Der Bericht über die Coiffeuse Maya Legio hat eine Kettenreaktion ausgelöst. Lesen Sie, was sie uns über düstere Novembertage, Selbstgespräche, Trauer und Glück schreibt.
Was für eine verrückte Zeit und Geschichte. Hätte mir jemand vorausgesagt, ich sei im November 18 Kilo leichter und würde auf der Titelseite einer Zeitschrift abgebildet, hätte ich diese Person ausgelacht und für irre erklärt. Ich bin aber unendlich dankbar und freue mich jeden Tag über meine Geschichte. Ich hätte mir nie träumen lassen, dass das eine solche Kettenreaktion auslöst. Besonders in diesen Tagen, wo es am Morgen dunkel und nass ist, fällt mir das Aufstehen wieder schwerer. Ich motiviere mich dann mit dem Bericht aus der Sprechstunde und führe auch Selbstgespräche. „Chum Maya, nur en halb Stund, was isch scho en halb Stund!“ Ich habe auf den Artikel unerwartet viele Reaktionen erhalten. Die häufigste – auch von engen Bekannten – ist die, dass die Leute es fast nicht glauben, dass ich keine Diät gemacht habe. Ein grosser Unterschied zu früher ist der, dass ich heute mit mehr Genuss und ohne Reue essen kann. Nach unseren Gourmetferien im Frühling, als ich zu Hause nach einer Woche Wandern und ausgezeichnetem Essen abgenommen habe, hat es bei mir Klick gemacht. Der Schrittzähler zeigte mir ja, wie viele Kalorien ich verbrauche. Fast wie der Benzinanzeiger an meinem Auto, das übrigens fast immer einer meiner Söhne fährt, damit ich laufen muss. Ganz am Anfang habe ich mir aufgeschrieben, was ich gegessen habe, um ein wenig den Überblick zu behalten. Ich merke sehr genau, je mehr Gas ich gebe, umso mehr steigt der Kalorienverbrauch.
Diesen Sommer, als mein Mann und ich fast immer einen Abendspaziergang gemacht haben, ist mir aufgefallen, wie wenig Kinder noch draussen spielen. Ich weiss, dafür gibt es viele Gründe. Nicht nur Fernsehen, PC etc. Viele Verbote und auch Ängste, die wir früher nicht kannten, sind sicher auch Ursachen. Ich bin mit Fozzelschnitten und in Butter gebratenen Griesschnitten aufgewachsen. Das war ein übliches Znacht. Nicht gerade kalorienarm. Aber nach dem Abendessen spielten wir draussen Seiligumpe oder Gummitwist, bis wir ins Bett mussten. Durch den Alltagsstress und Trott war mir in den letzten Jahren auch viel zu wenig bewusst, wie wichtig für unseren Körper die Bewegung ist. Wenn ich zurückdenke, wie mühsam und schwer mir am Anfang die Lauferei fiel, und wie schnell es besser ging, macht mich das immer noch baff und dankbar. Selbst meine Gelenke schmerzen weniger als früher, wo ich praktisch nichts gemacht hatte. Ein Spruch, der mich seit vielen Jahren, nach dem frühen Tod meiner Eltern, immer begleitet hat, hat eine zusätzliche Bedeutung bekommen. Besonders, weil ich letztes Jahr meinen älteren Bruder mit gerade 55 Jahren ganz plötzlich verloren habe. Den Tagen mehr Leben geben, nicht dem Leben mehr Tage. Jetzt heisst es für den Rest meines Lebens hoffentlich noch möglichst viele Schritte zu erreichen. Tanken in der Natur, Tanken mit Geselligkeit, Tanken auch mit Freundlichkeit und sich bewusst sein, dass nur jener, der auch Trauer kennt, Glück richtig zu schätzen weiss.
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