniger essen. Zu sehr liebt sie italienische Pasta und einen schönen Wein. «Ich dachte immer, als Coiffeuse bewege ich mich viel. Was für ein Schock, als ich sah, dass ich es nur auf läppische 2000 bis 3000 Schritte am Tag brachte!»

Von diesem Augenblick an ging die Post ab. Jeden Morgen ohne Ausnahme joggt sie eine halbe Stunde. «Ich gehe nicht zur Arbeit, bevor ich nicht schon mindestens 5000 Schritte gemacht habe.» Den Rest bis zur magischen Grenze von 10 000 Schritten am Tag schafft sie, indem sie konsequent alle kurzen Wege zu Fuss geht, für die sie früher das Auto genommen hatte. Den Lift in den dritten Stock in ihren Salon lässt sie ohnehin stehen. Ist das immer noch nicht genug, gibt’s noch ein Laufbandtraining oder ein paar Übungen im Schlafzimmer. Am Wochenende bringt es Maya Legio sogar auf 20 000 Schritte am Tag. Das sei nötig, weil sie beim Essen auf keinen Fall irgendwelche Abstriche machen wolle.

Zum Thema Schlafzimmer. Mit dem Schrittzähler seien die Kilos gegangen und die Liebe wiedergekommen. Heute wiegt sie nur noch 66 Kilo, vor einem Jahr waren es 81. «Ich bin ein anderer Mensch geworden. Ich bin wieder die, die ich einmal war. Ich war mit mir und der Welt unzufrieden, entsetzlich träge und furchtbar schnell müde. Selbst das Atmen fiel mir zunehmend schwer. Ich hatte auf nichts mehr Bock. Wenn mein Mann versuchte, sich mir zu nähern, hätte ich mich verkriechen können. Heute ist er in mich vernarrt wie vor 40 Jahren, als wir uns als Teenager verliebten.» Nicht nur zu Hause, sondern überall bekommt Maya Legio Komplimente. Sie sehe ganze zehn Jahre jünger aus. Sie habe wieder Energie für zwei und sprudle wie ein Vulkan.

Kürzlich musste sich Maya Legio neue Kleider organisieren. Sieben neue Hosen habe sie gekauft, weil keine der alten mehr passten. Grösse 36 habe gereicht. Etwas, was sie nie mehr für möglich gehalten habe. Nicht mal als Jugendliche habe sie eine solche Figur gehabt. Sie habe einen ganzen Tausender liegen gelassen, so glücklich sei sie gewesen.

Ein riesiger Stein vom Herzen fiel ihr auch in Sachen Alkohol. Weil ihr Vater ein Alkoholproblem hatte, trank sie jahrzehntelang gar nichts. Dann bekam sie eine Stelle im Service und schloss mit dem Alkohol Freundschaft. Und zwar so sehr, dass er immer mehr zum Trostspender wurde. «Alkohol belohnt, entspannt und lässt Probleme und den Frust vergessen. Wenn ich ehrlich bin, habe ich oft aus reiner Verzweiflung gesoffen.» Der Moment, als Maya Legio mit dem Schrittzähler das Heft wieder in die eigene Hand nahm, brachte auch hier die grosse Wende. Nach wie vor trinkt sie sehr gerne Wein. Aber sie hat den Konsum wieder im Griff. Es sei so, als wenn jemand den Schalter gedreht habe.

Über das Thema Alkohol spricht sie heute ganz offen. Auf Ablehnung stosse sie nirgends, im Gegenteil. «Was, du auch?» sei jeweils die befreiende Reaktion von anderen betroffenen Frauen. «Wir leben in einer Cüpli-Gesellschaft. Immer und überall begegnen wir dem Alkohol. Wie rasch geht es, den richtigen Moment zu verpassen und das eine Glas zu viel zu trinken. Wenn du müde, gestresst oder unglücklich bist, geht das so schnell. Ich verachtete mich, wenn ich zu viel trank. Ich fühlte mich ekelhaft und schämte mich, vor allem gegenüber meinem Mann. Es war diese Scham, die mich fertig machte. Ich bin noch nicht ganz über dem Berg, aber ich schaffe es und arbeite an mir.»