Schön wäre, wenn ich zaubern könnte

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Bernhard Dittli und Judith Arnold und ihre beiden Töchter sind eine ganz normale Familie im Kanton Uri, bis sie vom Schicksal überrollt werden. Auszüge aus ihrem Tagebuch.

Wir haben einen ersten Besuch bei Dr. Heinz Raab in Altdorf vereinbart. Mein Mann klagt über Sehstörungen und Schwindel. Ich werde hellhörig. Es geht ihm nicht gut. Er ist oft müde und muss sich hinlegen. Seine Bewegungen sind langsamer geworden. Es wird für ihn immer anstrengender, die richtigen Namen und Wörter zu finden.

Beni muss sich oft übergeben, auch im Spital Luzern. Das MRI und auch die Lumbalpunktion liefern keine neuen Erkenntnisse. Er tut mir so leid. Es gibt keinen Befund. Das ist schier unerträglich. Übelkeit und Brechreiz bis zum Gehtnichtmehr. Es geht ihm sehr schlecht. Er liegt nur noch im Bett und kann nicht mehr alleine zur Toilette gehen. Der Hausarzt macht den Vorschlag, eine psychiatrische Abklärung machen zu lassen. Beni ist ganz und gar nicht begeistert. Er spinne doch nicht.

Auf der Heimfahrt sagt mir mein Mann, er sehe alles wie in einem Tunnel. Und es gehe ihm sehr schlecht. Ich bin froh, als wir zu Hause ankommen. Er geht sofort ins Bett. Es wird eine der schlimmsten Wochen in meinem Leben. Beni geht es von Tag zu Tag schlechter. Es wird noch schlimmer mit der Übelkeit. Wir können ihn nicht mehr alleine lassen. Er spricht nicht mehr deutlich. Er wird wütend, weil wir ihn nicht mehr richtig verstehen, er aber klar weiss, was er gesagt hat oder hat sagen wollen. Ich komme langsam, aber sicher ans Ende meiner Kräfte. Tag und Nacht muss Beni erbrechen. Ich kann nicht mehr schlafen. Bei jedem Geräusch zucke ich zusammen und stehe an unserem Bett. Ich habe auch Angst, dass Beni zu wenig Flüssigkeit aufnimmt. Es geht nicht mehr anders. Beni muss im Universitätsspital Zürich aufgenommen werden, um herauszufinden, woran er leidet.

Beni sagt mir, ich soll alles aus der Schlosserwerkstatt und vom Betrieb verkaufen. Alles, auch den Bagger. Natascha hat er gesagt, welche Musik er bei seiner Beerdigung in der Kirche hören möchte: «Con te partirò» von Andrea Bocelli. Es hat uns fast das Herz gebrochen. Aber er wird gespürt haben, dass es nicht mehr gut kommt. Mit einem Tragsitz müssen sie ihn vom zweiten Stock des Hauses hinunter in den Krankenwagen bringen. Natascha und Nina sind auch anwesend. Sie weinen sehr. Von diesem Tag an kommt ihr Dädi nicht mehr nach Hause, das spüren sie.

Beni hat Geburtstag. Ich fahre mit den Töchtern zu ihm ins Universitätsspital Zürich. Wir haben die Geburtstagsgeschenke dabei, einen Rasierapparat von mir und ein Aftershave von den Kindern. Er hat Freude, dass wir gekommen sind und weint. Es geht ihm nicht gut. Er muss immer wieder erbrechen, auch in der Nacht. Es tut uns sehr weh. Ich drücke Beni fest an mich, und ich spüre, etwas ist gar nicht gut. Beni liegt da wie ein Häufchen Elend, und auch ich fühle mich elendiglich. Beim Abschied muss ich weinen.

Man führt mich in ein Sprechzimmer. Mehrere Ärzte sind schon dort. Ich setze mich gegenüber diesen Herren in weissen Kitteln. Man kenne jetzt die Diagnose. Beni habe die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit. Der Verlauf sei tödlich. Mir kommt aufgrund von Fernsehsendungen BSE in den Sinn. Die Ärzte versuchen, mir diese Krankheit zu erklären. Ich kann nichts mehr aufnehmen. Ich fühle mich, als würde ich in ein tiefes Loch, ins Unendliche fallen, als sei ein grosser Graben aufgegangen. Ich frage nur, wie lange Beni noch zu leben hat. Sie können mir keine klare Antwort geben. Zwei, sechs, zwölf Monate vielleicht. Ich frage, ob man Beni so bald als möglich nach Uri verlegen könne. Ich bin völlig durcheinander und zittere am ganzen Körper. Wieder im Zimmer umarme ich Beni, und wir beide weinen.

