Welches sind die drei grössten Fortschritte im Kampf gegen Krebs in den vergangenen Jahren?
Prof. Rochlitz: Das ist ein riesiges Feld. Fortschritte gab es in allen möglichen Bereichen. Einen einzelnen grossen Fortschritt bei der Krebsbehandlung gibt es nicht und wird es wohl auch nicht geben. Meistens sind es viele kleine Schritte, die in der Summe dann den Fortschritt ausmachen. Aus meiner Sicht möchte ich jedoch drei Dinge herausgreifen. Erstens die Antikörpertherapie gegen Brustkrebs, genauer gegen jene Formen, bei denen der Rezeptor HER2 zu einer beschleunigten Tumorzellteilung führt. Zweitens Hemmstoffe, die verschiedene Schlüsselenzyme aus der Gruppe der Tyrosinkinasen hemmen. Damit gelingt eine spezifische Behandlung unterschiedlichster Tumoren. Und drittens die sogenannten Checkpoint-Inhibitoren aus der Immuntherapie.
Welches Potenzial hat eben diese Immuntherapie?
Meiner Auffassung nach – und da bin ich nicht allein – ein sehr grosses. Bei der Immuntherapie schlägt man den Krebs mit seinen eigenen Waffen und verhindert so, dass er das Immunsystem des menschlichen Körpers austricksen kann. Wir sehen bereits heute ein gutes Ansprechen und eine Verlängerung der Überlebenszeit bei Tumoren, die bisher nur sehr schwer behandelt werden konnten. Beispiele sind das Melanom, der Lungen- und der Nierenkrebs.
Und die Gentherapie, in die man lange Zeit sehr hohe Erwartungen hatte?
Ich bin sehr skeptisch, dass sie jemals in grossem Stil in den klinischen Alltag Einzug halten wird. Bei Tumoren hat sie kaum Erfolgschancen und meiner Meinung nach nur sehr geringe Zukunftsaussichten.
Wo ist der Handlungsbedarf am grössten?
Überall dort, wo wir derzeit kaum Chancen auf Heilung haben und nur eine bescheidene Lebensverlängerung möglich ist, und das ist fast immer dann der Fall, wenn Tumore metastasieren, das heisst ferne Ableger bilden. Grosser Handlungsbedarf besteht aber auch bei der Finanzierbarkeit der neuen Therapien und deren Kostengestaltung. Dieser Aspekt wird in Zukunft extrem an Bedeutung gewinnen.
Welche Fortschritte werden die nächsten Jahre bringen?
Eine dramatische Zunahme an neuen, wirksamen Medikamenten. Bei allen Tumorarten werden wir dadurch die Lebenszeit kontinuierlich verlängern können, wenn auch zunächst wohl nur in kleinen Schritten. Auch Heilung wird in den nächsten Jahren wahrscheinlich immer öfter möglich werden, und zwar in Einzelfällen selbst dann, wenn ein Tumor bereits Metastasen gemacht hat. Der Fortschritt braucht aber viel Zeit und einen enormen Forschungsaufwand.
Welche Philosophie verfolgt das Tumorzentrum des Universitätsspitals Basel?
Die Behandlungsmöglichkeiten werden immer besser, gleichzeitig auch immer komplexer. Deshalb ist die Behandlung erfolgreicher, wenn sie in einem Tumorzentrum stattfindet. Wir bieten den Patienten eine klinisch-wissenschaftliche Einrichtung, eine fächerübergreifende, umfassende Diagnostik und Behandlung. Unser Zentrum vereint alle wichtigen Kompetenzen. Kurze Wege garantieren, dass die Kommunikation zwischen den Spezialisten rasch stattfindet und die Patienten ganzheitlich betreut werden. Dabei wird auch der Hausarzt mit einbezogen. Therapiebegleitend haben wir ein breites Spektrum von unterstützenden Angeboten. Auch den Bedürfnissen der Angehörigen versuchen wir mit speziellen Dienstleistungen gerecht zu werden.
Wie lässt sich die Qualität eines Tumorzentrums messen?
Die Zertifizierungsstelle der Deutschen Krebsgesellschaft e.V. hat bereits drei Organtumorzentren des Tumorzentrums im Universitätsspital Basel zertifiziert. Erhalten haben das Qualitätssiegel für exzellente Versorgung das Brustzentrum, das Gynäkologische Tumorzentrum und das Zentrum für Hauttumore. Die Zertifizierung bestätigt, dass Patienten grundsätzlich und zu jedem Zeitpunkt der Erkrankung behandelt werden und dass die Behandlung ganzheitlich stattfindet. Diese Zertifizierungen sind nur der Anfang und zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Weitere Informationen: www.unispital-basel.ch