Eisenmangel ist keine Modediagnose

Die Gesichter des Eisenmangels, Teil 5. Verwirrende Laborwerte.

Eisenmangel 04.18

Die Konzentration des Eisenspeicherproteins Ferritin widerspiegelt sehr zuverlässig das Gesamtkörpereisen. Ein tiefer Ferritinspiegel im Blut ist immer beweisend für Eisenmangel. Umgekehrt schliesst ein scheinbar normales Ferritin einen Eisenmangel nicht in jedem Fall aus, weil Infektionen und bestimmte Erkrankungen der Leber mit einer erhöhten Ferritin-Konzentration einhergehen und somit einen Eisenmangel verschleiern können. Deshalb sollten bei der Abklärung immer auch die Entzündungs- und Leberwerte im Blut bestimmt werden.

Ist der Ferritin-Wert tiefer als 15 Mikrogramm pro Liter, besteht ganz sicher ein Eisenmangel. Liegt die Ferritin-Konzentration zwischen 15 und 30, ist ein Eisenmangel wahrscheinlich. Beträgt das Ferritin zwischen 30 und 100, ist ein Eisenmangel möglich, sofern die Symptome eines Patienten das vermuten lassen. Erst ab einem Ferritin von 100 ist Eisenmangel ausgeschlossen. Absolute Werte erlauben oft keine schlüssigen Aussagen über einen bestimmten Patienten. Entscheidend ist der Vergleich von Laborwerten mit den klinischen Symptomen. Liegen konkrete, auf Eisenmangel deutende Beschwerden vor, ist eine Eisenbehandlung durchaus gerechtfertigt. Sehr hilfreich ist auch eine Verlaufsbeobachtung. Bessern sich die Symptome mit dem ansteigenden Ferritin-Spiegel, ist die Diagnose klar, umgekehrt auch.

Bis heute herrscht Uneinigkeit darüber, ab welcher Ferritin-Konzentration nun wirklich ein Eisenmangel vorliegt. Erschwerend kommt hinzu, dass das Ferritin natürlichen Schwankungen unterliegt und durch Entzündungen stark beeinflusst wird. Lassen Sie sich durch die Kontroverse um den Ferritin-Wert nicht verunsichern. Der entscheidende Grundsatz in der Medizin lautet: Der Patient hat immer recht. Müdigkeit, die wie Blei auf einem Menschen lastet, ist nicht normal und schon gar nicht eine normale Begleiterscheinung des Alters. Eine unerklärliche Müdigkeit ist so lange verdächtig auf Eisenmangel, bis das Gegenteil bewiesen ist.

Noch etwas zur Kontroverse orales versus intravenöses Eisen. In einer Studie mit 1137 Patienten aus dem Schweizer Praxisalltag kommen die Professoren Beglinger und Breymann von den Universitätskliniken Basel und Zürich zu folgendem Schluss: „Eisenmangel mit oder ohne Anämie ist ein globales Gesundheitsproblem. Die parenterale Eisentherapie führte zu einer vollständigen Korrektur des Eisenmangels, während nach der oralen Therapie die Eisenspeicher nur teilweise aufgefüllt waren. Bei Eisenmangelanämie korrigierte die parenterale Therapie sowohl die Anämie als auch den Eisenmangel, während die orale Therapie die Anämie nur teilweise korrigierte und die Eisenspeicher unzureichend füllte. Die Ärzte beurteilten die parenterale Therapie in 93 bis 95 Prozent als wirksam, die orale Therapie nur in 48 bis 62 Prozent. Es fanden sich deutlich mehr Wechsel von der oralen zur parenteralen Therapie als umgekehrt – 62 gegen 6 Prozent – was vor allem auf die schlechte Verträglichkeit und mangelnde Therapietreue zurückzuführen war.“

Eisenmangel ist keine Modediagnose, sondern tausendfache Realität. Eisenmangel hat viele, sehr viele Gesichter.

Hier finden Sie alle 5 Folgen der Serie „Gesichter des Eisenmangels“

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht am 07.11.2013.

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