Die meisten Ratschläge zur Gewichtsreduktion mit Bewegung und Sport sind schlichtweg falsch. Prof. Urs Boutellier, Sportphysiologe an der ETH und Universität Zürich, sagt, wie Sie unerwünschtes Körperfett effizient reduzieren können.
Heute wird immer noch empfohlen, lange Distanzen in einem gemütlichen Tempo zurückzulegen und mit eher geringer Intensität zu trainieren, um möglichst viel Fett zu verbrennen. Leider lässt sich das gewünschte Resultat so kaum erreichen. Wie kommt es zu diesem weit verbreiteten Irrtum? Der relative Anteil der Fettverbrennung ist bei tiefer körperlicher Intensität zwar viel höher, aber was zählt, um möglichst viel Fett zu verbrennen, ist nicht der relative, sondern der absolute Anteil. Dieser ist bei hoher Trainingsintensität am höchsten. Und zwar bei einer Herzfrequenz, die ungefähr 75 Prozent des Maximums beträgt.
Wir vermuten, dass aufgrund der verhängnisvollen Verwechslung von relativer und absoluter Fettverbrennung empfohlen wird, bei einer sehr tiefen Intensität zu trainieren, wenn man viel Fett loswerden möchte. Eine zweite mögliche Erklärung für den falschen Ratschlag: Man glaubt, dass Untrainierte in den ersten 30 Minuten gar kein Fett verbrennen und deshalb länger aktiv sein müssen, um überhaupt Fett abzubauen. Untrainierte oder Übergewichtige – so die falsche Annahme – müssen also gewissermassen dank tiefer Intensität in die Lage versetzt werden, sich mehr als 30 Minuten bewegen zu können. Fakt ist jedoch: Auch Untrainierte beziehungsweise wenig Trainierte verbrennen von den ersten Minuten an Fett, wenn sie sich körperlich betätigen.
Ein grosses Handicap haben untrainierte Menschen jedoch. Bei gleicher relativer Leistung wie Trainierte verbrennen sie einerseits weniger Fett und andererseits sind sie kaum in der Lage, lange im optimalen Fettverbrennungsbereich zu bleiben, weil sie zu wenig leistungsfähig sind. Es gibt allerdings eine gute Möglichkeit, die ungünstige Voraussetzung trotzdem optimal zu nutzen: Man trainiert nach der Intervallmethode, das heisst relativ intensives Rennen wird durch gemütliches Gehen immer wieder unterbrochen. Damit können auch Untrainierte wiederholt in den optimalen Fettverbrennungsbereich gelangen und wahrscheinlich erst noch die Fettverbrennung steigern, weil die Fettsäurekonzentration nach einer intensiven Leistung ansteigt. Mit anderen Worten: Während des Gehens kommen mehr Fettsäuren aus dem Unterhautfettgewebe ins Blut und stehen anschliessend beim Rennen für die Verbrennung in den Muskelfasern zur Verfügung. Die gute Nachricht lautet damit: Die Fettverbrennung lässt sich trainieren! Allerdings genügt dazu entgegen allen anders lautenden Behauptungen gemütliches Gehen und (Nordic)Walken bei Weitem nicht. Nur wenn der Körper immer wieder maximal belastet und an seine Grenzen geführt wird, passt er sich an.
Bevor Untrainierte mit einer sportlichen Betätigung beginnen, sollten sie sich über ihren Gesundheitszustand Klarheit verschaffen. Oft empfiehlt sich ein medizinischer Check-up mit Belastungs-EKG. Dann muss je nach Trainingszustand und Körpergewicht mit einer mehr oder weniger tiefen Trainingsintensität begonnen werden.
Wichtig ist, dass Sie sich bei der Aufnahme einer körperlichen Aktivität in Geduld üben. Wenn Sie sich fürs Joggen entscheiden, marschieren Sie innerhalb der ersten vier Wochen zwischen den gelaufenen Strecken, damit sich der Körper an die neue Aktivität anpasst. Beginnen Sie zum Beispiel zwei bis drei mal pro Woche ungefähr 30 Minuten Sport zu treiben. Auch wenn Sie sich am Anfang etwas zurückhalten, werden Sie merken, wie Sie trotzdem Fortschritte machen. Das Atmen während des Joggens fällt zunehmend leichter; die Beine sind zwar am Schluss jedes Trainings müde, aber die Gehstrecken werden trotzdem immer kürzer.
