Unsere Gesellschaft krankt an einem Mangel an Körperkontakt. Sex ist zwar allgegenwärtig, aber wir berühren einander nicht mehr. Immer mehr Menschen leben in Singlehaushalten, viele führen Fernbeziehungen. Und selbst wenn ein geliebter Mensch in der Nähe lebt, ist das noch kein Garant für Zärtlichkeiten. Im Alltag berühren Paare einander immer seltener, je länger sie zusammenleben. Die meisten umarmen den Partner nur noch alle paar Tage, wie Untersuchungen zeigen.
Die virtuelle Welt ist körperlos
Ein Grossteil der heutigen Erkrankungen ist die Folge von Vereinzelung und Vereinsamung, von Berührungs- und Körperlosigkeit. Das überrascht nicht. Zum einen nimmt die Bereitschaft ab, Beziehungen einzugehen, und anderseits verlagert sich unser Leben mehr und mehr in die virtuelle und damit körperlose Welt.
Dabei haben schon kleine Berührungen grosse Wirkung. Das Streicheln über den Arm, das Auflegen der Hände. Entspannung und innere Ruhe stellen sich ein. Der Blutdruck sinkt. In Studien zeigte sich, dass Handauflegen selbst Depressionen lindern kann. Ängste und Schmerzen verblassen. Regelmässige Umarmungen können sogar das Immunsystem stärken und weniger anfällig für Erkältungsviren machen. Patienten nehmen ihre Medikamente eher ein, wenn der Arzt sie bei der Verschreibung kurz am Unterarm berührt hat.
Körperliche Nähe ist in Verruf geraten
Der Tastsinn ist dazu da, uns mit anderen Menschen zu verbinden. Durch Körperkontakt versichern wir uns, dass wir nicht allein auf der Welt sind. Dem Bedürfnis nach Nähe haftet in den Augen der Gesellschaft jedoch etwas Schmuddeliges, ja sogar Übergriffiges an. Sich zu berühren ist in Verruf geraten. Nicht zuletzt durch die MeToo-Debatte. Heute versucht man zwanghaft, nicht mit jemandem in Berührung zu kommen.
Anstelle der Nähe von Mensch zu Mensch ist eine Ersatzindustrie getreten, die mit Körperkontakt Millionen verdient. Wir leisten uns teure Massagen oder ein Weekend in einem Wellnesshotel. Oder wir besuchen neuerdings einen Kuschelabend. Dabei weiss man aus der Raumfahrt, dass selbst Personen in einer engen Beziehung nicht länger als sechs Monate räumlich voneinander getrennt sein sollten. Sonst droht das innere Band abzureissen.
Was hilft Singles? Haustiere, wenn man genügend Zeit für sie aufbringen kann. Auch ein Hund oder eine Katze brauchen Körperkontakt. Deshalb funktioniert die Symbiose zwischen ihnen und den Menschen so gut.