Eine Therapie gegen jeden Krebs

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Einer der grössten Fortschritte der Krebsmedizin in den letzten Jahren waren personalisierte Immuntherapien. Der aufwendige Prozess kostet allerdings wertvolle Zeit. Man muss dem Patienten Blut abnehmen, die Immunzellen isolieren, den Zellen die spezifische Ausrüstung für den Kampf gegen die vorliegende Krebsart verleihen, sie vermehren, aufbereiten und dem Patienten schliesslich wieder verabreichen. Während des ganzen Prozederes können mehr als zwei Wochen verstreichen.

Die grösste Entdeckung ihres Lebens

«Wäre es nicht fantastisch, nach der Krebsdiagnose in den Gefrierschrank greifen zu können und eine vorgefertigte Packung Immunzellen gegen den Krebs einsatzbereit zu haben? Egal welchen Typ Krebs?», fragt Dr. Lucia Mori vom Departement Biomedizin der Universität Basel und des Universitätsspitals Basel. Ende der Achtzigerjahre zog sie nach Basel, «dem besten Ort der Welt für immunologische Forschung», sagt sie.

Vor fünf Jahren machten Mori und ihre Kollegen eine Entdeckung, die vielleicht zur bedeutsamsten ihrer Laufbahn werden könnte. Eigentlich ging es in dem Projekt um Immunzellen, die bakteriell infizierte Zellen eliminieren. Doch einige der Immunzellen erkannten auch Tumore. «Wir dachten zuerst, das könne nicht stimmen», erinnert sich Mori, «aber wir haben die Experimente mehrfach wiederholt und kontrolliert. Die Beobachtung bestätigte sich immer wieder.»

Der Angriff der T-Zellen

Die Forschenden tauften die krebsbekämpfenden Immunzellen «MR1T-Zellen». Dabei handelt es sich um eine Gruppe von T-Zellen mit einem spezifischen Rezeptor, der das Molekül MR1 erkennt und die MR1-tragende Zelle angreift. MR1 ist ein Eiweiss, das natürlicherweise in allen Körperzellen vorkommt und bei allen Menschen identisch ist. Normale Zellen tragen nur sehr wenig davon auf ihrer Oberfläche. Ist eine Zelle entartet, erscheint MR1 in grossen Mengen auf der Zelloberfläche, und zwar gekoppelt mit Stoffwechselprodukten, die auf den abnormalen Stoffwechsel der Krebszelle hindeuten.

MR1 ist damit ein universeller Angriffspunkt, den praktisch alle Krebszellen tragen. Mit den MR1T-Zellen hat das Team um Mori einen Teil des Immunsystems entdeckt, der sich genau gegen diesen Angriffspunkt richtet und sich im Labor auf eine Vielzahl verschiedener Krebstypen massschneidern liesse. «Unser Ziel ist, T-Zellen von gesunden Spendern so zu manipulieren, dass sie sich gegen die Kombinationen aus MR1 und anderen charakteristischen Molekülen auf der Oberfläche der Krebszellen richten», erklärt Mori. Diese MR1T-Zellen liessen sich dann in Flüssigstickstoff über längere Zeit lagern bis zu ihrem Einsatz.

Vorgefertigte Krebstherapie aus dem Gefrierschrank

Da manche Krebstypen Charakteristiken teilen, wäre diese vorgefertigte Immuntherapie auch bei unterschiedlichen Krebsarten wie beispielsweise Brust-, Darm- und Lungenkrebs einsetzbar. Man könnte quasi in einer Tabelle nachschauen, welche der vorbereiteten MR1T-Zellen man für die vorliegende Krebsart braucht, und diese zur Behandlung aus dem Lager entnehmen.

Mit der Erkenntnis, welches Potenzial ihre Entdeckung hat, kam eine weitere: Die akademische Forschung stösst an ihre Grenzen, wenn es darum geht, die Idee vom Labor bis in die klinische Praxis zu bringen. Mori gründete ein Start-up. Auch in ihrer neuen Doppelrolle als Forscherin und Unternehmerin ist ihr Wissensdurst, wie das Immunsystem funktioniert, ungebrochen.

unibas.ch