Bibernell-Honig bei Husten und Verschleimung. Ein Spray aus schwarzem Johannisbeerknospen-Mazerat bei Entzündungen in Mund und Rachen. Selber hergestellte Ginkgo-Kapseln gegen Konzentrationsschwäche. Das sind nur drei Rezepte von Nelly Richina. Mehr als 2000 Kräuter und Gewürze bietet die gebürtige Tessinerin inmitten von Zürich an. «Ich habe mich in die Heilkräutermedizin verliebt», sagt die 30-Jährige, die vor einem Jahr die Geschäftsführung der Berg-Apotheke am Stauffacher übernommen hat. Nelly Richina ist keine Frau von unrealistischen Heilversprechen. Von faulem Zauber hält sie überhaupt nichts. Sie orientiert sich bei der Behandlung von Krankheiten am Machbaren, und machbar ist aus ihrer Sicht vieles, gerade im Bereich der Pflanzenmedizin.
Basis für viele schulmedizinische Medikamente
«Früher beobachtete man die Pflanzen, charakterisierte ihren Lebensraum, studierte ihr Verhalten und leitete daraus ihre Heilwirkung für den Menschen ab. Die Weidenrinde zum Beispiel gedeiht prächtig, obwohl ihre Wurzeln im Wasser stehen. So nahm man an, dass sie auch dem Menschen hilft, wenn er sich wegen kalter und nasser Füsse eine Erkältung eingehandelt hatte. Und genau das tut die Weidenrinde. Die Mistel demgegenüber belagert Bäume, wächst wie ein Krebsgeschwür. So wurde sie zur Grundlage der Therapie von Krebserkrankungen.» Die Phytotherapie ist längst Basis für viele schulmedizinische Medikamente. «Medizinforschung ist ohne Pflanzen gar nicht vorstellbar. Die Wissenschaftler isolieren Pflanzenmoleküle, verändern ihre Struktur ein wenig und versuchen so, Wirkstoffe mit neuen Eigenschaften und letztlich neue Medikamente herzustellen.»
Spezifisch auf Patient abgestimmt
Wo liegen die Vorteile der Heilkräuter? Nelly Richina: «Als Vielstoffgemische wirken Heilkräuter sehr breit. Sie sind nicht nur in der Lage, Nebenwirkungen schulmedizinischer Medikamente zu lindern, sondern auch dann Heilerfolge zu erzielen, wenn eine eindeutige Ursache für die Beschwerden nicht gefunden werden kann. Zum Beispiel bei unklaren Magen-Darm-Problemen, bei nervösen Beschwerden und generell bei vielen chronischen Erkrankungen. Kommt hinzu, dass wir jede Tinktur, jedes Spray, alle Tropfen und jeden Tee ganz spezifisch auf den Patienten und seine Bedürfnisse abstimmen. Heilkräuter kann man problemlos mit anderen Medikamenten kombinieren.»
Immer mehr Menschen kommen in die Apotheke, weil sie bei der Behandlung von Krankheiten nicht nur schulmedizinische Symptombekämpfung betreiben wollen. Nelly Richina: «Frauen und auch immer mehr Männer setzen sich sehr intensiv mit allen Behandlungsmöglichkeiten auseinander, interessieren sich für neue Ansätze und sind auch bereit, selber etwas dafür zu tun. Sie suchen nach möglichst individuellen Lösungen, haben mit komplementärmedizinischen Heilmethoden gute Erfahrungen gemacht. Wissenschaftliche Studien bestätigen sie in ihrem Handeln. Nicht umsonst wird die Phytotherapie heute von den Krankenkassen in der Grundversicherung abgegolten. Auf allen Ebenen im Gesundheitswesen findet eine Renaissance der Werte statt.»
Enge Zusammenarbeit mit Ärzten und Naturheilpraktikern
Kräutermedizin wirkt gut, wenn man sie richtig anwendet. Eine Erkenntnis, die sich auch in der schulmedizinischen Fachwelt immer mehr durchsetzt. «Immer enger wird auch unsere Zusammenarbeit mit Ärzten und Naturheilpraktikern. Wir stellen häufig Rezepturen aufgrund ärztlicher Vorschläge zusammen. Der Arzt erstellt die Diagnose, wir machen das Medikament. Ganz persönlich, qualitativ hochwertig und mit grösster Hingabe.» Hat Nelly Richina ein Lieblingskraut? «Die Malve. Man sagt, sie hilft bei allen Krankheiten. Ich trinke darum sehr gerne Malventee, liebe aber auch die marrokanische Minze. Sie schmeckt wunderbar und hilft bei Magen-Darm-Problemen, gegen Blähungen und gegen Völlegefühl.»
Die Berg-Apotheke
Die Berg-Apotheke ist ein Fachgeschäft der Topwell-Apotheken AG und die grösste Kräuterapotheke der Schweiz. Neben rund 10 000 der gebräuchlichsten Medikamente und Körperpflegeprodukte gehören über 2000 Heilkräuter und Gewürze aus der ganzen Welt zum Sortiment. Allein 300 davon kommen aus der chinesischen und ayurvedischen Medizin sowie aus Tibet und Südamerika. Wenn immer möglich stammen die Kräuter aus biologischem Anbau. Die Apotheke war ursprünglich ein Kräuterhaus, das die von Kräuterpfarrer Johann Künzle gesammelten Bergkräuter vertrieb. Wegen gesetzlicher Vorschriften wurde das Kräuterhaus 1931 in eine Apotheke umgewandelt. Sie war die erste in der Schweiz, die sich auf Kräuter, die Herstellung von Kräutermischungen sowie auf die Fabrikation und den Verkauf von Naturheilmitteln spezialisiert hatte.