Zu Hause angekommen, sehen Nina und Natascha mein verweintes Gesicht. Sie fragen nach dem Grund und nach der Diagnose. Ich sage, dass es eine tödliche Krankheit sei und dass Dädi sterben müsse. Die Kinder brechen zusammen und weinen nur noch. Ich fühle mich nicht gut, weil ich ihnen eine solche Nachricht habe überbringen müssen. Aber ich musste es ihnen doch sagen.

Beni hat Mühe mit dem Atmen. Wenn er nun eingeschlafen ist und morgen nicht mehr aufwacht? Ich streichle ihn. Diese Qual! Du bist gefangen im eigenen Körper, kannst dich nicht bewegen, nicht einmal eine Fliege auf deinem Gesicht verscheuchen. Du bist vollständig auf fremde Hilfe angewiesen. Das war für dich unvorstellbar. Es tut weh, dich so leiden zu sehen. Ich weine. Ich habe dich gern.

Von meinen Geldsorgen sage ich ihm nichts. Ich will ihn nicht damit belasten. Da ich nicht genau weiss, wie viel er noch verstehen kann, erwähne ich nichts von den Verkäufen und unserer Geldnot. Sein Anblick schmerzt. Dünne Beine, fast nur noch Haut und Knochen. Sein Körper ist stark eingefallen.

Ich liege zu Hause im Bett und kann wieder einmal nicht schlafen. Ich vermisse Beni und unsere Gespräche. Meine Gedanken irren umher. Wie schaffe ich das alles? Habe ich die Kraft, das alles durchzustehen? Die finanziellen Sorgen, die Angst um das Haus, die Gedanken um Natascha und Nina.

Ich sitze nahe neben Beni. Ich streichle ihn an den Armen und rede mit ihm. Es tut mir gut. Irgendwie gibt mir das Kraft. Ich sage manchmal, was ich ihm wünsche, nämlich friedlich einzuschlafen. Ich glaube und spüre, dass er das wahrnimmt.

Beim Einkaufen habe ich heute eine Bekannte getroffen. Sie hat nach meinem Befinden gefragt und ihr Mitleid ausgedrückt. Sie gab mir 20 Franken. Für Beni könne sie nichts kaufen, aber ich soll mir etwas dafür leisten.

Wir haben grosse Mühe, weil uns Dädi so leid tut. Wir sind am späteren Abend bei ihm. Wir drei können die Tränen nicht zurückhalten. So gerne möchten wir ihm helfen. Uns bleibt nichts anderes übrig, als einfach da zu sein. Wir sagen ihm, dass wir ihn aus Liebe würden gehen lassen, loslassen, weil wir ihn sehr gern haben.

Bei Beni kann ich wieder Kraft tanken. Ich hatte einen schweren Schritt tun müssen. Es war ein Termin mit Vertretern des Sozialrates der Gemeinde. Sie haben sich grosse Mühe gegeben, um mir helfen zu können. Ich fühlte mich total elend. Was soll ich sonst tun? Ich habe das Gefühl, dass wir keinen Boden mehr unter den Füssen haben und immer tiefer fallen.

Beni sieht ganz bleich aus. Er hat erbrochen. Die Magensonde hat sich im Mund aufgerollt und musste gezogen werden. Er bekommt Sauerstoff, und Morphium wurde wieder gespritzt. Bruder Josef, der Spitalseelsorger, kommt vorbei. Er überreicht mir eine Spende. Er soll diese Spende jemandem geben, der das gut gebrauchen könne. Bruder Josef hat an uns gedacht. Ich muss weinen. Es gibt noch gute Menschen. Ich weiss gar nicht, wie ich danken soll.

Ich verbringe den Nachmittag bei Beni mit Stricken, Lesen und Erzählen. Ich hoffe sehr, dass er das spürt. Ich bin gern bei ihm, weil ich bei ihm irgendwie zur Ruhe komme. Als Natascha kommt, schneidet sie Dädi die Haare, während er seelenruhig und entspannt schläft. Es ist das erste Mal, und sie macht das ganz toll.

