Die Zehnerregel gegen den Schmerz

Die Zehnerregel gegen den Schmerz Bild: AdobeStock, Urheber: fizkes

Abwarten und auf die Zähne beissen. Dieser gut gemeinte Rat hat für viele Patientinnen und Patienten mit Schmerzen Folgen. Grosse Studien haben gezeigt, dass die Behandlung von akuten Schmerzen noch immer ungenügend ist, sogar im Spital. Vorurteile und falsches Wissen führen zu einer Schmerzmittelunterdosierung. Wird eine ausreichende Schmerztherapie unterlassen, gehen akute oft in chronische Schmerzen über. Ein Schmerzgedächtnis entwickelt sich. Ist der Schmerz erst einmal chronisch, durchleben Patienten oft jahrelange Leidensgeschichten und verursachen hohe Kosten.

Akute Schmerzen sind ein Warnsignal. Sie sind die Folge einer Gewebeschädigung. Hält der Schmerz aufgrund des Gewebeschadens weiter an, verliert er seine Warnfunktion und erfüllt seine ursprüngliche Aufgabe nicht mehr. Deshalb ist es wichtig, möglichst rasch und entschlossen den Schmerz zu lindern. Unbehandelter akuter Schmerz wirkt sich nachteilig auf Körper und Psyche aus.

Chronische Schmerzen verhindern

Beispiel Rückenschmerz: Kaum ein Mensch bleibt in seinem Leben davor verschont. In den meisten Fällen ist die Ursache harmlos, und eine Selbstbehandlung mit einem schmerzlindernden und entzündungshemmenden Wirkstoff kombiniert mit Kälte- oder Wärmepackungen – je nachdem, was man besser erträgt – genügt vollauf. Schonung ist höchstens für ein bis zwei Tage angesagt. Bessern sich die Beschwerden nicht innert drei Tagen merklich oder werden sie sogar schlimmer, muss man zum Arzt. Ist das Problem spätestens nach drei Monaten nicht gelöst, braucht es unbedingt ein spezialisiertes Zentrum. Gelingt es nämlich nicht, die Rückenschmerzen rasch zu lindern, kommt es zur Chronifizierung, und der Körper beginnt schon nach wenigen Wochen ein Schmerzgedächtnis aufzubauen. Fehlhaltungen und Verspannungen stellen sich ein und rufen weitere Schmerzen hervor.

Zehnerregel gegen Schmerzmittelmissbrauch

Beispiel Kopfschmerz und Migräne: Nicht jeder Kopfschmerz erfordert gleich eine medikamentöse Therapie. Sich hinlegen, komplett abschalten und sich entspannen ist ein probates Mittel besonders beim Spannungskopfschmerz. Sind die Schmerzen jedoch stärker, ist es viel gescheiter, gleich zu Beginn der Attacke ein gut wirksames Mittel zu nehmen, die Einnahme aber zeitlich zu beschränken, um einem Schmerzmittelmissbrauch vorzubeugen. Mit der sogenannten Zehnerregel ist man auf der sicheren Seite: Höchstens an zehn Tagen im Monat darf man selber Medikamente gegen Schmerzen nehmen, mindestens 20 Tage sollen einnahmefrei sein. Die wenigsten Patientinnen und Patienten kennen diese Grenze, und die wenigsten Ärzte kommunizieren das. Am meisten Übergebrauch bei Kopfschmerzen findet derzeit mit den sogenannten Triptanen statt, obwohl sie rezeptpflichtig sind. Zu häufige Einnahme dieser spezifischen Migränemittel erhöht die Kopfschmerzfrequenz wie alle anderen Schmerzmitteln auch, wenn man sie zu oft nimmt.

Übrigens sollte man auch bei Migräne zuerst einen Behandlungsversuch mit einem gewöhnlichen, frei verkäuflichen Kopfschmerzmittel machen, bevor man zu den rezeptpflichtigen Triptanen greift. Die Erfahrung zeigt, dass man damit in einem hohen Prozentsatz bereits Erfolg hat, besonders, wenn das Mittel schon bei den ersten Vorboten der Migräne eingesetzt wird. Dazu ist es nötig, dass jeder seine eigenen Kopfschmerzen kennt und mit der Zeit genau abschätzen kann, wann welche Massnahme sinnvoll ist, und so einen vernünftigen Umgang mit Schmerzmitteln findet.