Alles begann damit, dass 2010 mein Hund starb. Aufgrund der depressiven Verstimmung verordnete mir mein Hausarzt das Benzodiazepin Temesta. Obwohl er mich davor warnte, dieses Medikament nicht länger als sechs bis acht Wochen zu nehmen, weil es schnell süchtig und abhängig macht, bestand ich auf eine weitere Verschreibung.
Als angenehme Nebenwirkung hatte ich nämlich schnell festgestellt, dass dieses Benzodiazepin auch ausgezeichnet gegen meine starken Nackenschmerzen, bedingt durch eine Stenose in der Halswirbelsäule, wirkte. Dass mich dieser Entschluss später auf den Trip „Einmal Hölle und zurück“ schicken würde, ahnte ich nicht. In der Folge schluckte ich dieses Gift ohne Bedenken während zwölf Jahren.
Ich konnte nicht mehr ohne das Medikament
Als der Produzent von Temesta Lieferpässe ankündigte, war ich alarmiert. Ich hatte nämlich im Laufe der Zeit schon verschiedene Anläufe genommen, das Medikament in eigener Regie abzusetzen, war aber immer wieder gescheitert. Ich wandte ich mich deshalb nach langem Überlegen und Suchen an ein Ambulatorium für Abhängigkeitserkrankungen und erfuhr, dass der Entzug dieses Benzodiazepins zu den anspruchsvollsten aller Entzugsprozesse zählt und in meinem Alter nur stationär durchgeführt werden kann.
Des Weiteren wurde angedeutet, dass die zu erwartenden psychischen Folgen brutal hart und von Dauer sein könnten. Angefangen bei Depressionen und Abgestumpftheit, Ängsten, Persönlichkeitsveränderungen, Schlafstörungen, innerer Unruhe, Verwirrung, Gangstörungen, Verlust der Konzentrations- und Merkfähigkeit, sozialem Rückzug bis hin zur Demenz – es war fast alles dabei.
Der Entzug war schier unerträglich
Anfangs September 2023 war es dann soweit, ich trat mit sehr gemischten Gefühlen meinen Entzug an. Das Ausschleichen erfolgte Schritt für Schritt auf ärztliche Anweisung. Je länger es dauerte, desto stärker wurden die angekündigten Folgeerscheinungen wie Bluthochdruck, Herzrasen und Panikattacken, die mich oft an die Grenze des Erträglichen brachten.
Nach acht zum Teil fast unerträglichen, aber auch kräftezerrenden Wochen, war der Spuk vorbei und ich wurde entlassen. Das, obwohl ich gerne noch etwas länger unter ärztlicher Kontrolle geblieben wäre.
Die Folgen spüre ich noch immer
Zuhause hatte ich anfangs erwartet, dass eine rasche Verbesserung meines physischen und psychischen Zustandes eintreten würde. Das war leider nicht der Fall. Immer mehr wurde klar, dass die langjährige Einnahme von Temesta tiefere Spuren hinterlassen hatte, als zuvor angenommen. Erst waren es Herzprobleme, die zu einem Spitalaufenthalt führten, dann Magenprobleme, die eine Spiegelung notwendig machten, immer begleitet von massiven Schlafstörungen. Phasen von plötzlichem Unwohlsein wechselten sich ab mit Herzrasen, oft begleitet von Schwindelgefühlen ohne eine Spur von Besserung in Sicht.
So ging es lange weiter. Auch die verordnete Gesprächstherapie konnte diesen Zustand nicht wegreden. Wenn ich Sport machte, fühlte ich mich besser. Aber leider machte sich schon nach kurzer Zeit wieder meine latente innere Unruhe bemerkbar. Besonders in der Nacht war das sehr unangenehm. Dann kreisten die Gedanken und liessen den herbeigesehnten Schlaf in weite Ferne rücken. Trotzdem, rückfällig wurde ich nie.
Was mir sehr geholfen hat, war ein weiterer Aufenthalt in einer Klinik. Seither geht es mir viel besser. Dort wurde mich auch gesagt, dass eine so lange Abhängigkeit einen langen Entzug brauche. Pro Jahr rechnet man mit etwa einem Monat. Das finde ich eine sehr wichtige Botschaft. Wer so lange süchtig war, kann nicht innerhalb ein paar Monate gesund werden. Bei mir benötigte es über ein Jahr. Jetzt bemerke ich endlich Fortschritte und bin dankbar, dass ich es in Angriff genommen habe.
Gemeinsam können wir uns helfen
Was mir in der schweren Zeit geholfen hätte, wäre der Austausch mit anderen Betroffenen. Deshalb habe ich die Facebook-Gruppe Benzos Selbsthilfe Plattform gegründet. Ich freue mich über jede Kontaktaufnahme.