Wir gehen zu dritt etwas später als üblich ins Spital. Bei Beni am Bett muss ich weinen. Ich kann nicht helfen und fühle mich alleine. Es ist hart, dass ich alles alleine entscheiden und erledigen muss. Alles haben wir zusammen gemacht, die Umgebungsarbeiten und die Veränderungen an unserem Haus. Und wir hatten uns noch so viel vorgenommen. Ich bin sehr traurig.

Das Personal hat sich an unseren Dädi gewöhnt. Sie sind alle sehr nett, hilfsbereit und pflegen Beni sehr gut. Beim Nachhausefahren fragt mich Natascha: «Dann bleibt Dädi im neuen Zimmer, bis er stirbt?» Ich weine. Ja, so ist es. Es tut höllisch weh, die Frage so beantworten zu müssen. Warum nur? Immer wieder dieses Warum! Um 13.30 Uhr wird gezügelt. Beni ist jetzt im Altbau des Kantonsspitals Uri im Zimmer 262 der Geriatrie.

Beni hat erhöhte Temperatur, schwitzt, ist unruhig und hat starke Zuckungen. An diesem Tag wird ihm sechs Mal eine halbe Ampulle Morphium gespritzt. Ich habe das Gefühl, dass es ihm schlechter geht, und ich habe grosse Angst vor dem Verlieren, vor dem Alleingelassen sein.

Da ich die Werkstatt nicht vermieten darf, muss ich einem Interessenten absagen. Da taucht auch schon die Schwiegermutter auf und verkündet grossartig: «Hier wird nicht vermietet!» Ich erkläre ihr, dass ich das bereits dem Interessenten mitgeteilt habe. Sie hält mir vor, dass ich bereits alles Inventar verkauft hätte, obwohl Beni noch am Leben sei. In Attinghausen werde darüber gesprochen. Ich muss mich zusammenreissen. Es war ja Benis Wunsch, alles zu verkaufen. Von ihr bekommen wir gar keine Unterstützung.

Vom Estrich hole ich die Weihnachtsbeleuchtung. Es ist mir gar nicht danach zumute. Beni und ich haben immer miteinander die Kerzen angebracht. Ich mache die Weihnachtsbeleuchtung für ihn. Selber bereitet mit die Advents- und kommende Weihnachtszeit keine Freude. Beni hat diese Zeit immer sehr geliebt. Vielleicht bin ich deswegen so freudlos und gleichgültig. Wir überlegen uns, ob wir überhaupt einen Christbaum wollen oder nicht.

Ich stecke im Tief. Warum? Das frage ich mich immer wieder. Warum nur? Und warum, Beni, kannst oder darfst du noch nicht gehen? Ich weine viel. Nina tröstet mich heute. Aber dann weinen wir beide. Wir erinnern uns, wie gern Dädi den Samichlaus hatte, wie gern er Weihnachten feierte. Wir hoffen fest, dass der Samichlaus auch ihn besuchen wird.

Am Morgen habe ich im Radio unser Hochzeitslied gehört. Es schmerzt unendlich. Es ist jetzt ein Uhr in der Früh. Ich habe richtig Angst, ins Bett zu gehen, weil die Gedanken und Gefühle mich überwältigen werden.

Schön wäre, wenn ich zaubern könnte. Dann würde ich aufwachen, und alles wäre bloss ein böser Traum gewesen. Ich möchte unseren Dädi an Weihnachten gesund zurück. Ich vermisse ihn so sehr. Am späteren Nachmittag weint Beni, und ich gehe nahe zu ihm. Ich will ihn beruhigen, aber ich weine mit ihm. Ich weiss nicht, ob er Schmerzen hat oder Angst. Es dauert lange, ihn beruhigen und trösten zu können. Ich hoffe sehr, dass er unsere Nähe spürt, wenn wir bei ihm sind.

Heute hat mich der Baumeister unseres Hauses besucht. Er möchte uns etwas geben. Ich weiss nicht, was ich sagen soll. Fremde Leute denken und fühlen mit mir und meinen Kindern. Das erlebe ich auch in dieser schweren Zeit. Das hätte ich nie erwartet von Menschen, die uns bisher nicht so nahe standen.

Es klopft an der Tür. Der Spitalseelsorger schaut herein. Er besucht Dädi regelmässig und drückt mir ein Couvert in die Hand. Er habe noch einen besonderen Ort gefunden und etwas Geld bekommen, da die IV zurzeit nichts bezahle. Ich bin sehr gerührt und weiss wieder nicht, was ich sagen soll. Ich bedanke mich sehr und bin den Tränen nahe. Bruder Josef setzt sich so für uns ein. Das beschämt mich fast ein wenig. Nina und Natascha staunen, als die das Couvert öffnen.

