Vertrauen, Mitgefühl und Verständnis

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Meine Schmerzlektionen, Teil 14. Agnes Richener verrät ihre besten Tipps gegen Schmerzen. Trick Nummer 14: Machen Sie möglichst früh in einer Selbsthilfegruppe mit. Das wird Sie und Ihre Schmerzen verändern.

Die Selbsthilfegruppen für Schmerzpatienten haben sich im Laufe der Jahre sehr verändert – und das zum Positiven. Früher nannte man sie Jammergruppen, heute wird darauf geachtet, dass die Selbsthilfegruppen gut strukturiert sind. Jede Gruppe entwickelt eine Eigendynamik und funktioniert mit der Zeit autonom. So soll es auch sein.

Ein paar wichtige Punkte, wenn man bei einer Selbsthilfegruppe zum Thema Schmerzen und Schmerztherapie mitmacht:

  • Bin ich bereit und in der Lage, regelmässig an den Gruppentreffen teilzunehmen?
  • Bin ich in der Lage, mir auch die Probleme der Anderen anzuhören und sie zu ertragen?
  • Möchte ich in einer Selbsthilfegruppe mitmachen, die von direkt Betroffenen und nicht von Fachpersonen geleitet wird?
  • Bin ich mir im Klaren darüber, dass die Selbsthilfegruppe kein Ersatz für eine Schmerztherapie und eine ärztliche Betreuung ist, sondern eine Ergänzung sein kann?
  • Bin ich bereit, meinen Spielraum zu nutzen und Veränderungen zuzulassen, die meine Situation verbessern?

Wichtige Regeln für eine Selbsthilfegruppe sind:

  • Sie setzt sich ausschliesslich aus Betroffenen zusammen.
  • Es sind alle gleichgestellt.
  • Diskretion muss gewährleistet sein (nichts geht nach aussen).
  • Sie benötigt kein oder wenig Geld (Raummiete).
  • Die Gruppe sollte nicht zu gross sein (12 Personen).
  • Man sollte miteinander ein Ziel anstreben.
  • Sie ist politisch und konfessionell neutral.

Leider vergeht oft kostbare Zeit, bis sich Betroffene für eine Selbsthilfegruppe entscheiden können, oft auch deshalb, weil es immer noch Ärzte gibt, die davon abraten. Weshalb sie das tun, kann ich nur damit erklären: sie haben Angst, den Patienten nicht mehr so oft in der Praxis zu sehen.

Man weiss, dass Menschen, die in einer Selbsthilfegruppe mitmachen, weniger den Arzt aufsuchen. Es ist auch unbestritten, dass die meisten Menschen einen Bewusstwerdungsprozess durchlaufen, wenn sie eine Selbsthilfegruppe besuchen.

Kaum jemand kann nachvollziehen, wie wichtig es für die Schmerzpatienten ist, endlich Menschen gegenüberzusitzen, die sich im selben Boot befinden. Sich endlich wieder dazugehörig zu fühlen, ist wie Balsam für die leidende Seele.

Seit zehn Jahren bin ich nun im Aufbau und der Leitung von Selbsthilfegruppen tätig. Ich habe in diesen Jahren einiges gelernt und auch sehr viel bekommen – Vertrauen, Mitgefühl, Toleranz, Geduld, Verständnis, Dinge die einen wertvollen Menschen ausmachen. Ja, all das kann eine Selbsthilfegruppe den Menschen mit auf den Weg geben.

Im Laufe der Jahre habe ich festgestellt, dass eine Selbsthilfegruppe mit einer Leitung/Ansprechperson besser funktioniert, als wenn die Leute ganz sich selbst überlassen sind. Die Rheumaligen so wie die Selbsthilfezentren bieten immer wieder Kurse an zur Weiterbildung von Selbsthilfegruppe-Leiter/innen, die ich nur empfehlen kann. Man lernt dort, wie man mit der eigenen Situation und mit anderen Betroffenen umgeht. Wie sprechen wir miteinander, damit es keine Eskalationen gibt? Die Betroffenen haben durch ihr langes Leiden oft verlernt, mit sich selbst und ihrem Gegenüber behutsam umzugehen. Dem Gegenüber zuzuhören und ihm mit Respekt zu begegnen, braucht oft auch die nötige Geduld. Man lernt auch,  zuzuhören ohne zu werten. Auch sollte es in der Leitung einer Selbsthilfegruppe kein Machtverhalten geben.

Einander mit dem nötigen Respekt beistehen ist entscheidend, denn alle sind betroffen, doch jeder ist für sich ein Individuum und empfindet anders. In der Gruppe gibt es kein besser oder schlechter, sondern einfach nur anders.

In einer Selbsthilfegruppe darf und soll auch gelacht werden, denn Humor ist etwas Wunderbares und hilft uns zu gesunden. Auch mal über sich selbst lachen zu können kann die Last der Seele sehr erleichtern.

Der englische Schriftsteller John Gay sagte mal. „Das aufrichtigste Mitgefühl empfindet, wer den Schmerz aus eigener Erfahrung kennt.“

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