Vorhofflimmern ist eine der häufigsten und gefährlichsten Herzrhythmusstörungen überhaupt. Mit der Katheterablation setzt sich eine Therapie durch, die erstaunliche Resultate bringt.
Privatdozent Dr. Michael Kühne, Oberarzt Kardiologie und Leiter des Elektrophysiologielabors am Universitätsspitals Basel, hat einen Arbeitsplatz, den man eher im Kontrollzentrum einer Raumfahrtbehörde vermuten würde. Überall sind Bildschirme mit Zahlen, Kurven und 3-D-Grafiken. Schaut man ihm über die Schulter, realisiert man rasch, dass er seine Eingriffe nicht in irgendeinem Raum macht, sondern im menschlichen Herzen selber. Genauer im linken Vorhof. Mit einem technologisch komplexen Katheter gelangt er via die Leistenvene und nach Durchstechen der Vorhofscheidewand an den Ort, wo Vorhofflimmern ausgelöst wird, also jene Herzrhythmusstörung, die wegen der Gefahr für Hirnschläge zu Recht gefürchtet wird.
Rund 100 000 Menschen sind in unserem Land davon betroffen. «Ein leicht zu erkennender Hinweis auf Vorhofflimmern ist ein unregelmässiger Puls. Begleitsymptome sind Herzklopfen, Herzrasen, Unwohlsein, Kurzatmigkeit, Schwindelgefühl sowie körperliche Leistungseinbusse», sagt Dr. Kühne. «Vorhofflimmern kann aber auch weitgehend unbemerkt verlaufen, sodass es ohne Vorwarnung zu einem Schlaganfall kommt.» Die Sterberate von Patienten mit Vorhofflimmern ist doppelt so hoch wie bei Gesunden. Rund jeder vierte Schlaganfall wird durch Vorhofflimmern verursacht. Zudem verlaufen Schlaganfälle infolge Vorhofflimmern besonders schwer und führen häufiger zum Tod als solche anderen Ursprungs.
Beim Vorhofflimmern schlagen die Herzvorhöfe zu schnell, unregelmässig und unkoordiniert. Ursache ist eine Art elektrisches Gewitter in den Vorkammern des Herzens. Als Folge kann es zu Herzschwäche kommen. Das Hauptrisiko besteht jedoch darin, dass sich im Vorhof Blutgerinnsel bilden, die sich ablösen und via Hauptschlagader ins Gehirn gelangen und dort einen Schlaganfall auslösen. Das ist der Grund, weshalb die meisten Patienten mit Vorhofflimmern eine konsequente Blutverdünnung brauchen. Mit den heute zur Verfügung stehenden oralen Medikamenten gelingt das einfacher, effizienter und sicherer als mit den bisher verwendeten.
Am Vorhofflimmern selber und an den Symptomen ändern diese Mittel nichts. Vorhofflimmern wächst sich nicht aus, sondern chronifiziert. Deshalb setzt sich mehr und mehr eine Therapie mit dem Namen Katheterablation durch. Ziel bei dieser Therapie ist die elektrische Isolierung der Eintrittsstelle der vier Lungenvenen vom Gewebe der linken Vorkammer. Denn genau in diesen Lungenvenen entstehen die elektrischen Impulse, die das Herz aus dem Takt bringen. Dr. Kühne: «Eine Katheterablation ist angezeigt, wenn die medikamentöse Behandlung keinen Erfolg hat, über Jahrzehnte durchgeführt werden müsste oder aufgrund der Nebenwirkungen nicht verträglich ist. In bestimmen Fällen kann gemäss den neusten Richtlinien die Katheterablation auch als erste Therapieoption in Betracht gezogen werden. Gerade verhältnismässig junge Patienten mit noch nicht lange bestehendem Vorhofflimmern und Symptomen wie Herzrasen und Leistungseinbrüche profitieren vom Eingriff. Die Erfolgschancen sind bei diesen Patienten am höchsten und die möglichen Risiken und Nebenwirkungen einer Langzeittherapie mit Medikamenten werden ausgeschaltet.» In geübten Händen und bei sorgfältiger Patientenauswahl sowie moderner Kathetertechnik liegen die Erfolgsquoten zwischen 80 und 90 Prozent. Rund 200 Eingriffe pro Jahr werden in Basel gemacht. Der Eingriff ist risikoarm, schwerwiegende Komplikationen sind sehr selten. Dr. Kühne: «All unsere Patienten werden nachkontrolliert. Der Gewinn an Lebensqualität ist für die meisten enorm. Beklemmende Symptome wie Herzrasen, Leistungsabfall und Angstgefühle verschwinden von einem Tag auf den anderen.»
Auch wenn in der Schweiz im internationalen Vergleich verhältnismässig viele solcher Eingriffe durchgeführt werden, liegt die Vermutung nahe, dass bei einer Zahl von 1500 Ablationen pro Jahr der Nachholbedarf angesichts der rund 100 000 Betroffenen immer noch sehr hoch ist. Wichtig ist deshalb, dass man bei neu auftretendem Vorhofflimmern nicht zu lange wartet, sondern sich vom Hausarzt an einen Kardiologen überweisen lässt.