Nina und ich gehen mit einem Christbäumchen für Dädi ins Spital. Wir haben es zu Hause geschmückt. Daheim haben wir keinen Christbaum aufgestellt. Wir wollen sowieso so oft wie möglich bei Dädi sein. Weihnachten wird für uns alle eine schwierige Zeit sein.

Winteranfang. In den vergangenen Tagen habe ich keine Tagebucheintragungen machen können, weil mich dummes Gerede sehr belastet hat. Beni könne nicht sterben, weil wir ihn künstlich am Leben halten wollten und nicht loslassen könnten. Solches und mehr wurde uns zugetragen. Die anderen sollen zuerst vor ihrer eigenen Tür wischen, statt uns zu verletzen.

Heiligabend bei Dädi im Spitalzimmer 262. Nina, Natascha und ich sind mit Geschenken gekommen und haben sie um das Christbäumchen verteilt. Zuerst geniessen wir das Nachtessen, Rippli, Kartoffelsalat und ein feines Dessert mit Zimtaroma. Nina kann es kaum erwarten, ihre Geschenke auszupacken. Aber die ersten Geschenke geben wir Dädi in die Hände, dass er das Papier spürt. Wir helfen ihm beim Auspacken. Von Natascha bekommt er ein T-Shirt mit Schäfli darauf und geschrieben steht: «Ich habe dich sooooo lieb!». Von Nina ein fein riechendes Duschmittel und von mir einen Rosenquarz. Wir vermissen Dädi alle sehr. Vor allem in diesen Augenblicken ist es sehr, sehr schwer. Ich bin froh, wenn die Weihnachtszeit bald vorüber ist. Es ist alles noch schmerzhafter als sonst. Viele liebe Menschen wünschen uns schöne Weihnachten, aber wir können uns nicht richtig freuen. Wir können nicht in die Kirche gehen, aber wir haben in der Kapelle des Kantonsspitals Uri Kerzen angezündet wie so oft.

Der Zustand von Beni hat sich weiter verschlechtert. Er hat noch mehr an Gewicht verloren, und er schläft länger. Im Radio ertönt wieder unser Hochzeitslied, und Nina stellt den Regler für Dädi lauter. Aber ich glaube, dass er dieses Lied nicht hört. Ich weine. Ich werde Beni nicht mehr lange haben dürfen. Ich darf nicht mit ihm alt werden, mit ihm Enkelkinder verwöhnen und mit ihm Reisen unternehmen. Es schmerzt sehr. Und wieder diese Frage: Warum? Warum wir?

Ich habe einen Termin bei der Pro Infirmis. Wir besprechen meine finanzielle Situation. Diese sei sehr ungünstig. Die So­zialhilfe müsse für uns aufkommen. Ich weiss nicht, wie es weitergehen soll. Vor mir sehe ich wieder schlaflose Nächte, versunken in Gedanken, wie ich künftig unseren Lebensunterhalt aufbringen kann.

Ich helfe der Schwester, Beni im Bett richtig zu lagern. Es tut weh zu sehen, wie abgemagert er ist. Die Beckenknochen sind sehr deutlich zu erkennen, und auch die Schulterknochen spürt man jetzt sehr gut. Ich weiss genau, dass es kein Heimkommen mehr geben wird. Ich vermisse die Gespräche, die wir oft am Abend miteinander hatten. Nie habe ich an ein derartiges Ende unserer Ehe gedacht. Ich weiss nicht, ob ich das alles schaffe; ich habe Angst.

Heute kommt noch einmal die Frau vom Sozialamt Uri wegen der Budgetberatung bei uns vorbei. Ich habe nur noch Zahlen im Kopf. Die Aussichten, wie es finanziell weitergeht, sind nicht gut. Ich würde mich so gerne irgendwo anlehnen, möchte mich einfach einmal gehen lassen, und nicht immer nur funktionieren. Ich habe enorme Angst vor der Zukunft, wenn es die noch gibt. Momentan sehe ich nur schwarz, kein Licht.

