Ohne Hormone gegen Hitzewallungen

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Heute sprechen alle von den Wechseljahren. Ist das Tabu gebrochen?

Nein. Nicht weil man zu wenig darüber liest, sondern weil es trotzdem noch sehr viel mehr grundlegende Aufklärung zu dem Thema braucht.

Woran merken Sie das?

Oft kommen Frauen in meine Sprechstunde, die nicht genau wissen, was in ihrem Körper wann und warum passiert. Es gibt einfach zu wenig relevante Informationen.

Welche Fragen stellen Ihnen die Frauen?

Sie klagen über Beschwerden und möchten wissen, was man dagegen tun kann und wie lange das Ganze dauert.

Was sind die typischen Beschwerden?

Die zentralnervösen Störungen sind am häufigsten: also Hitzewallungen, Schlafstörungen, Stimmungsveränderung, Ermüdung, aber auch körperliche Symptome wie Gelenk- und Muskelbeschwerden.

Bei Muskelbeschwerden denkt man nicht gleich an die Wechseljahre.

Genau. Deshalb auch mein Wunsch nach mehr Aufklärung. Die meisten assoziieren die Wechseljahre mit Hitzewallungen. Andere Symptome werden noch viel zu selten damit in Verbindung gebracht und lösen so Unsicherheiten aus.

Zum Beispiel?

Die grössten Probleme machen die Schlafstörungen. Sie beeinflussen die Laune, fördern Vergesslichkeit und verschlechtern die Konzentration. Auch depressive Verstimmungen, Ängstlichkeit oder Reizbarkeit sind Symp­tome. Je nach Ausprägung führt das zu Problemen im Privat- und Berufsleben. Viele Frauen sorgen sich auch, dass sie mit ihren Stimmungen das Umfeld belasten.

Wie findet man heraus, ob die Wechseljahre der Grund für die Beschwerden sind?

Indem man sich selber beobachtet. Wenn man aufgrund von Hitzewallungen schlecht schläft, ist der Zusammenhang offensichtlich. Aber das ist eben nicht immer der Fall. Jede Frau über 40 Jahre sollte hellhörig werden, wenn Beschwerden auftauchen oder zunehmen und der Zyklus gleichzeitig unregelmässiger wird. Am besten geht man dann zu einem Frauenarzt oder einer Frauenärztin.

Wann braucht es eine Behandlung?

Immer wenn es stört oder der Leidensdruck zu gross ist. Es ist aber auch legitim zu sagen, dass man sich gegen eine hormonelle Therapie entscheidet. Es gibt viele Alternativen wie Akupunktur, Yoga oder pflanzliche Mittel. Ein paar Sondersituationen erfordern aber eine therapeutische Hormontherapie.

Welche?

Zum Beispiel wenn die Wechseljahre mit sehr starken Blutungen einhergehen oder generell, wenn die Menopause vor 45 Jahren einsetzt. Mit einer Therapie kann man die Herz-, Knochen- und Gehirngesundheit erhalten.

Trotzdem haben Hormontherapien einen ­schlechten Ruf. Weshalb?

Die grösste Angst ist, dass sie Brustkrebs begünstigen. Auch hier hilft nur Aufklärung. Lassen Sie es mich mit einem Rechenbeispiel erklären: Wenn 1000 Frauen zwischen 50 bis 54 Jahren nach der Menopause während fünf Jahren keine kombinierte Östrogen-Gestagen-Hormontherapie erhalten, erkranken etwa 14 davon an Brustkrebs. Mit einer Hormontherapie sind es 17 Fälle, also drei mehr. In meiner Sprechstunde merke ich, dass es viele Frauen als eine Art Kapitulation ansehen, wenn sie Hormone brauchen. Ihr Vorsatz war es, die Wechseljahre ohne Medikamente durchzustehen.

Seit Kurzem gibt es ein hormonfreies Präparat gegen Hitze­wallungen. Wie funktioniert es?

Im Gehirn haben wir einen Thermostat, der die ganze Zeit die Aussen- mit der Innentemperatur vergleicht und anpasst. Dieser Thermostat wird von spezialisierten Nervenzellen reguliert, welche durch den Gehirnbotenstoff Neurokinin B stimuliert werden. Östrogene hingegen hemmen diese Nervenzellen. Wenn sie in den Wechseljahren abnehmen, nimmt die Stimulation Überhand und die kleinste Temperaturveränderung wird registriert. Die Folge: Man schwitzt, friert und schwitzt wieder. Die Idee des neuen Medikaments ist es, dass man den Rezeptor des Hirnbotenstoffs Neurokinin B blockiert, um das Gleichgewicht wieder herzustellen.

Wie lange dauern die Wechseljahrbeschwerden?

Regelmässige Hitzewallungen dauern im Schnitt zwischen siebeneinhalb bis acht Jahre. Es können aber auch 20 Jahre werden. Die Wechseljahrbeschwerden sind kein schnelles Symptom. Schlafstörungen treten vor allem in der Umstellungsphase, den eigentlichen Wechseljahren, zwischen 40 und 50 Jahren auf. Dasselbe gilt für depressive Verstimmungen.

Prof. Dr. Petra Stute

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