Depression ist heilbar

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Was ist innovativ an Ihrem ­Konzept?

Früher erfolgte die Behandlung weitgehend symptomorientiert. Wenn sich bei jemandem im Rahmen der Depression beispielsweise eine ausgeprägte Neigung zum Grübeln zeigte, dann vermittelte man Techniken wie den «Gedankenstopp», um das Symptom zu verringern. Die moderne Depressionsbehandlung ist viel mehr an den Ursachen als an den Symptomen ausgerichtet.

Können Sie das näher erläutern?

In der Regel geht es beim Grübeln um sehr spezielle Themen, etwa das Erleben von persönlichem Versagen. Das Thema ist mit bestimmten Gefühlen wie Scham, Schuld oder Angst verbunden. Meist ist das individuelle Erleben für Dritte gar nicht nachvollziehbar. Deshalb müssen wir zunächst verstehen, worum es eigentlich geht und warum die Gedanken des Patienten so intensiv um dieses Thema kreisen.

Hat das mit konkreten Erfahrungen zu tun, zum Beispiel einem Misserfolg?

Ja, aber nicht jeder erlebt sich aufgrund eines Misserfolgs als Versager und nicht jeder grübelt wochenlang darüber. Im Rahmen einer Depression muss man die Frage nach den Ursachen in einen grösseren Zusammenhang stellen. Die Frage lautet dann: Warum wird eine bestimmte Erfahrung gerade von dieser Person als so bedrohlich erlebt, dass sie sich gedanklich mit fast nichts anderem mehr beschäftigen kann.

Sie versuchen das Problem vor dem Hintergrund der Lebensgeschichte des Patienten zu verstehen?

Das ist aus heutiger Sicht die minimale Voraussetzung für eine gute Depressionsbehandlung. Wir müssen die aktuellen Probleme des Patienten auf Basis seiner biografischen Prägungen verstehen. Die Ergebnisse der Bindungsforschung zeigen uns, wie wichtig die Erfahrung einer sicheren Bindung in der Kindheit für die seelische Widerstandskraft im Erwachsenenalter ist. Umgekehrt führen emotionale Vernachlässigung und traumatische Erfahrungen wie Gewalt oder Missbrauch zu einer deutlich grösseren Verwundbarkeit im Hinblick auf die Entwicklung depressiver Episoden im Erwachsenenalter. Und aus der Therapieforschung wissen wir, wie gross der Einfluss von Erziehungsstilen auf die Ausprägung von späteren Denk-, Erlebens- und Verhaltensmustern ist.

Solche Prägungen aus der Kindheit lassen sich ja nicht einfach beseitigen. Wie gehen Sie denn in der Therapie damit um?

Zunächst mal ist es wichtig, diese Prägungen und ihre Auswirkungen auf das heutige Erleben und Verhalten möglichst genau zu kennen und dem Patienten auch bewusst zu machen. Oft gelingt auf diese Weise bereits eine gewisse gedankliche Distanzierung. Der zweite Schritt besteht darin, die Denk- und Verhaltensmuster zu bearbeiten. Dazu gehört beispielsweise das gemeinsame Entwickeln von Alternativen, auch wenn depressive Patienten eine starke Vermeidungstendenz aufweisen und sich ungewohnte Verhaltensweisen oft nicht zutrauen. Der dritte und wichtigste Schritt sind neue – oder wie wir sagen: korrektive – Erfahrungen. Dadurch werden die Prägungen aus der Kindheit zwar nicht beseitigt, aber sie werden gewissermas­sen «überschrieben» und verlieren so ihren beherrschenden Einfluss.

Sie haben gesagt, dass die Kenntnis der ­Lebens­geschichte des Patienten eine minimale Voraussetzung für eine gute Depressions­behandlung ist. Was braucht es sonst noch?

Wir wissen heute, dass Prägungen nicht erst mit der Geburt beginnen und bei der Depressionsbehandlung neben psychischen und sozialen auch biologische Faktoren zu berücksichtigen sind. Ich meine damit nicht nur die genetische Ausstattung, sondern beispielsweise auch so einen Faktor wie chronischen Stress der Mutter während der Schwangerschaft. Dieser Stress beeinflusst die sogenannte Epigenetik des Kindes und hat Auswirkungen auf seine neuronale Entwicklung, somit auch auf seine spätere psychische Disposition.

Hat das Wissen um den ­Zusammenhang von biologischen und ­psychischen Aspekten ­Folgen für die B­ehandlung von Depressionen?

Wir nutzen das Wissen um biopsychische Wechselwirkungen ja schon seit vielen Jahrzehnten, nicht nur bei der Verwendung von Antidepressiva in der Pharmakotherapie, sondern beispielsweise auch in der Lichttherapie, die vor allem bei saisonalen Depressionen wirksam ist. Aber besonders bedeutsam ist der biopsychische Aspekt heute bei Depressionen, die bislang als therapieresistent galten, die also weder durch Psychotherapie noch durch Psychopharmaka hinreichend behandelt werden konnten.

Welche neuen Behandlungsmöglichkeiten stehen dazu zur Verfügung?

Wir haben im Sanatorium Kilchberg bei der Entwicklung unseres Therapiekonzepts darauf geachtet, dass alle biologischen Verfahren, deren Wirksamkeit wissenschaftlich nachgewiesen ist, in der stationären Depressionsbehandlung auch zum Einsatz kommen. Dazu gehört neben der Elektrokonvulsionstherapie neu auch die Infusionsbehandlung mit Ketamin als ein sanftes, aber wirksames Verfahren bei schwer behandelbaren Depressionen. Hinzu kommt die transkranielle Magnetstimulation, die besonders dann Anwendung findet, wenn jemand auf Antidepressiva mit starken Nebenwirkungen reagiert oder einer psychopharmakologischen Behandlung skeptisch gegenübersteht.

Hält mit der transkraniellen Magnetstimulation die Apparatemedizin nun auch in die Psychiatrie Einzug?

Ja, aber nur als ergänzendes Behandlungsverfahren neben einer ganzheitlich ausgerichteten Psychotherapie und einer vielfältigen Palette an fachtherapeutischen Angeboten.

 

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Prof. Katja Cattapan

 

Das Sanatorium Kilchberg

Depression Sanatorium Kilchberg 02

Führend in der Behandlung von stressbedingten Erkran­kungen wie Angst- und Zwangsstörungen, Burn-out, psychosomatischen Schmerzen und Depressionen.

Sanatorium Kilchberg
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