Leutnant Keller – antreten zum Corona-Rapport!

Leutnand Aufmacher

“Meine Herren, uns erwartet ein neuartiges Virus, welches das schweizerische Gesundheitssystem zu überfordern droht. Wir sind die letzte Reserve und wurden aufgeboten, um mitzuhelfen, diese Bedrohung abzuwenden.” So oder ähnlich wurden tausende Soldaten begrüsst, die Mitte März in den Assistenzdienst eingerückt sind. Damals rechneten alle mit dem Schlimmsten und die Zukunft war noch diffuser als sie es heute ist. Auch die historische Dimension dieser Mobilmachung drang erst langsam ins Bewusstsein der Gesellschaft.

Inzwischen wissen wir, dass sich die schlimmsten Befürchtungen, zumindest vorläufig, nicht bewahrheitet haben. Das rasche und effektive Handeln unserer Regierung, ein im internationalen Vergleich ausgezeichnetes Gesundheitssystem und natürlich strategische Reserven wie die Armee haben dazu geführt, dass die Schweiz bisher relativ glimpflich davonkam.

Als Sanitätsoffizier leite ich eine Gruppe von 20 Unteroffizieren und Soldaten, die seit Ende März die Rettung Basel-Stadt bei Corona-Transporten unterstützt. Dabei erfahre ich direkt, wie der Arbeitsaufwand glücklicherweise nachlässt. Ausgerüstet mit vier Armeeambulanzen, einer umfassenden sanitätsdienstlichen Ausbildung aus der Rekrutenschule und viel Motivation, Gutes zu tun, transportieren wir Corona-Patienten und Verdachtsfälle.

Aufwändige Desinfektion der Ambulanz

In Schutzanzügen steigen wir aus den Fahrzeugen und sehen aus wie Astronauten. Mittels aktiver, beruhigender Kommunikation versuchen wir, die verunsicherten Patienten nicht zu erschrecken, wenn wir in Weiss gehüllt ihre Wohnungen betreten. Als zivil-militärisches Duo lagern eine Rettungssanitäterin und ein Soldat die Patientin um und betreuen sie bis zur Übergabe ans zuständige Spital. Die Transporte sind sanitätstechnisch relativ einfach, doch kann es trotzdem plötzlich vorkommen, dass ein Patient während der Fahrt zusätzlichen Sauerstoff benötigt. Die abschliessende Desinfektion der Ambulanz dauert über zwei Stunden.

Auch dank der ausgezeichneten Zusammenarbeit mit der Rettung Basel-Stadt konnten wir bereits über neunzig Patienten erfolgreich transportieren. Diese Leistung ist umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass kein Soldat normalerweise im Gesundheitswesen arbeitet, die Einschränkungen der persönlichen Freiheiten im Militär besonders einschneidend sind und hauptsächlich die Überzeugung motiviert, der Gesellschaft einen Dienst zu erweisen.

Wir haben Respekt – keine Angst

Nebst dem Fokus auf den Auftrag hat der Schutz unserer eigenen Gesundheit oberste Priorität. Erstaunlicherweise blieben wir bisher alle gesund, was bedeutet, dass die strengen Hygienemassnahmen greifen. Angst um die eigene Gesundheit durch den täglichen Kontakt mit Corona-Patienten haben wir nicht. Regelmässige Gespräche helfen uns jedoch, den nötigen Respekt zu vergegenwärtigen, selbst wenn sich eine gewisse Routine einstellt.

Trotz der Lageberuhigung ist die Ungewissheit ein ständiger Begleiter. Wir könnten bereits in wenigen Wochen wieder ins zivile Leben entlassen werden oder noch Wochen im Dienst bleiben. Manchmal sind wir zwölf Stunden am Warten, manchmal zwölf Stunden unterwegs.

Eines ist jedoch sicher: Wer mit diesen jungen Menschen einen Tag verbringt, die zusammengewürfelt aus allen Landesteilen, vom Zimmermann zum IT-Spezialisten, ruhig und professionell zusammenarbeiten, fasst Vertrauen in eine ganze Generation. Ich bin daher restlos überzeugt, dass wir gestärkt aus dieser Krise hervorgehen werden.

Wenn Sie mehr über unsere Arbeit erfahren möchten, kann ich Ihnen die Rundschau vom 22. April 2020 empfehlen. Sie finden die Sendung unter srf.ch/play/tv.

Leutnant Keller, Fabio
Schweizer Armee
Sanitätskompanie 5

 

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Leutnant Keller, Fabio, Schweizer Armee, Sanitätskompanie 5