Die grosse Pillenmüdigkeit

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Ende der 60er-Jahre war die Antibabypille das am häufigsten verwendete Verhütungsmittel. Heute hat das Kondom mit der Pille gleichgezogen. Die Hersteller reagieren auf den Trend zur Natürlichkeit. Es gibt Präservative ohne Latex, Farbstoffe und sogar vegane. Die Ablehnung der Antibabypille ist besonders ausgeprägt bei der jüngeren Generation. Setzten vor 30 Jahren noch 62 Prozent der 25- bis 34-Jährigen auf die hormonelle Verhütung, waren es bei der jüngsten Erhebung 2017 nur noch 39 Prozent.

Thromboserisiko und Gefühlsschwankungen

Was sind die Ursachen für die Pillenmüdigkeit der Frauen? Dr. Reto Stoffel, Gynäkologe mit langjähriger Erfahrung, ortet einer der Gründe in der medialen Beurteilung: «Wann immer über Risiken wie Thrombosen und Nebenwirkungen wie Gefühlsschwankungen berichtet wurde, hatte und hat das einen grossen Einfluss auf die individuelle Wahl des Verhütungskonzeptes.» Ein weiterer Grund sieht er bei Freundinnen und Kolleginnen, die eine Verhütungsmethode subjektiv gut oder schlecht finden, oft ohne rationale Beurteilung der medizinischen Vor- und Nachteile. «Frauen nach 30 wollen sich nicht durch Hormone manipulieren lassen», erklärt er. «Und Teenager finden neue Möglichkeiten wie Apps lässig».

Es ist Aufgabe des Gynäkologen oder der Gynäkologin objektiv abzuschätzen, vor welchen Methoden aus medizinischen Gründen abgeraten werden muss. «Es ist bekannt, dass ein Drittel aller Menschen genetisch ein erhöhtes Thromboserisiko hat. In solchen Fällen wird vor östrogenhaltigen Kombinationspräparaten dringend abgeraten. Frauen mit häufigen schweren Infekten wie Gebärmutter- und Eileiterentzündungen sollten sich keine Spirale einsetzen lassen», warnt Dr. Reto Stoffel.

Das erste Mal mit 17 Jahren

Kein Risiko für Thrombosen habe reine Gestagen-Präparate, und sie verhüten ebenfalls zuverlässig. Bei einigen Produkten muss ein Zeitfenster bei der Einnahme beachtet werden. «Viele Frauen haben mit Gestagen-Pillen keine Blutungen mehr, was meist als angenehm empfunden wird. Nachteilig sind irreguläre Blutungen, die harmlos, aber lästig sind. Gelegentlich verstärkt sich eine Akne oder es kommt zu vermehrtem Haarausfall», sagt der Gynäkologe. Wiederum ein Grund, die Pille abzusetzen.

Ein weiterer Grund für die Pillenmüdigkeit könnte das veränderte Sexualverhalten von Jugendlichen sein. Der Zeitpunkt des ersten Geschlechtsverkehrs lag l998 noch bei 15 Jahren für Mädchen. Heute ist der Durchschnitt beim ersten Mal 16 bis 17 Jahre. Kommt hinzu, dass immer mehr junge Menschen Single sind. Jeder zweite in der Altersgruppe von 21 bis 25 Jahren hat keinen Sexpartner oder -partnerin.