Der Trick gegen Nervosität

Sanduhr

„Ich möchte mein Beruhigungsmittel absetzen und weiss nicht wie. Wenn ich es nicht nehme, bin ich sehr nervös“, schreibt eine Leserin.

Reduzieren Sie Ihr Beruhigungsmittel nur ganz allmählich, damit es nicht zu Entzugssymptomen kommt. Und entwickeln Sie gleichzeitig eine Strategie, wie Sie mit Ihrer Nervosität besser umgehen können. Sie müssen Ihren eigenen Weg finden, damit Sie in solchen Fällen nicht wieder das Gefühl haben, ohne Tablette gehe es nicht.

Ich mache Ihnen zwei Vorschläge. Probieren Sie diese aus. Vorschlag 1: Sie glauben im Moment, dass Sie das Beruhigungsmittel brauchen, sonst sind Sie nervös. Das hat sich in Ihrer „Software“, also in Ihren Gedanken festgesetzt. Sie müssen diese Software wieder schleunigst umprogrammieren.

Das können Sie, indem Sie sich beweisen, dass Sie es ohne Tablette aushalten, auch wenn Sie nervös sind. Sie müssen die Erfahrung wieder machen, dass Ihnen nichts passiert und die Welt um Sie herum nicht untergeht, auch wenn Sie nervös sind. Machen Sie das etappenweise. Indem Sie zum Beispiel eine Sanduhr oder eine Eieruhr nehmen und diese einstellen. In dieser Zeit greifen Sie  n i c h t  zur Tablette, sondern sagen sich: Diese zwei oder vier Minuten halte ich aus! Wenn diese zwei oder vier Minuten abgelaufen sind, stellen Sie die Uhr erneut. Und warten erneut die paar Minuten. Und wieder brauchen Sie in dieser Zeit die Tablette nicht. Nach drei bis vier Mal haben Sie gemerkt und sich selber den Beweis geliefert: Halt, ich bin ja in der Lage, meine Nervosität auszuhalten, ohne die Tablette zu nehmen. Und Sie sagen sich weiter: Jetzt brauche ich sie auch nicht mehr. Es ist schon zu spät. Ich bin zwar etwas nervös. Aber ist egal. Es geht ja!

Sie beginnen sogar mit Ihrer Nervosität zu reden: Siehst Du, ich bin stärker als Du! Du bekommst mich nicht mehr so schnell. Ich halte Dich aus und bin stärker als Du. Vielleicht brauchen Sie am Anfang die Tablette – oder die Vierteltablette – doch noch ein paar Mal. Am nächsten Tag halten Sie es aber schon länger aus, am dritten noch länger. Sie reden dabei immer weiter mit Ihrer Nervosität. Führen Sie richtige Zwiegespräche! Geben Sie ihr einen Namen. Fragen Sie Ihre Nervosität, was sie Ihnen sagen will! Und so weiter. Vielleicht denken Sie jetzt: Das ist doch doof und funktioniert nicht. Ich sage Ihnen aus vielfacher Erfahrung: Doch es funktioniert!

Eine andere Idee ist in Augenblicken, in denen Sie nervös sind, eine Entspannungsmethode anzuwenden. Wenn Sie keine kennen, kann man diese lernen. Noch viel einfacher ist intensive körperliche Bewegung: Kickboxen zu Hause an einem Sack, Trampolinspringen, nach draussen gehen und schnelles Gehen oder Joggen, Seilspringen: Sport ist die effektivste Entspannungsmethode, wirkt angstlösend und antidepressiv. Wichtig ist einfach, dass Sie irgendetwas  m a c h e n, wenn Sie nervös sind. Und so vermeiden, dass Sie mit Ihrer Nervosität alleine und ihr hilflos ausgeliefert sind. Das wird Ihrer Nervosität nicht gefallen. Und sie wird sich bald davon machen. Wenn Ihre Nervosität lernt, dass Sie keine Pille mehr bekommt, wird es ihr mit der Zeit zu dumm und sie hört auf, Sie zu plagen. Je mehr Gewicht Sie ihr geben, desto länger gefällt es ihr bei Ihnen. Das ist die Taktik, die Sie anwenden müssen.