Fertig mit Pressen

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In den westlichen Ländern leidet jede fünfte Frau an chronischer Verstopfung beziehungsweise an einem Reizdarmsyndrom mit Tendenz zur Verstopfung. Für die Betroffenen heisst Verstopfung schlicht und einfach: Leiden und nichts als leiden, und zwar jeden Tag. Trotzdem wagen nur die wenigsten den Gang zum Arzt und besorgen sich stattdessen Abführmittel auf eigene Faust. Weil diese Mittel früher als gesundheitsschädigend angesehen wurden und diese Meinung im Volk und selbst unter vielen Ärzten älteren Semesters immer noch weit verbreitet ist, werden die Patienten häufig von einem schlechten Gewissen geplagt. Zu allem Leidwesen kursieren auch noch unnötige Befürchtungen, chronische Verstopfung könne zu einem Darmverschluss oder noch schlimmer zu Darmkrebs führen.

Das eklige Gefühl einer inkompletten Entleerung

Die eigentliche Schwierigkeit bei der Verstopfung ist bereits die Definition. Von zu seltenem Stuhlgang spricht man bei drei oder weniger Darmentleerungen pro Woche. Die verringerte Stuhlfrequenz ist aber nicht das häufigste Symptom bei der chronischen Verstopfung. Mehr als die Hälfte der Patienten beklagen das Gefühl einer inkompletten Entleerung oder einer Blockierung im Enddarm. Häufig müssen sie auch die Finger zu Hilfe nehmen, um überhaupt einmal stuhlen zu können. Auch harter und klumpiger Stuhl wird hin und wieder genannt. Einige Patienten leiden an einem Reizdarmsyndrom, einer Art «Migräne des Bauches» mit Tendenz zur Verstopfung.

Falsche Schuldzuweisungen

Was sind die Ursachen? Eines ist klar, sie sind mannigfaltig. Früher wurden hauptsächlich zu geringe Flüssigkeitszufuhr, zu wenig Bewegung und zu wenig Ballaststoffe für eine chronische Verstopfung verantwortlich gemacht. Heute wissen wir, dass das so nicht stimmt, weil es ganz unterschiedliche Formen von Verstopfung gibt. Bei der primären Verstopfung unterscheiden wir drei Typen: Verstopfung mit normaler Passage, Verstopfung mit verlängerter Passage und Verstopfung mit einer Störung im Bereich des Beckenbodens. Bei der Abklärung der primären Verstopfung ist deshalb die Bestimmung der Passagezeit entscheidend. Das gelingt mithilfe der sogenannten Kolontransitzeit mit Röntgenmarkern. Weiter wird eine Art Druckmessung des Afters gemacht. Je nach Verlauf kommen weitere spezielle Untersuchungsmethoden zum Einsatz. Vom Ausgang dieser Untersuchungen hängt die Therapie ab.

Ernährungsempfehlungen nicht verallgemeinern

Generell sind bei Verstopfung eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr und viel Bewegung günstig. Was die Ballaststoffe, also die Nahrungsfasern anbelangt, muss man aufpassen. Bei einigen Formen der Verstopfung hilft eine faserreiche Ernährung, bei schweren Formen der Verstopfung kann sie mehr schaden als nützen. Das zeigt, dass sich Ernährungsempfehlungen nicht einfach so verallgemeinern lassen, ohne dass man die Ursache und die Form der Verstopfung abgeklärt hat.

Abführmittel sind weder schädlich noch krebsfördernd

Die Beschaffenheit des Stuhls kann man mit Medikamenten beeinflussen. Auch die Passagezeit im Darm. Die entsprechenden Mittel wirken wie eine Art Beschleuniger. Es gibt auch Wirkstoffe, welche die Flüssigkeitssekretion in den Zellen der Dünndarm- und Dickdarmschleimhaut erhöhen und den Stuhl weicher machen. Ein täglicher oder fast täglicher Stuhlgang wird dadurch wieder möglich. Die Anstrengungen beim Stuhlen werden verringert und die Beschaffenheit des Stuhls wechselt von hart auf normal. Zahlreiche weitere Abführmittel, sei es auf synthetischer oder pflanzlicher Basis, können wirkungsvoll eingesetzt werden. Hinderlich ist, dass es immer noch viele Mythen gibt, Abführmittel seien schädlich und krebsfördernd, was nicht stimmt.

Zäpfchen, Einläufe und Biofeedback

Wenn aber die «Düse», der Verschlussmechanismus des Afters, nicht richtig funktioniert, nützen die gängigen Abführmittel wenig. Häufig liegt hier eine Fehlfunktion der Muskulatur vor. Der Muskel entspannt sich nicht, und der Patient muss stark pressen. Mit Zäpfchen oder Einläufen kann diesen Patienten bereits geholfen werden. Auch Biofeedback ist in solchen Fällen nützlich. Gehen die Patienten mit einem nicht richtig funktionierenden Verschlussmechanismus zu spät zum Arzt, kann das zu organischen Schäden, z. B. zu einem Vorfall der Analschleimhaut führen. In solchen Fällen hilft dann nur noch die Chirurgie. Deshalb ist eine rechtzeitige Abklärung wichtig.

Auf Alarmsignale achten

Die sekundäre Form der Verstopfung ist seltener. Schilddrüsen- oder Nebenschilddrüsenfehlfunktion oder Diabetes kommen als Ursache in Frage. Verstopfung als unerwünschte Folge einer medikamentösen Behandlung kommt auch vor und wird vom behandelnden Arzt rasch erkannt. An Dickdarmkrebs sollte man dann denken, wenn neben der Verstopfung Alarmsignale wie Blut im Stuhl oder ungewollter Gewichtsverlust auftreten.

Der wichtigste Rat an die Betroffenen lautet demnach: Nicht mehr länger Zeit mit unnützem Pressen verschwenden, sondern zum Arzt gehen und mit ihm das Problem sauber lösen.