Es macht einfach mit mir

Wechseljahre

Die Frau merkt, dass etwas passiert. Ungewollt, unerwartet und in dieser Form unnötig. Sie ist nicht mehr sich selber. Sie braust auf und könnte im nächsten Moment einfach losheulen. Sie isst gesund, hat in fünf Jahren aber zehn Kilo zugenommen. Sie schläft schlecht, ist oft müde und erschöpft.

Mit derartigen Problemen ist Ursula Wenk, Komplementärtherapeutin und Hormonspezialistin aus Rothenburg LU fast täglich konfrontiert. «Viele Frauen, die zu mir kommen, fühlen sich physisch und psychisch überrumpelt, wissen nicht, was mit ihnen passiert. Der Frauenarzt hat vielleicht nur drei Möglichkeiten aufgezeigt, um die Symptome zu bekämpfen: Hormonpräparate, verschreibungspflichtige Medikamente – eventuell auch pflanzliche – und der Tipp, sich gut zu entspannen. Ob solcher Empfehlungen im Zehn-Minuten-Gespräch sind viele Frauen frustriert und enttäuscht. Sie fühlen sich nicht ernst genommen.»

Wieder mehr auf seinen Körper hören

Zurecht? «Jene Frauenärzte, die sich für ihre Klientinnen ausreichend Zeit nehmen, sind noch dünn gesät. Und ihre Praxen sind voll. Wer zu mir kommt, sucht ebenfalls eine differenzierte Behandlung. Nicht einfach Hormone schlucken, denn die Antibabypille oder eine Hormonspirale haben viele ein halbes Leben lang begleitet. Nun möchten sie wieder mehr auf ihren Körper hören.»

Wie gehen Sie in Ihrer Beratung vor? «Zuerst lasse ich die Frau detailliert über ihre Beschwerden sprechen und über das, was sie schon dagegen unternommen hat. Nicht wenige glauben, dass Wechseljahrbeschwerden einfach nur Hitzewallungen sind. Dass ihre Gefühlsschwankungen ebenfalls in Zusammenhang mit den körperlichen Veränderungen stehen, ist ihnen gar nicht immer bewusst. Darum zeige ich auf, was mit einer Frau passiert, wenn die Fruchtbarkeit kontinuierlich abnimmt. Hormonell und biochemisch gesehen. Viele sind überrascht, dass die Wechseljahre schon um die 40 beginnen. Dann nämlich, wenn die Ausschüttung des Wohlfühlhormons Progesteron langsam abnimmt und eine relative Östrogendominanz entsteht. Scheinbar aus heiterem Himmel machen sich erste Stimmungsschwankungen bemerkbar. Manchmal werden auch die Menstruationsblutungen stärker, das Brustspannen vor der Mens ist ausgeprägter. Mit der Zeit reagiert die Schilddrüse, die Scheide wird trockener, die Libido nimmt ab, das Gewicht nimmt zu. Das ist die prämenopausale Phase. Stress verstärkt den Prozess. Dazu kommt: Frauen in diesem Alter sind häufig Mehrfachbelastungen ausgesetzt. Sie haben das Gefühl, für alle anderen da sein zu müssen, kommen selber aber viel zu kurz. Das löst Enttäuschungen und Frust aus, nagt am Selbstwertgefühl.»

Nährstofftank füllen

Wie sieht der alternativmedizinische Behandlungsansatz aus? Ursula Wenk: «Nach jahrelanger hormoneller Verhütung und chronischer Überbelastung in Job und Familie starten viele Frauen mit einem wenig gefüllten Nährstofftank in die Wechseljahre. Dabei bräuchten sie jetzt besonders viel Magnesium, viel Vitamin D, viel Zink, viel Selen, viele B-Vitamine, viel Eisen und wertvolle Proteine. Ausgerechnet jene Frauen, die besonders gesund essen wollen, haben zu wenig Proteine, weil sie statt Fleisch Soja essen. Letztlich nehmen sie zu und fragen sich warum. Dabei bräuchten sie gerade jetzt weniger Menge, aber mehr Qualität. Gute Fette gehören dazu, wertvolles Fleisch gehört dazu, frisches Gemüse und frische Früchte gehören dazu. Bewegung gehört dazu. Auch die Supplementierung mit Mikronährstoffen. Alles ausgewogen, nicht sektiererisch.»

Sich selber wichtiger nehmen

Gibt es auch pharmazeutische Möglichkeiten, die Schwankungen und Veränderungen abzufedern, ohne gleich mit der ganz grossen Hormonkeule aufzufahren? «Auf jeden Fall. Genau das wünschen sich viele Frauen. Natürlich gibt es auch Fälle, in denen ich eine Hormonersatztherapie empfehle. Aber selbst mit der Gabe von ein wenig Progesteron – einem natur- oder bioidentischen Hormon – oder mit Mönchspfeffer kann man störende Symptome auffangen. Besonders gut wirken auch Johanniskraut und Traubensilberkerze, denn sie ergänzen sich auf physischer und psychischer Ebene. Meine Patientinnen machen sehr gute Erfahrungen damit. Um ins Gleichgewicht zu finden, müssen die Frauen aber auch lernen, sich selber wichtiger zu nehmen und übermässigen Stress abzubauen. Das ist gar nicht so einfach, wenn sie sich bisher mehrheitlich für andere aufgeopfert haben. Aber es geht und es lohnt sich. Nicht umsonst sind die Wechseljahre eine Zeit, in der sich etwas verändert. Die Dinge erscheinen in einem anderen Licht. Daraus ergeben sich auch viele neue Möglichkeiten und Chancen.»

 

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