Frischer Wind für die langlebige Beziehung

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Beziehungen, die lange leben, sind etwas Schönes. Jemand, der uns mag, bezeugt unser Leben. Und Zweisamkeit ist besser als Einsamkeit. Zu einem bestimmten Zeitpunkt kann es sinnvoll sein, sich die Zweisamkeit einmal genauer anzuschauen. Mit Verstand, mit Humor und mit Nachsicht. Und dann sollten wir ins Gespräch mit unserem Gegenüber kommen. Eine freundliche Bilanz zu zweit sollte man regelmässig und gemeinsam ziehen. Manchmal sind es auch äussere Ereignisse, die uns innehalten lassen. So ein äusseres Ereignis kann eine Ehekrise sein oder eine gravierende Krankheit des Partners, die überstanden wurde. Oder wir stehen an einem Übergang, an einer Weggabelung: Die eigenen Kinder verlassen das Haus, oder wir treten in das Rentenalter ein. Dann kann eine besondere, eine geschenkte Zeit beginnen. Eine geschenkte Zeit des Gemeinsam-alt-Werdens. Die Jahre ab 65 plus sind keine Restzeit, die wir hinnehmen, es sind geschenkte Jahre, die uns aufgrund unserer erhöhten Lebenserwartung zur Verfügung stehen. Es wäre mehr als schade, wenn wir sie nicht gestalten würden. Und vor dem Gestalten des Beziehungsgebäudes sehen wir uns noch einmal das Fundament an.

Sind wir zufrieden in unserer Beziehung? Fehlt etwas? Welches mutige Neuland will betreten werden? Das sind Fragen, die wir uns für unsere Beziehung stellen können. Aber wie gehen wir geordnet heran, und wie beobachten wir treffend?

Die tragenden Säulen einer Beziehung

Zunächst einmal sollten wir uns klarmachen, dass eine Beziehung oder auch die Ehe eine ziemlich komplexe und auch ziemlich individuelle Sache ist. Eine Bilanz im Hier und Jetzt, eine Rückschau oder eine Vision für die Zukunft ist gar nicht so einfach.

Beziehung oder Ehe haben unterschiedliche Grundsäulen. Unsere Idealvorstellung ist häufig, dass Freundschaft, Erotik und Partnerschaft unsere Liebe gleichermassen tragen. Wobei wir gar nicht genau wissen, was wir und was unser Partner unter Freundschaft, Erotik und Partnerschaft genau verstehen.

Die Wünsche an die drei tragenden Säulen sind verschieden: Von einer freundschaftlichen Beziehung wünschen wir uns Verlässlichkeit, wir wollen verstanden werden, wir hätten aber auch gerne Impulse. Von einer erotischen Beziehung wünschen wir uns ein anhaltendes oder wiederkehrendes Feuer, wir wollen mit unserem Körper aufgehoben, geborgen und mit unserer Seele gehalten sein. Von einer partnerschaftlichen Beziehung wünschen wir uns konkrete Ziele und Aktionen in Projekten, wir wollen dabei ebenbürtig Entscheidungen treffen und arbeitsteilig handeln.

Die Herangehensweise an eine neue Beziehung ist oft ein schrittweises Errichten von drei Säulen: Zunächst sucht man freundschaftliche Berührungspunkte, lässt sich dann auf Erotik ein und schaut, ob es gemeinsame Visionen, Ziele, Projekte gibt. Niemand hat erprobt, ob diese Reihenfolge sinnvoll ist. Und niemand kann davon ausgehen, dass die drei Säulen, einmal aufgebaut, dauerhaft tragfähig bleiben.

Permanente Erfüllung aller Dimensionen nicht möglich

Wie auch immer: Drei Säulen steuern unsere Wünsche, es wird schnell eine ganze Menge, und es entsteht daraus folgend ein enormer Anspruch. Mit der umfassenden Erfüllung aller drei Dimensionen ist eine Beziehung oder eine Ehe schnell überfrachtet. Eine Enttäuschung ist dann vorprogrammiert, aber nicht, weil uns der Partner getäuscht, enttäuscht hat, sondern weil unsere Erwartungen zu hoch waren.

