Er behandelt die schwierigsten Fälle

Therapie oder Operation? Wirbelsäulenchirurg Prof. Mazda Farshad ­erklärt, warum das Universitäre Wirbelsäulenzentrum Zürich oft die letzte Hoffnung bei Rücken- und Nackenschmerzen ist.

Er behandelt die schwierigsten Fälle. Letzte Hoffnung bei Rücken- und Nackenschmerzen
Bild: AdobeStock, Urheber: natali mis

Welches sind die häufigsten Beschwerden Ihrer Patienten?

Es gibt zwei Arten. Entweder lokalisierte Schmerzen im Rücken beziehungsweise Nacken. Oder zusätzlich Ausstrahlungen in die Extremitäten. Im schlimmsten Fall haben die Patienten Sensibilitätsstörungen oder gar Lähmungserscheinungen.

Wann sollte man mit Rückenschmerzen zum Arzt?

Bei lokalisierten Rückenschmerzen, wenn diese nicht innerhalb von einer Woche besser werden oder zu einer längeren Arbeitsunfähigkeit führen. Wenn die Schmerzen weit ausstrahlen oder andere Alarmzeichen auftauchen, sollte man direkt zum Spezialisten.

Was sind diese Alarmzeichen?

Bei Problemen mit der Lendenwirbelsäule sind das Lähmungserscheinungen, Blasenentleerungsstörung, Sensibilitätsstörungen in den Beinen oder massive Schmerzen im Rücken und Fieber bei Verdacht auf eine Infektion. Ist die Hals- oder Brustwirbelsäule betroffen, sollte man schneller handeln. Die Alarmzeichen sind Sensibilitätsstörungen in den Händen, Feinmotorikverlust, Unsicherheiten beim Laufen oder Infektionszeichen der Wirbelsäule.

Kommen diese Auswirkungen oft vor?

Meistens handelt es sich um unspezifische Rückenschmerzen. Da reicht es, wenn man zuerst ein paar Wochen konservativ, also nicht-chirurgisch behandelt.

Welche konservativen Methoden gibt es?

Es gibt unzählige Möglichkeiten, nicht alle bringen den gleichen Erfolg. Grundsätzlich gibt es zwei Therapiearten, um Rückenbeschwerden zu lindern oder zu heilen: medikamentöse  und nicht-medikamentöse. Bei den Medikamenten nützen nicht-steroidale Antirheumatika und für kurze Zeit auch lokale Wärmeapplikationen z. B. auf Capsaicin-Basis. Was hingegen nicht so gut wirkt, sind Antidepressiva, Injektionen direkt in die Bandscheibe und intravenöse Kortisonbehandlungen. Im Bereich der Physiotherapie hilft Rückenschulung, also Instruktionen und auch Wärmeapplikationen. Ultraschallbehandlungen hingegen sind evidenzbasiert ungenügend wirksam. Ebenso langfristig unwirksam sind Laserakupunktur oder Traktionsbehandlungen. Bessere Ergebnisse erreicht man mit Chiropraktik und Yoga. Etwas invasivere Methoden sind Infiltrationen und die Radiofrequenzmodulation, bei letzteren werden kleine Schmerznerven verödet.

Wie lange dauern diese Behandlungen?

Es gibt Fälle, da reicht zum Beispiel bereits eine Infiltration, viel häufiger muss man sie aber regelmässig wiederholen. Konservative Behandlungen können Beschwerden gänzlich mindern, über Jahre hinweg lindern oder nur kurzfristig wirksam sein. Wenn die konservativen Methoden ausgeschöpft sind und der Patient immer noch seine Lebensqualität einschränkende Beschwerden hat, kann eine Operation in Betracht gezogen werden.

Haben die Patienten Angst vor einer Rückenoperation?

Nein, Angst spüre ich bei ihnen selten. Eher Respekt. Wenn der Leidensdruck so gross ist, wünschen viele einfach wieder einmal schmerzfrei zu sein.

Welcher Eingriff ist am häufigsten?

Dekomprimierende Eingriffe. Diese befreien die Nerven und entfernen den Druck im Spinalkanal. Manchmal sind Stabilisationen mittels Schrauben- und Stabsystemen nötig. Diese Operationsart wird zum Beispiel bei Instabilitäten durchgeführt.

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Prof. Dr. med. Mazda Farshad, Wirbelsäulenchirurg und Direktor des Universitäten Wirbelsäulenzentrums Zürich

Welche Komplikationen gibt es?

