Bald würde sie zwei künstliche Kniegelenke brauchen, hatte die Orthopädin gesagt. In den Ohren von Madeleine Brüllhardt, 67, aus Wallisellen ZH hörte sich das wie eine Drohung an. «Ich hatte mein Leben lang keine Kniebeschwerden, und nun sollten meine Kniegelenke auf einmal so kaputt sein, dass sie durch Prothesen ersetzt werden müssen? Ich verstand die Welt nicht mehr. Auch mein Hausarzt meinte, eine Operation komme sicher noch nicht in Frage und schickte mich zu einem anderen Orthopädie-Facharzt. Bevor eine Operation zum Thema werde, gebe es noch viele andere Möglichkeiten, die man probieren müsse, sagte dieser. Nach Sichtung der Röntgenbilder klärte er mich auf und empfahl eine Injektion mit Hyaluronsäure direkt ins Kniegelenk.»
Hyaluronsäure vermehrt die Knorpelzellen
Hyaluronsäure ist ein natürliches Molekül, das überall im Körper, insbesondere aber in der Gelenkflüssigkeit vorkommt. Es stimuliert die Vermehrung der Knorpelzellen und die Synthese von Knorpelsubstanz, vermindert die Schmerzwahrnehmung durch Abschirmung der Nervenendigungen in der Gelenkmembran, hemmt die Entzündungswege und schützt den Knorpel durch Gelenkschmierung und Abfederung von Stössen.
Starke Muskeln helfen
Madeleine Brüllhardt wuchs auf einem Bauernhof auf. «Wir mussten neben der Schule in jeder freien Minute Schwerstarbeit verrichten: heuen, Grasfuder von Hand beladen, Strohballen hochstemmen, niemals Schwäche zeigen. Meine Kniegelenke hatten damit keine Probleme, doch mein Rücken trug Schäden davon. Abnützungen, Bandscheibenvorfälle, Wirbelversteifungen waren Jahre später die Folge.» Schon seit Kindsbeinen hat Madeleine Brüllhardt Rückenschmerzen. Nur mit einer starken Muskulatur kann die pensionierte Pädagogin die Wirbelsäule entlasten und weiteren Schäden vorbeugen. «Ich gehe darum dreimal pro Woche ins Hallenbad und schwimme 300 bis 400 Meter Rücken. Dann mache ich Aquajogging und Aquafit. Und ich gehe einmal pro Woche tanzen.» Erst vor zwei Jahren begannen auch die Kniegelenke zu schmerzen. «Ich konnte kaum noch Treppen steigen, war völlig neben den Schuhen. Fast von einem Tag auf den anderen.»
Schmerzfrei innert Minuten
Der Facharzt spritzte die Hyaluronsäure unter Ultraschallkontrolle direkt ins Kniegelenk. «Das tat überhaupt nicht weh. Ich konnte auch gleich aufstehen und heimgehen, müsse aber noch einen Moment Geduld aufbringen, bis es voll wirkt, meinte der Arzt. Und tatsächlich: Nach zwei Wochen waren die Schmerzen fast komplett weg. Acht Monate hielt die Wirkung an. Danach habe ich die Spritze wiederholen lassen. Beim zweiten Mal ging es viel schneller. Schon nach wenigen Minuten waren die Schmerzen weg. Ich bin so glücklich, dass es wirksame Hilfe für meine Knie gibt.»
Das Einzige, was Madeleine Brüllhardt nicht versteht, hat mit ihrer Krankenkasse zu tun. «Warum bezahlt die Kasse diese kostengünstige Therapie mit Hyaluronsäure nicht? Teure und teils unnütze Kniegelenk-Operationen werden kommentarlos übernommen.» Sie schüttelt den Kopf und fügt hinzu: «Dann bezahle ich die 300 Stutz halt aus dem eigenen Sack. Es reut mich kein einziger Franken.»
Je früher, desto besser
Dr. med. Martin Toniolo vom Zentrum für Rheuma- und Knochenerkrankungen in Zürich behandelt Madeleine Brüllhardt.
Dr. med. Martin Toniolo
Wirkt die Hyaluronsäure immer so gut wie bei Frau Brüllhardt?
Am besten wirkt sie, wenn im Gelenk noch Knorpel vorhanden ist, wenn die Betroffenen aktiv sind und sich regelmässig bewegen. Das passt bei Madeleine Brüllhardt alles. Je früher man behandelt, desto grösser sind die Erfolgschancen.
Wie oft muss man die Infiltration wiederholen?
Bei den neuen, hochkonzentrierten Präparaten hält die Wirkung meist mindestens ein halbes Jahr an. Bei Bedarf kann man die Injektion jederzeit wiederholen.
Warum bezahlt die Krankenkasse diese Therapie nicht?
Die Hyaluronsäure wird, weil sie schon natürlich in unserem Körper vorkommt, nicht als Arzneimittel eingestuft, sondern als Medizinprodukt und muss daher leider von der Grundversicherung nicht bezahlt werden. Das ist für Ärzte und Patienten nur schwer nachvollziehbar.