Ist eine Ehe, in der die Partnerschaft grossgeschrieben wird und die zwei anderen Aspekte nicht so wichtig sind, unbefriedigend, in Ordnung oder sogar gut? Ist eine Ehe, in der Verlässlichkeit sicher ist, nur langweilig? Und ist Erotik ein zwingender Bestandteil einer Beziehung zwischen zwei Liebenden, eine Zugabe oder sogar eine Sache, die gar nicht so wichtig ist und sich «outsourcen» liesse? Braucht es alle drei, also Freundschaft, Erotik und Partnerschaft zwingend für das Glück zu zweit in einem Mindestmass? Wenn schon nicht gleich verteilt, dann doch nicht unter zehn Prozent? Oder kann man auf eine Säule verzichten oder auf zwei sogar, wenn eine besonders stark ist?

Verhandeln Sie Ihre Beziehungsdefinition

Sie merken, es gibt sehr viele Varianten der Definition von Beziehung und der Definition von Glück. Es gibt kein Reglement, nach dem sich verbindlich handeln liesse. Wie sieht die Lösung für Sie aus? Der Weg hin zur Lösung ist, dass Sie beide es sind, die ihre eigene Definition der Beziehung suchen und damit auch die Definition von zufriedenstellend oder glücklich. Und darüber müssen Sie mit Ihrer Partnerin oder Ihrem Partner verhandeln. Daran führt kein Weg vorbei.

Wenn Freundschaft, Erotik und Partnerschaft zu den von Ihnen gewünschten Anteilen vorkommen, und wenn dies in gleichem Masse für Ihre Partnerin oder Ihren Partner zutrifft, haben Sie den Hauptgewinn gezogen.

Was ist, wenn es für Sie nicht stimmt? Oder für Ihren Partner beziehungsweise Ihre Partnerin? Oder für beide nicht? Dann sollten Sie zunächst einmal Ihre eigenen Erwartungen überprüfen. Fragen Sie sich alleine: Was ist für mich Freundschaft? Was ist für mich Erotik? Was ist für mich Partnerschaft? Welche der drei Säulen sind mir wichtig? Was wünsche ich mir? Was vermisse ich? Das wären mögliche Ausgangsfragen.

Fragen Sie sich, ob Ihre Erwartungen wirklich zu Ihnen, zu Ihrem Leben oder zu Ihrer Zweisamkeit passen. Gemeinsame Ziele und Projekte sind oft sehr wichtig, die Freundschaft ist nicht selten die sichere Basis, die Erotik allerdings bewahrt nicht von selbst das Feuer – das will gehütet, bewacht sein. Treffen diese Sätze auf Sie zu? Oder sind das Vorurteile, wie etwas zu sein hat? Wie auch immer bei dieser bauchgesteuerten Analyse: Bleiben Sie grosszügig. Wenn die Gesamtheit in Richtung miteinander weitermachen «ja, warum nicht» heisst, ist es gar nicht so schlecht. Wenn eine Beziehung eine Reise in ein unbekanntes Land ist, kann die Sache unmöglich «perfekt sein». Weder das Leben noch die Liebe folgen dem Prinzip des Abarbeitens von Checklisten.

Wenn Sie sich Ihre Erwartungen und Einstellungen und Wünsche alleine angeschaut haben, suchen Sie das Gespräch zu zweit. Sorgen Sie dafür, dass Sie dabei nicht gestört werden. Eine Flasche Wein als Begleiter wird auch nicht verkehrt sein. Schauen Sie, welche der folgenden Impulsfragen für Sie, für Sie beide bedeutsam sind: Welchen Stellenwert hat Freundschaft für mich, für dich, für uns? Wie ist es damit bestellt in unserer Beziehung? Welchen Stellenwert hat Erotik für mich, für dich, für uns? Wie ist es damit bestellt in unserer Beziehung? Welchen Stellenwert hat Partnerschaft für mich, für dich, für uns? Wie ist es damit bestellt in unserer Beziehung? Welches ist unsere sichere Burg: Freundschaft – Erotik – Partnerschaft? Wie kam es dazu? Was tun wir jetzt für jeden einzelnen Bereich? Welche Facette sollte ausgebaut werden? Welche wollen wir neu anpacken oder uns zurückerobern? Was ist der erste Schritt?

