Meine besten Rezepte gegen Trauer und Einsamkeit im Alter

Kommt mit 70 das grosse Loch? Kann man glücklich sein, wenn man alleine lebt? Agnes Richener erzählt.

Ich wurde im Januar 1949 geboren und gehe nun langsam aber sicher auf die 70 zu und bin deswegen weder traurig noch einsam. Seit zehn Jahren bin ich Single und hatte noch nie das Gefühl, mir fehle die zweite Hälfte. Einsamkeit und Trauer gehören zu uns Menschen und sind ganz normal. Der Unterschied von Alleinsein und Einsamkeit: Alleinsein ist ein Zustand und Einsamkeit ist ein Gefühl. In all den Jahren habe ich gelernt, für mich selber ein paar Rezepte zu kreieren, damit ich zufrieden durch das Alter komme.

Eine Aufgabe haben

Das Beste, was ich mir leistete, sind meine zwei Dackeli Ricka und Mäxy. Sie geben mir eine Aufgabe, denn sie sind auf mich angewiesen. Ich geniesse es, wenn sie mich am Morgen wedelnd wecken kommen. Bei mir sind es die Hunde, die mir Freude bereiten. Es kann aber auch ganz was anderes sein. Wichtig ist bloss, dass wir eine Aufgabe haben.

Alleinsein ist ein Zustand, den ich gelernt habe zu akzeptieren, weil es nun so ist. Einsam sein hingegen ist ein Gefühl –, und wenn ich mich darin suhle, stellt sich Trauer ein. Ob es soweit kommt oder nicht, kann ich mit meinen Gedanken steuern. Am liebsten gehe ich nach draussen. Man kann auch ohne Hunde spazieren gehen. Die Natur ist mein Lebenselexier.

Wenn ich traurig bin, hat das mit Sicherheit einen Grund. Wenn ich am Abend vor mich hin sinniere, weil meine Schwester unheilbar krank ist, weine ich auch mal und lass es einfach zu – übrigens ist das eines meiner Rezepte –, denn danach geht es mir wieder besser. Dann gönne ich mir gerne auch mal ein Stück Schokolade und mache den letzten kurzen Spaziergang mit den Dackeli.

Dem Alltag eine Struktur geben

Meistens geniesse ich das Alleinsein, weil ich ohne Gewissenskonflikte tun und lassen kann, was ich will. Dem Alltag gebe ich eine Struktur. Für mich ist das sehr wichtig. Eine Struktur beinhaltet auch Rituale. Ich bin überzeugt, dass der Mensch sie braucht, um gut durch den Tag zu kommen.

Eines meiner wichtigsten Rezepte ist, einfach mal alles umzudrehen. Ein Beispiel: Wenn ich mich nach meinen Kindern sehne und negative Gedanken aufkommen wie «die könnten sich auch mal wieder bei mir melden, denken die denn gar nicht an mich!» drehe ich das ins Gegenteil: Meine Kinder fehlen mir, ich rufe sie an oder schreibe ihnen eine SMS. Ich berichte ihnen, dass ich gerade an sie denken musste.

Es gibt so viele grossartige Rezepte, um Einsamkeit und Trauer ein bisschen zu umgehen. Ich lese sehr gerne. Beim Lesen bin ich voll und ganz in ein Buch vertieft. Auch wenn ich klassische Musik höre, werde ich getragen von wohligen Gefühlen. Und manchmal ist Tee trinken mit einer Freundin die einzige Therapie, die ich gerade brauche.

Gedanken und Gefühle steuern

Alt werden bedeutet nicht zwingend Trauer oder Einsamkeit. Wir können unsere Gedanken und Gefühle steuern und das Ruder über unser Leben selber in die Hand nehmen.

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht am 07.02.2019.

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