Heilung ist nicht mehr utopisch

Quantensprung bei der Behandlung von Blutkrebs. Dr. Jeroen Goede vom Kantonsspital Winterthur erklärt den neusten Fortschritt.

Krebs Würfel

Weltweit wird etwa alle 35 Sekunden bei einem Menschen Blutkrebs diagnostiziert. Etwa jede Minute stirbt jemand daran. Blutkrebs ist die fünfthäufigste Todesursache. Die chronische lymphatische Leukämie gehört mit den Lymphomen zu den häufigsten Blutkrebserkrankungen bei Erwachsenen, weiter die akuten Leukämien sowie die chronische myeloische Leu­kämie. Die Behandlung vieler Blutkrebserkrankungen hat sich innerhalb weniger Jahre radikal gewandelt. «Heute stehen ganz spezifische Therapien im Vordergrund, die gezielt in die Signalwege der Krebszellen eingreifen», sagt Dr. Jeroen Goede vom Kantonsspital Winterthur, Chefarzt Hämatologie und Leiter des Zentrums für Lymphome und Leukämien, und nennt als Beispiel den programmierten Zelltod. «Durch die Blockade eines ganz bestimmten Proteins wird eine Signalkette aktiviert, die Krebszellen dazu verleitet, sich selbst zu zerstören.» Bei den neuen Medikamenten handelt es sich um so kleine Moleküle, dass sie in Tablettenform und nicht mehr als Infusionen wie die Antikörper eingenommen werden können. Die neuen zielgerichteten Therapien sind zudem ungleich wirksamer und verträglicher als eine klassische Chemotherapie, gerade hinsichtlich Infektionen und Haarverlust.

Hoffnung für Patienten

Am grössten ist der Fortschritt bei der chronischen lymphatischen Leukämie und beim Multiplen Myelom. Dr. Goede: «Die Lebenserwartung hat sich beim Multiplen Myelom verdoppelt bis verdreifacht. Viele Patienten, denen man bis vor Kurzem keine Behandlung mehr anbieten konnte, dürfen nun wieder hoffen. Erstmals zeigen jetzt Daten bei der chronischen lymphatischen Leukämie, dass sogar der Begriff Heilung nicht mehr utopisch ist.» Überaschenderweise gibt es auch bei anderen Formen von Blutkrebs dank Aktivierung des programmierten Zelltodes erstaunlich gute Resultate. «Unsere Patienten erhalten hier Zugang, auch wenn noch keine offizielle Zulassung der Therapie vorliegt.»

Dr. Jeroen Goede, Kantonsspital Winterthur

Mehr und mehr ins Zentrum des klinischen Alltags rückt der Begriff der minimalen residuellen Resterkrankung MRD. Sie zeigt an, dass noch eine geringe Anzahl Krebszellen nach der Behandlung in Blut und Knochenmark verbleibt. Dieser Restanteil ist die Quelle für spätere Rückfälle. Die Beurteilung der MRD ist wichtig, um zu schauen, wie gut die Behandlung anschlägt. «Im Idealfall kommt es zu einer sehr tiefen Remission, einer MRD-Negativität, wo selbst mit hochsensiblen Tests keine Krebszellen mehr nachzuweisen sind. Somit können wir Patienten identifizieren, bei denen die Therapie möglicherweise abgesetzt werden kann.»

Der Fortschritt sei exemplarisch für die gesamte Krebsmedizin. «Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, es ist ein Quantensprung. Das Wissen explodiert und erfordert eine immer grössere Spezialisierung.»

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht am 15.11.2018.

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