Schonen wäre völlig falsch

Fingergelenkarthrose kann höllisch wehtun. Rheumatologe Prof. Dr. med. Stefan Bachmann sagt, welche Dreifach-Therapie wirklich hilft.

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Am Morgen sind sie kaum zur Faust zu ballen, beim Öffnen eines Schraubverschlusses versagen sie vor lauter Schmerz ihren Dienst und manchmal scheinen sie sogar hörbar knackend aus der Verankerung zu springen – die Finger. Ab 60 nimmt die Fingergelenkarthrose stark zu, ab 70 sind schon neun von zehn Frauen und acht von zehn Männern betroffen. Längst nicht alle von ihnen leiden. Nur zwischen zwei und 20 Prozent der Betroffenen haben wirklich Schmerzen, aber diese können dann sehr heftig sein.

Häufig trifft es Personen mit Übergewicht

Die Fingergelenkarthrose treibt ihr Unwesen mal in den Fingerendgelenken, mal in den Fingermittelgelenken, nicht selten im Daumensattelgelenk und vielfach an allen Orten zugleich. Prof. Dr. med. Stefan Bachmann ist Rheumatologe an den Kliniken Valens: «Wir wissen, dass die Krankheit mit Übergewicht zu tun hat, weil das Fettgewebe entzündungsfördernde Substanzen produziert. Nicht selten sind Menschen betroffen, die neben Übergewicht auch erhöhte Blutzucker- und Cholesterinwerte sowie zu hohen Blutdruck haben. Es laufen im Körper metabolische Prozesse ab, die die Arthrose fördern können. Wir wissen aber auch, dass die Vererbung eine Rolle spielt, denn die Krankheit kommt familiär gehäuft vor. Mehrere Gene scheinen dafür verantwortlich zu sein. Wenig überraschend ist demgegenüber, dass eine dauerhaft stark belastete Hand mit grösserer Wahrscheinlichkeit an Fingergelenkarthrose erkrankt.»

Was passiert in den Fingergelenken? «Am Anfang jeder Arthrose steht der Knorpelverschleiss, doch Arthrose in den Fingergelenken ist speziell. Das Gelenk möchte den Verschleiss kompensieren und den Druck, der nach dem Knorpelverlust direkt auf den Knochen wirkt, besser verteilen. Darum vergrössert es die Auflagefläche und produziert zusätzliche Knochensubstanz, die als sogenannte Auftreibungen zu sehen ist und die das Gelenk deformieren können. Auftreibungen an den Fingerendgelenken nennt man Heberden-Knoten, an den Fingermittelgelenken Bouchard-Knoten. Im Angelsächsischen spricht man treffender von Osteoarthritis, weil in den Gelenken auch diskrete entzündliche Phänome ablaufen.»

Zuerst den Schmerz bekämpfen

Eine Arthrose, die keine Schmerzen verursacht, muss nicht behandelt werden. Sobald aber Symptome auftauchen, sollte man mit der Therapie beginnen. Und die besteht bei Prof. Bachmann aus drei Säulen. «Zuerst müssen die Schmerzen bekämpft werden, damit das Gelenk weiterhin bewegt werden kann. Dazu verschreibe ich Antirheumatika in Form von Tabletten, die man aber ohne Weiteres mit entzündungshemmenden Salben lokal ergänzen kann, denn Fingergelenkarthrose ist entzündlicher als andere Formen von Arthrose. Damit die Salbe einen ähnlichen Effekt hat wie die Tabletten, muss man das betroffene Gelenk während drei Wochen vier bis sechs Mal pro Tag einsalben. Sobald die Schmerzen nachlassen, soll der Patient mit den Tabletten aufhören und sie erst beim nächsten Schub wieder für ein bis zwei Wochen nehmen.»

Risikofaktoren reduzieren

Wenn die Schmerzen sofort nach Absetzen der Tabletten zurückkommen, empfiehlt Prof. Bachmann als zweite Säule eine langfristige Therapie. «Dann verschreibe ich Chondroitinsulfat. Über längere Zeit eingenommen reduziert das Medikament die Entzündung, nimmt den Schmerz und verbessert die Beweglichkeit. Das ist durch Studien belegt, und ich sehe es auch bei meinen Patienten. Parallel dazu sind die Risikofaktoren zu reduzieren, also belastende Aktivitäten zu meiden, Übergewicht abzubauen und zusammen mit dem Arzt Blutzucker, Cholesterin und Blutdruck einzustellen.»

In Bewegung bleiben

Drittes Standbein der Therapie ist Bewegung. «Die Finger müssen in Bewegung bleiben. Ob Klavier spielen, auf einer Tastatur schreiben oder einfach nur spezielle Übungen machen ist egal. Hauptsache, die Gelenke bleiben kräftig und beweglich. Schonen wäre völlig falsch. Die Schmerzen würden zwar abklingen, aber es ginge auch Muskulatur und Kraft verloren. Letztlich würde die Hand immer weniger brauchbar.» Kann man die kosmetisch unschönen Knochenauftreibungen chirurgisch entfernen? «Es würde nichts nützen, denn ein verletzter Knochen reagiert mit Knochenneubildung, also genau mit dem, was man vorher entfernt hat. Mein Tipp: Wer Schmerzen hat oder bei sich den Ansatz solcher Auftreibungen entdeckt, sollte die Finger dem Arzt zeigen, damit allenfalls Handübungen und medikamentöse Therapien eingeleitet werden können und so die Handfunktion lange erhalten bleibt.»

Das ist Arthrose

Arthrose bezeichnet einen langsam fortschreitenden Abbau von Gelenkknorpel. Arthrose kann Gelenkschmerzen verursachen und die Beweglichkeit stark einschränken. Am häufigsten betroffen sind Kniegelenk, Hüftgelenk und Fingergelenke. Arthrose ist die weltweit häufigste Gelenkerkrankung. 600 000 Schweizerinnen und Schweizer leiden an Arthroseschmerzen, Tendenz steigend. Auch wenn die Arthrose ein langsamer Prozess ist, sollten die Beschwerden rasch abgeklärt werden. Nur der Arzt kann andere, eventuell sogar schwerwiegendere Erkrankungen ausschliessen. Und: Die Arthrosebehandlung wirkt umso besser, je früher man damit beginnt.

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Prof. Dr. med. Stefan Bachmann
Dieser Eintrag wurde veröffentlicht am 18.08.2022.

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