Wie bei allen chirurgischen Eingriffen sind es die üblichen Risiken wie Nachblutungen, Infektionen etc. Natürlich gibt es auch wirbelsäulenspezifische Komplikationen. Bei den Dekompressionen können zum Beispiel die Nerven beschädigt werden. Und im Bereich der Halswirbelsäule das Rückenmark, mit entsprechend katastrophalen Auswirkungen.

Passiert das oft?

Nein, zum Glück nicht. Das Risiko für schwerste Komplikationen liegen bei Routineeingriffen im Promillebereich. Vergessen darf man auch nicht die Komplikationen bei Versteifungen. Dazu gehören zum Beispiel Lockerungen der Schrauben im Knochen.

Wie erklären Sie das den Patienten?

Indem ich ihnen alle Zahlen und Statistiken offenlege, ich finde das die fairste Aufklärung. Für Fachpersonen haben wir eine Methode erstellt, bei der jeder Eingriff in seiner Komplexität eingestuft wird und jede Komplikation entsprechend ihrer Auswirkungen. Wenn man den rechten Zeh nicht mehr bewegen kann, nimmt man das bei einem hochkomplexen Eingriff eher in Kauf als bei einer normalen Diskushernien-Operation. Man muss immer den Nutzen und das Risiko eines Eingriffs abwägen und mit den Patienten besprechen.

Wie machen Sie das?

Indem alle Spezialisten in unserem Haus zusammenarbeiten. Jeder Eingriff muss bei uns in der Runde verteidigt und gerechtfertigt werden. Wir führen in unserem Zentrum über 1300 Operationen jährlich durch und dokumentieren verschiedene Aspekte in Registern. Wir haben also äusserst zuverlässige Daten, auf denen unsere Entscheidungen basieren. Hinzu kommt, dass wir eine universitäre Einrichtung sind. Wir versuchen immer, auf dem neusten Stand der Forschung zu bleiben oder diese zu übertreffen.

Wie erfolgreich sind Sie damit?

Erfolg ist Definitionssache. Unser Zentrum verfügt über hochspezialisierte Behandlungsmethoden, Spezialisten und Zertifizierungen. Unabhängig von der Erfahrung ist eine Wirbelsäulenoperation immer auch ein «Projekt», das perfekt geplant werden muss. Mit dem Eingriff alleine ist es nicht immer getan. Nach einer Versteifung braucht es zum Beispiel ein halbes bis ganzes Jahr, bis die Heilung abgeschlossen ist. Das müssen die Patienten wissen.

Wird bei Rückenschmerzen zu oft operiert?

Das ist wirklich eine schwierige Frage. Nicht weil ich sie nicht beantworten möchte, sondern weil es keine absolut richtige oder falsche Antwort darauf gibt. In der Medizin ist nicht immer zu 100 Prozent klar, was therapeutisch richtig oder falsch ist. Man muss je nach Fall entscheiden. Da braucht es dann eben die Diskussion unter allen Kollegen und Kolleginnen. Was ich sicher sagen kann: Wir sehen auch einige Fälle, bei denen es besser gewesen wäre, man hätte früher operiert. Anderseits haben wir als universitärer Tertiär­versorger auch viele mehrfach voroperierte Patienten. Hier können Patienten vom Wissen aller Spezialisten in unserem Zentrum profitieren.

Was kann man präventiv gegen Rücken- und Nackenschmerzen machen?

Laut Faustregel sind 70 Prozent der Ursachen von Wirbelsäulenbeschwerden genetisch vordefiniert. Das heisst, vieles kann man gar nicht beeinflussen. Die anderen 30 Prozent sind die Ernährung, die Bewegung und das Rauchen. Für eine gesunde Wirbelsäule sollte man ausgewogen durchs Leben gehen.

Fachübergreifende Zusammenarbeit

Rückenleiden haben verschiedenste Ursachen, die so individuell sind wie der Mensch selbst. Die Spezialisten im Universitären Wirbelsäulenzentrum Zürich betrachten Rückenleiden ganzheitlich und beurteilen, ob eine konservative Behandlung möglich ist oder eine Operation notwendig wird. Dank fachübergreifender Zusammenarbeit und der Expertise verschiedener Disziplinen wird man dort behandelt, wo man aufgrund seines Leidens am besten aufgehoben ist. Alle relevanten Disziplinen arbeiten auf universitärem Niveau eng zusammen, in dieser Art schweizweit einzigartig.

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Dieser Eintrag wurde veröffentlicht am 01.12.2022.

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