Hier konntest du dich ergeben und ganz ruhig von uns gehen

Horst Ubrich, Geschäftsführer vom lighthouse Zürich Horst Ubrich, Geschäftsführer des Zürcher Lighthouse, im Erinnerungsraum. Für jede verstorbene Person schwebt zum Andenken eine Feder.

Im Hof hört man das laute Lachen spielender Kinder. Doch hier im Andachtsraum im Minus 1 des Zürcher Lighthouse herrscht eine grosse Stille. Hier verabschieden sich Angehörige, wenn wieder jemand gestorben ist. Unter einer Abdeckung befindet sich eine Harfe. Mit ihr besucht die Musiktherapeutin jedes Zimmer und spielt darauf ein paar Klänge. Auch ein Glace-Wagen kommt zweimal pro Woche zum Einsatz.

Das Zürcher Lighthouse ist ein wunderbar ausgestatteter Ort, um vom Leben Abschied zu nehmen. 80 bis 90 Menschen tun das hier jedes Jahr. 2024 werden es noch viel mehr sein. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie schwer erkrankt sind und keine Hoffnung mehr auf Heilung besteht. In den meisten Fällen ist Krebs die Ursache. Sie sind zwischen 18 und 80 Jahre alt. «Wer zu uns kommt, kommt um zu sterben», sagt Horst Ubrich, der das Zürcher Lighthouse führt. Zwischen 5 und 20 Tage bleiben die Patientinnen und Patienten, bis der Tod eintritt.

Das Sterben macht den meisten viel mehr Angst als der Tod selber. «Werde ich unerträgliche Schmerzen haben? Werde ich ersticken?» Das sind Fragen, die Pflegedienstleiterin Seraina Wüthrich immer wieder zu hören bekommt. Auch das Nichtwissen, was hinter dem Vorhang kommt, belastet. «Am schlimmsten ist, wenn sterbende Eltern minderjährige Kinder alleine zurücklassen müssen.»

Im Andachtsraum nehmen die Angehörigen von ihren Liebsten Abschied.

Im Lighthouse wird niemand mit seinen körperlichen und seelischen Nöten allein gelassen. Palliativpflege, Seelsorge, Musik- und Kunsttherapie und vor allem viel, viel Zeit für menschliche Zuwendung haben einen gros­sen Stellenwert. Der Tod gehört zum Leben. Gestorben wird mitten in der Stadt, und das Sterben nicht ins Niemandsland verbannt. Seraina ­Wüthrich liebt ihre Arbeit. «Die Dankbarkeit von Patienten und Angehörigen ist so gross wie nirgendwo sonst.» Menschen in den Tod zu belgeiten, mache gelassener und demütig.

Welche Gedanken äussern Menschen, die gerade dabei sind, die letzte Türe aufzustossen? Immer wieder höre sie Sätze wie: «Ich habe viel zu wenig Zeit gehabt. Ich habe mich zu sehr an die Erwartung anderer angepasst. Oder: Ich habe zu wenig verbotene Sachen gemacht.» Und wie ist das mit der Religion? «Bei uns hat es Platz für Gott, wie immer das Gottesbild eines Menschen auch aussehen mag.» Was gibt dem Leben und dem Sterben Sinn? «Sinn macht das Leben dann, wenn man etwas zurücklassen kann, mit dem die Menschen wertschätzend umgehen.»

Wir besuchen das neue Tageszentrum, wo sich palliativ betreute Menschen tagsüber aufhalten und treffen können. Wir gehen auf die Terrasse, wo Menschen unter freiem Himmel sterben können. Wir blicken hoch zum Seelenfenster, wie man sie auch heute noch in den alten Bauernhäusern sehen kann. Und wir gehen in den Erinnerungsraum, wo für jede verstorbene Person eine Feder schwebt. Hier treffen sich auch Wochen nach dem Tod Angehörige mit dem Betreuerteam. Hier finden sich in einem grossen Buch die bewegenden Zeugnisse der Hinterbliebenen.

Seraina Wüthrich, Pflegedienstleiterin.

Horst Ubrich kommt auf ein Thema zu sprechen, das für die reiche Schweiz beschämend ist und schonungslos aufzeigt, wie krank die Finanzierung in unserem Gesundheitswesen ist: Wenn jemand keine Zusatzversicherung hat, werden die Kosten für die letzten Tage im Leben hier im Lighthouse nur zu einem Teil von den Krankenversicherungen übernommen. Und dann die vielen mühsamen Gesuche um Kostengutsprachen. «Ein Skandal für unsere Gesellschaft, eine unmenschliche Situation», sagt Ubrich. Und noch etwas bereitet ihm ständig Sorgen: «Wir brauchen dringend Verstärkung. Wo sind die Ärzte, die ihren Beruf gewählt haben, um den Menschen zu helfen? Hier sind ihr Wissen und ihre Erfahrung gefragt wie nirgendwo sonst.»

Die Ferienaktion des Lighthouse

Die Pflege eines unheilbar kranken Menschen kann zu körperlicher und seelischer Erschöpfung führen. Das Zürcher Lighthouse bietet ab diesem Herbst Betreuenden die Möglichkeit, sich eine Pause von ihren Pflegeaufgaben zu gönnen, während der das Lighthouse-Team nahtlos einspringt. Auch die Palliativpatienten profitieren von der Kurzzeit-Hospizpflege.

Zürcher Lighthouse
Eglistrasse 1, 8004 Zürich
Telefon 044 265 38 11

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