Pflegen Sie Unterschiede, lassen Sie Differenzen stehen

Wenn Sie in einer Partnerschaft leben und Sie davon ausgehen, dass beide Partner gleichberechtigt, also ebenbürtig sind, kann es schon einmal turbulent werden. Wichtig ist, Verschiedenheiten anzuerkennen und sich mit ihnen auszusöhnen. Es ist unnötig, Einstellungen oder Ziele auf einen Mittelwert hin einzuebnen. Pflegen Sie Unterschiede, lassen Sie Differenzen stehen: «Aha, so siehst du das – das ist ja interessant.» Unvereinbares muss nicht mit Zwang geeint werden: «Wir kommen nicht zusammen, wir besprechen das ein anderes Mal» oder «Entscheide du das, es ist okay für mich.» Wenn ein Unterschied da ist, ergibt sich auch eine Chance: «Berate mich hier mal– ich glaube ich bin festgelegt.» So bleibt Spannung erhalten. Das Gegenteil von Spannung ist Schlaffheit und Langeweile. Wünschen Sie sich also nicht die immer entspannte Beziehung – die geht dann schnell mal über in eine immer öfter erschlaffte Beziehung. «Wie kann ich dich verstehen?» ist besser als »Was ist die Wahrheit oder wer hat Recht?»

Was ist männlich an Ihrem Mann? Was ist weiblich an Ihrer Frau? Reden Sie darüber. Yin und Yang – arbeiten Sie die Unterschiede heraus. Machen Sie die Augen auf bei Ihrer Beziehungsreise. Machen Sie ein paar Fotos. Auf einer Reise kann man etwas erleben. Das Bild der Reise ist positiver als das der Arbeit; streichen Sie das Wort Beziehungsarbeit. Wir wollen doch keinen zweiten Arbeitsplatz zu Hause. Wir wollen doch Spass und Freude miteinander. Und das auch dann noch, wenn die erste Umarmung etwas länger her ist.

Wenn der Akku bei allen drei Säulen für einen von Ihnen oder für beide auf Null ist, sollten Sie sich einmal zusammensetzen. Das Ende muss auch dies nicht sein. Sie haben eine gemeinsame Historie, auf die Sie zurückblicken und die Sie verlassen würden. Möglicherweise entwickeln Sie gleich zu zweit in drei Facetten Ideen. Das sind ja immerhin sechs Möglichkeiten. Wenn drei Säulen über lange Jahre ein Haus tragen, muss man schlicht einmal renovieren. Sicher nicht gleich abreissen.

Dosierte Grosszügigkeit

Der vielleicht unglücklichste Grund, jemanden zu verlassen, ist sexuelle Untreue. Ist absolute körperliche Exklusivität über Jahrzehnte zwingende Voraussetzung für das Zusammenbleiben? Angesichts einer langen Ehelaufzeit sollte man vielleicht eine dosierte Grosszügigkeit praktizieren.

Alles, was Sie bisher gelesen haben, setzt voraus, dass es der eine prinzipiell gut meint mit dem anderen, dass er oder sie möchte, dass sich der Partner entwickeln kann. Wenn diese Grundvoraussetzung nicht gegeben ist, sieht es schlecht aus: Niemand ist verpflichtet, in einer Beziehung zu leben, in der er oder sie dauerhaft, ja vielleicht sogar systematisch und absichtlich gekränkt und herabgesetzt wird. Eventuell wird sogar die Hemmschwelle zur körperlichen oder verbalen Gewalt überschritten.