Bereits nach einem Monat werden Sie eine tiefere Belastungsherzfrequenz haben, ohne zu leiden, und während der Erholung sinkt die Herzfrequenz rascher wieder auf die inzwischen tiefere Ruheherzfrequenz. Im zweiten Monat versuchen Sie weiter, gemütlich zu joggen und mit der Zeit auf Gehstrecken zu verzichten. Im dritten Monat sollten Sie so weit sein, dass Sie entweder die Dauer oder die Intensität erhöhen können. Später sollten Sie Ihre Trainingsziele neu definieren. Wichtig ist, dass Sie Abwechslung ins Training bringen, verschiedene Sportarten betreiben und immer wieder intensive Trainingsreize setzen. Hilfreich ist, auch einmal einen Wettkampf zu bestreiten, also auf ein Ziel hin zu trainieren. Da Sie Wettkampfneuling sind, ist das Ziel in der Regel gegeben: Den Wettkampf bis zum Ende durchzustehen.
Grundsätzlich gilt das für Untrainierte wie auch für Übergewichtige, ausser dass wegen der etwas grösseren Körpermasse nicht alle sportlichen Aktivitäten gleich gut geeignet sind. Vorzuziehen sind Disziplinen wie Radfahren beziehungsweise Fahrradergometer, Schwimmen oder Aquafit. Der optimale Fettverbrennungsbereich liegt auch hier bei einer relativ intensiven Leistung. Folglich müssen Übergewichtige mit einer tiefen Intensität beginnen und akzeptieren, dass sie vorerst nicht viel Gewicht verlieren. Zum einen, weil sie noch nicht in der Lage sind, genügend intensiv zu trainieren und zum anderen, weil der trotzdem stattfindende, kleine Fettabbau vom gleichzeitig stattfindenden Muskelaufbau kompensiert wird; auf der Waage sieht man keine Gewichtsabnahme.
Auch Übergewichtige dürfen nicht auf einer tiefen Trainingsintensität bleiben, sondern müssen diese langsam erhöhen. Den Fettabbau können Sie allerdings mit ein paar Tricks von Anfang an unterstützen. Die Intervallmethode haben wir bereits erwähnt. Wenn die sportliche Angewöhnungsphase vorüber ist, versuchen Sie – vor allem gegen Schluss des Trainings – die Intensität zu erhöhen. Damit ist der Energieverbrauch nicht nur während des Trainings, sondern auch nach dem Trainingsende erhöht. Diese Nachverbrennung lässt sich weiter steigern, indem Sie nach dem Training nur ungesüsstes Wasser trinken und mit der Nahrungsaufnahme noch mindestens eine Stunde zuwarten. Weiter spielt auch die Sportart eine wichtige Rolle, ob Sie mehr oder weniger Energie verbrauchen. Grundsätzlich sind Sportarten vorzuziehen, bei denen möglichst viele Muskelgruppen aktiv sind. Dies hat auch den Vorteil, dass das Herz-Kreislauf-System trainiert wird.
Bleiben Sie realistisch. Am Anfang verlieren Sie kaum Gewicht, später sind 500 Gramm pro Woche möglich. Langfristig wird sich das Körpergewicht auf einem Niveau einpendeln, das zu Ihnen passt. Wichtig zu wissen ist, dass Sie das Fett nicht zuerst dort verlieren, wo Sie möchten – Männer: Bauch; Frauen: Hüfte und Oberschenkel – sondern zum Beispiel im Gesicht oder an anderen Körperstellen. Bei einem abwechslungsreichen Training und einer angepassten Ernährung – möglichst naturbelassene anstatt industriell hergestellte Lebensmittel – werden Sie nicht nur Ihr Gewicht reduzieren, sondern es später auch halten können; damit wird der berühmt-berüchtigte Jo-Jo-Effekt vermieden.
«Sofort abnehmen!» «Ihr Körper baut automatisch Fett ab!» «Traumgewicht in vier Wochen!» Gewichtsreduktion ist ein Tummelplatz für unhaltbare Versprechen und Produkte mit zweifelhafter Wirksamkeit. Wer abnehmen will, darf nicht auf schnellen Erfolg aus sein, sondern muss in kleinen Schritten die Ernährung und seinen Lebensstil ändern. Daran führt kein Weg vorbei. Lesen Sie dazu unsere einzelnen Lektionen aus der Aeschbacher-Diät oder bestellen Sie das gesammelte Werk, unser Bestseller-Buch „Die Aeschbacher-Diät“