Ich bekomme einen Telefonanruf aus dem Kantonsspital Uri. Beni habe eine ganz schlechte Nacht hinter sich. Er sei sehr unruhig gewesen und hätte gestöhnt. Man habe die Halsschlagader sehr gut gesehen. Die Gesichtsfarbe sei blass, grau-weisslich, und das Gesicht sei stark eingefallen. Beni atme schwer und die Atmung würde teilweise aussetzen. Man habe ihm starke Medikamente gegen die Schmerzen spritzen müssen. Wir gehen zu dritt zu Dädi. Ja, es ist schlimm, ihn so zu sehen. Wir weinen, sind hilflos und haben Angst. Beni öffnet immer wieder die Augen und stöhnt, als wolle er uns etwas sagen. Es ist eine bedrückende Stimmung im Zimmer.

Am späteren Abend melde ich mich telefonisch bei der Krankenschwester. Beni sei ruhig und schlafe. Das beruhigt mich etwas, denn ich habe mich kaum nach Hause getraut und hatte Angst, ihn alleine zu lassen. Zu Beni hatte ich gesagt: «Gehe deinen Weg ohne Rücksicht auf uns. Bestimme den Zeitpunkt selber, wann es für dich richtig ist. Wir sind immer bei dir – auch in Gedanken.» Der heutige Tag hat gezeigt, dass die Stunde X nicht mehr weit weg ist. Es tut uns allen weh, auch wenn wir wissen, dass es für Dädi eine Erlösung sein wird.

Beni wirkt auf mich entspannt und ruhig. Ich streichle ihn und spreche mit ihm. Ich sage, dass ich ihn sehr vermisse und Langezeit nach ihm habe, dass ich niemandem zum Kuscheln habe, niemanden, der mir die Füsse wärmt. Zum Reden habe ich auch niemanden mehr. Für was bin ich noch da? Ich habe an nichts mehr Freude. Ich funktioniere einfach. Und jeder Tag verläuft ähnlich. Geldsorgen, Haushalt. Und immer die Angst, wenn ich dich verliere.

Beni ist blass und kaltschweissig. Er karchelt stark und hat vermehrt Zuckungen. Mit einem Waschlappen kühle ich ihm die Stirn. Beni atmet sehr schwer. Wir spüren, dass er jetzt sterben wird. Wir streicheln ihn. Wir sagen ihm, es sei alles gut, er könne jetzt loslassen. Ich sehe, als würde ein weisser Schleier von Kopf bis Fuss ganz sanft über ihn weggezogen und damit auch seine Gesichtsfarbe. Er wirkt ganz entspannt und ruhig. Es folgt noch ein letzter tiefer Atemzug.

Beni ist tot. Wir alle weinen, sind sehr aufgewühlt und traurig. Auch wenn wir wissen, dass es für Beni eine Erlösung ist, schmerzt es unendlich.

Die Krankenschwester fragt mich, ob ich ihr bei der Pflege und Vorbereitung von Beni helfen möchte. Ich sage ihr zu, weil das für mich die letzte Gelegenheit ist, von Beni Abschied zu nehmen und noch einmal etwas für ihn zu tun. Die anderen verlassen das Zimmer. Als letzten Dank legen wir Beni eine gelb-rote Rose in seine gefalteten Hände.

Das Buch

„Schön wäre, wenn ich zaubern könnte. Tagebuch einer Krankheit.“
Von Judith Arnold.
Bestellung: [email protected]

 

Creutzfeldt-Jakob-Krankheit

Die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit ist eine tödlich verlaufende Krankheit des menschlichen Gehirns, die nach dem aktuellen Wissensstand durch abnorm gefaltete Eiweisse, sogenannte Prionen, verursacht wird. Jedes Jahr werden in der Schweiz 10 bis 15 neue Fälle gemeldet. Die hier beschriebene Krankheit gehört zu jenen Formen, die durch medizinische Eingriffe übertragen werden können. Das Krankheitsbild zeigt ein breites Spektrum von sich verstärkenden Symptomen wie Verlust der geistigen Fähigkeiten und Bewegungsstörungen. Im Endstadium besteht für den Patienten keine Möglichkeit mehr, mit der Umwelt in Kontakt zu treten. Es gibt bisher keine Therapie und keine Heilung.

Im April 1984 erlitt Bernhard Dittli bei einem Arbeitsunfall in der Westschweiz eine schwere Hirnverletzung, die er nur dank einer Notoperation überlebte. Niemand ahnte zu diesem Zeitpunkt, dass er durch das eingesetzte Hirnhauttransplantat mit einer damals noch kaum bekannten Krankheit infiziert wurde. Er heiratete, gründete eine Familie und einen eigenen Betrieb. 21 Jahre nach dem Unfall bricht die verheerende Krankheit aus.