Liebe ist eine Zone

Insgesamt ist es so: Die Liebe ist kein Ja-nein-Fall. Sie ist eine Zone, ein manchmal mehr, manchmal weniger. Wer sät, der erntet. Aber nicht immer in gleicher Qualität und Menge, es gibt viele Einflüsse. Das Wetter zum Beispiel. Und deshalb gibt es dann auch mal magere Zeiten.

Es gibt keinen Garant für das Zusammenbleiben. Die Faktoren für das Gelingen sind sehr vielfältig. Harmonie, gemeinsame Hobbies, die Fähigkeit, Konflikte zu lösen, der Umgang mit Ehrlichkeit etc. erlauben keine Prognose, ob Paare zusammenbleiben. Zum Zusammenbleiben gibt es stärkere Herzens- und Verstandesgründe.

Diese Aussagen sollen Sie als Paar bestärken: Sie sind beste Freunde. Sie mögen die Nähe zu ihm oder zu ihr. Sie bewundern Ihren Partner. Sie hegen echtes Interesse. Sie teilen Sinn, Erinnerungen und ­Geheimnisse.

Letztlich muss ein Element der Attraktivität in Ihrer Beziehung klar erkennbar bleiben, auch – oder gerade, wenn Sie schon lange besteht. Orientieren Sie sich in der nachfolgenden Liste. Überlegen Sie, welche Adjektive auf Ihren Partner zutreffen und wie Sie selbst wünschen zu sein.

Sprechen Sie mit Ihrem Partner über diese Liste und zu den Themen: «Warum ich so stolz auf dich bin. Warum du für mich so anziehend bist. Was die liebste Gemeinsamkeit mit dir ist. In welcher Weise du mich unterstützt. Warum es nicht langweilig mit dir ist. Warum wir gut gewappnet sind, wenn ein Sturm kommt.» 

 

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Gratwanderung – Notizen einer Ehe

Erzählt wird die Geschichte von zwei Paaren. Er versucht sich als Schreiber und hofft, sein Buch «Anleitung für den intuitiv-klugen Mann» fertigzustellen. Sie hat auf ihre Uni-Karriere verzichtet und sehnt sich sowohl nach Meerestiefe wie auch nach der Hitze der Wüste.

Claude und Sandrine sind auch ein Paar. Zunächst nur für spezielle und gelegentliche Treffs, bei denen die Spielregeln der Frau gelten. Sandrine bearbeitet den «Attraktivitätsabsturz der Frau ab 50» auf ihre Weise.

Er, der grosse Souverän, hat ein klares Programm, das Schreiben gehört dazu. Am Ende muss er Federn lassen. Die Reise unserer Sie spielt weiter eine Rolle und hat mit einem kleinen Showdown zu tun, in dem alle vier Hauptfiguren eingebunden sind. Claude trifft seine grandiose Amazone, die seiner Lust dient, aber ihn auf ihre Weise benutzt. Nur: Claude ist etwas zu intelligent, etwas zu devot und gleichzeitig etwas zu männlich. Da muss die Amazone in sich gehen und sich fragen, ob sie die seelische Distanz nicht aufgeben und ihrem Herz folgen muss.

Es ist eine Love-Story – ein ordentliches Happy-End ist versprochen.

 

www.reginajaeger.ch

Zum Autor

Jürgen Steiner, geboren 1957 in Köln, lebt mit seiner Familie am Bodensee. Studium in Köln (Promotion in Patholinguistik) und Dortmund (Habilitation in Rehabilitationswissenschaften). Arbeit als Sprach­therapeut im Raum Köln und im Schwarzwald. Seit 2005 Professor im Studiengang Logo­pädie in Zürich.

Direkt-Bestellung beim Verlag, Verlag Ralf Liebe, Kölner Straße 58, D-53919 Weilerswist www.verlag-ralf-liebe.de, [email protected], 220 Seiten, Klappenbroschur, ISBN 978-3-944566-49-8, Fr. 22.–