Der intime Schutz für die Frau

Vaginalmilieu

Vagina und Darm? Das passt nicht zusammen. Oder doch? Jede Frau weiss, dass in ihrer Scheide unterschiedliche Bakterien leben. Die einen schützen vor Infekten und Entzündungen, die anderen lösen genau diese aus. «Böse» Bakterien wie zum Beispiel E. coli lauern unter anderem im Darm. Da­rum lernen schon Mädchen, dass man nach dem Stuhlgang immer von vorne nach hinten wischen soll. Doch das ist nur die halbe Wahrheit, denn im Darm leben auch gute Bakterien, die ebenfalls in Richtung Vagina wandern. Unter ihnen die Laktobazillen. Das sind probiotische Bakterien, die aus Zucker Milchsäure produzieren und damit ein saures Scheidenmilieu schaffen. «Krankmachende Keime werden so am Wachstum gehindert oder sterben ab, damit keine Entzündungen in Scheide und Blase entstehen», sagt Dr. Irena Zivanovic. Sie ist Leitende Ärztin Urogynäkologie am Blasen- und Beckenbodenzentrum des Kantonsspitals Frauenfeld.

Frauen schätzen die neuen Probiotika

«Das Gleichgewicht ist entscheidend, also die Balance zwischen guten und schlechten Bakterien in der Vagina selber», so die Expertin. Manche Frauen nehmen Cremes, die milchsäurebildende Laktobazillen enthalten, um Infekte abzuwehren. Neu ist die Variante mit Probiotika-Tabletten zum Schlucken. Sie haben eine Hülle, die sie vor der Magensäure und Gallensäften schützt. «Die Tabletten sind sehr praktisch und diskret. Mit etwas Wasser kann man sie zu jeder Zeit und an jedem Ort nehmen. Die Frauen schätzen das sehr, und wir Ärztinnen und Ärzte sind auch froh, dass wir solche Probiotika haben. Sie sind ein Bestandteil der Therapie bei Scheidenentzündungen und auch Teil unseres multimodalen Therapiekonzeptes bei immer wiederkehrenden Blasenentzündungen.»

Hat denn die Regel, dass Frauen nach dem WC-Gang immer von vorne nach hinten wischen sollen keine Gültigkeit mehr? «Doch. Die Empfehlung gilt immer noch. Je weniger E.-coli-Bakterien mit der Scheide in Berührung kommen, desto besser. Auch hier geht es aber ums gesunde Gleichgewicht. Je lückenloser der natürliche Säureschutz mit Probiotika, desto besser die Barriere.»

Sogar Menstruationsblut kann das Scheidenmilieu stören

Wie entsteht ein Ungleichgewicht? «Es gibt mehrere mögliche Gründe. Natürliche hormonelle Veränderungen, Hormonmangel, bestimmte Verhütungsmittel und die Gabe von Antibiotika führen zu einem Rückgang der guten Milchsäurebakterien. Sogar Menstruationsblut kann das Scheidenmi­lieu stören. Auch übertriebene, falsche oder mangelhafte Körperhygiene, mechanische Hautirritationen oder enge und synthetische Wäsche. Chronische Erkrankungen wie Diabetes, eine geschwächte Körperabwehr, lang anhaltender Stress und psychische Belastungen haben ebenfalls einen Einfluss auf die Balance.» Sind Frauen ab der Menopause besonders anfällig? «Ja. In dieser Zeit nimmt die Produktion von Östrogen – und damit die Zuckerproduktion in der Scheide – deutlich ab. Zucker dient den Milchsäurebakte­rien als Nahrung. Weniger Nahrung bedeutet weniger Milchsäurebakterien.»

Oft wird bei Probiotika von körpereigenen Desinfektionsmaschinen gesprochen. Die Laktobazillenstämme in der Scheide produzieren neben Milchsäure nämlich auch eine Reihe anderer antibakteriell wirksamer Substanzen. Dazu gehört Wasserstoffperoxid, das mit seiner oxidierenden und desinfizierenden Wirkung das Wachstum krankmachender Erreger zusätzlich verhindert.