Eisenmangel im Alter eine Katastrophe

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Besonders häufig, aber dennoch völlig unterschätzt, ist Eisenmangel im Alter. Ein wichtiger Grund sind unzureichende Ernährung, mangelnder Appetit, Kauprobleme, Vereinsamung, chronische Entzündungen und Blutverluste über den Darm sowie die stark abnehmende Aufnahmefähigkeit. Bis zur Hälfte der Alters- und Pflegeheiminsassen hat einen unerkannten Eisenmangel. Je älter die Person ist, desto häufiger ist sie davon betroffen. Die Symptome reichen von körperlichem Leistungsabfall, Schwächegefühl, verminderter Muskelkraft, mangelnder Koordination, Sturzanfälligkeit, Verlust der Selbstständigkeit, chronischer Müdigkeit und Apathie bis zu Kopfschmerzen und Defiziten von Gedächtnis und Konzentration, Verwirrtheitszuständen und sogar Depressionen. Wird der Eisenmangel übersehen, besteht nicht nur die Gefahr von Fehldiagnosen wie Alzheimer oder Altersdepression, sondern auch von Fehlbehandlungen mit benzodiazepinhaltigen Schlaf- und Beruhigungsmitteln oder Antidepressiva, welche die Sturzgefahr und Verwirrtheit sogar noch verstärken können. Behandelt man bei solchen Patienten das Eisendefizit, kommt es oft zu einer dramatischen Besserung, auch wenn gar keine manifeste Eisenmangelanämie vorliegt. Die gängige Meinung, dass sich eine Eisentherapie bei älteren Menschen nicht lohnt, ist nicht mehr tolerierbar.

Abgeschlagenheit, chronische Müdigkeit, Schlafstörungen und Libidoverlust werden gerne als Depression interpretiert und können zu Fehlverschreibungen von Antidepressiva führen. Die Beschwerden von Betroffenen werden oft jahrelang nicht erkannt, weil sich die Patienten an die schlechte Lebensqualität, bedingt durch den Eisenmangel, gewöhnt haben. Seien Sie also vorsichtig mit Diagnosen wie endogene Depression oder Erschöpfungsdepression. Es könnte durchaus sein, dass nur die Eisenspeicher erschöpft sind.

Besonders hervorzuheben ist das Restless-Legs-Syndrom bei Frauen, das sehr oft durch Eisenmangel bedingt ist. Hier ist es notwendig, das Ferritin auf hochnormale Werte von über 100 anzuheben, was nur mit intravenöser Therapie gelingt. Die intravenöse Gabe von Eisen, unabhängig vom Vorliegen eines Eisenmangels, ist ein neuer Therapieansatz, der zuerst in den USA getestet wurde. Motivation war die Erkenntnis, dass Patienten mit einem tiefnormalen Ferritin eher an einer schweren Symptomatik leiden. In einer schwedischen Studie besserten sich die Symptome der behandelten Patienten drastisch oder verschwanden sogar vollständig.

Die Symptome des Eisenmangels, wie Abgeschlagenheit, anhaltende Müdigkeit, Schwächegefühl, aber auch Konzentrations- und Gedächtnisstörungen können so schwerwiegend sein, dass sie einem frühen Stadium einer Demenz ähnlich werden können. Deshalb sollte bei jedem Patienten mit Verdacht auf beginnende Demenz ein differenzierter Eisenstatus erhoben werden.

Müdigkeit, Erschöpfungszustände, Leistungsverlust. Da denkt man schnell an die Modekrankheit Burnout. Achtung: Eisenmangel kann ein Burnout vortäuschen. Stellen Sie also nie zu früh diese Diagnose, bevor Sie nicht Eisenmangel ausgeschlossen haben. Das gilt übrigens auch für die Diagnose Chronic Fatigue-Syndrom. Und denken Sie an die Fehlbehandlung und Stigmatisierung, die Sie mit einer richtigen Diagnose Ihren Patienten ersparen können.

Hier finden Sie alle 5 Folgen der Serie „Gesichter des Eisenmangels“