Ich wünsche Dir Liebe und Frieden

Suizid wp e1418328627578

Die vorweihnachtliche Glitzer- und Konsumwelt ist für viele Menschen die schwerste Zeit des Jahres. Brigitte Arnold, Lehrerin für Autogenes Training in Bern, schreibt über ein Erlebnis, das sie tief berührt hat, und fordert alle auf, das Glück zu teilen.

Vergangene Woche hatte ich in der Berner Altstadt ein paar Besorgungen zu machen. Auf dem Rückweg fielen mir auf dem Geländer der Lorrainebrücke zuerst die brennenden Kerzen und dann der Brief an der Strassenlaterne auf. Ich ging darauf zu, in der naiven Überzeugung, dass hier jemand bei einem Verkehrsunfall gestorben ist.

Der Brief begann mit: „Liebi Anna,…“. Und Linda, welche den Brief verfasst hatte, stellte die Frage nach dem „Warum“ und wünschte Anna an dem Ort, wo sie jetzt ist, alles Liebe und Frieden. Von einem Augenblick zum nächsten wurde aus dem Verkehrsunfall ein Suizid. Verkehrsunfälle passieren, das ist tragisch, aber Schicksal. Suizid jedoch ist ein Entscheid. Und plötzlich hat das anonyme Elend, die Verzweiflung, der Suizid einen Namen: ANNA.

Was, Anna, hat Dich dazu bewogen, Dein Leben zu beenden? Was kann so schlimm sein, das Du lieber in die eiskalte Aare springst als weiter zu leben? Wer warst Du, Anna? Mutter? Schwester? Freundin? Geliebte? Sicher aber warst Du Tochter. Wie verkraftet Deine Familie Deinen Entscheid, diese Welt zu verlassen, wenn sogar ich, die Dich nicht gekannt hat, immer wieder um Dich weinen muss?

Warum macht gerade DEIN Sterben mich so traurig? Weil es mir so gut geht und ich realisiere, dass es nie allen Menschen gut gehen wird? Weil ich nicht da war, um Dich zu retten? Weil Du so nah an meinem Arbeitsort gestorben bist?

Alles ist in Beziehung zueinander und hat Auswirkungen aufeinander. Wenn uns jedoch etwas derart berührt, hat es eine tiefere Bedeutung – man kann nicht einfach wieder vergessen, ohne darauf zu reagieren.

Mit diesem Brief möchte ich dieses Berührt-Worden-Sein mit Euch teilen. Lasst uns aufmerksam sein und unser Glück teilen. Gerade in dieser Glitzer-, Schein-, Konsum-, Adventszeit – und darüber hinaus. Lasst uns teilen: Eine Münze für den Bettler, ein Ohr für die Einsame, eine helfende Hand für die Alte, den Behinderten.

Ich wünsche Euch eine besinnliche Adventszeit

Und Dir, liebe Anna, wo immer Du auch bist, wünsche auch ich Liebe und Frieden.