Ist Sex-Sucht eine reine Erfindung, eine billige Ausrede für untreue Männer oder aber eine durchaus ernste Krankheit, die ein paar Prominente mit ihrem Macho-Gehabe in Verruf gebracht haben? Sexsucht oder Hypersexualität sind heute eine anerkannte psychische Störung. Von Sexsucht betroffen sind mit einem Anteil von rund 80 Prozent, vor allem Männer. Da die Grenzen zwischen normalem sexuellen Verlangen und krankhaftem Verhalten fliessend sind, ist nicht die Quantität sexueller Aktivitäten entscheidend, sondern der Leidensdruck, sowie die Behinderung im Alltag.
Leidensdruck und Kontrollverlust
Betroffene sind ständig auf der Suche nach sexueller Befriedigung, erleben aber kaum einen sexuellen Höhepunkt und können keine innere Bindung zum Gegenüber aufbauen. Gerade diese unbefriedigenden sexuellen Erlebnisse veranlassen den Sexsüchtigen dazu, die Jagd nach sexueller Erfüllung fortzuführen. Dabei kommt es wie bei einer stofflichen Sucht auch bei der Sexsucht zu Dosissteigerung und psychischen Entzugssymptomen. Der Alltag wird zunehmend eingeengt, bis er sich fast nur noch um das Ausleben der sexuellen Wünsche dreht. Typisch für das Suchtverhalten ist auch der Kontrollverlust. Soziale und berufliche Aufgaben werden zunehmend vernachlässigt. Trotz dem enormen Leidensdruck gelingt es den Betroffenen nicht, das schädliche Verhalten zu unterlassen. Oft zeigt sich eine Vorliebe für anonymen Sex. So werden gezielt Orte aufgesucht, wo Sexkontakte mit Unbekannten möglich sind, wie Parkanlagen, Swinger- und Saunaclubs. Oder die Betroffenen zahlen für sexuelle Aktivitäten am Telefon oder in Bordellen.
Innere Leere und Schuldgefühle
Ein solches Verhalten dient dazu, Schwierigkeiten, negative Gefühle, wie schlechte Laune oder Misserfolge, zu bewältigen. Andere Handlungsmöglichkeiten werden erst gar nicht in Erwägung gezogen. Dabei spielen Intimität und Nähe zu anderen Menschen bei Sexsüchtigen eine untergeordnete Rolle. Sex wird als etwas Unpersönliches betrachtet und dient als Universalmittel der Bedürfnisbefriedigung. Das hat zuerst eine durchaus betäubende Wirkung. Lässt die Betäubung nach, folgen meist starke Schuldgefühle. Oft quälen die Patienten auch Depressivität, Angst und innere Leere. Sex erscheint ihnen als einzige Möglichkeit, solche Gefühle zu mildern.
Sexsucht wird meist erst spät erkannt, oft erst, wenn es zu Straftaten gekommen ist oder wenn das sexsüchtige Verhalten die Betroffenen in den beruflichen oder finanziellen Ruin getrieben hat. Wie für Süchtige typisch, werden die Probleme meistens aus Scham verleugnet. Die Wahrscheinlichkeit, dass Sexsüchtige ohne professionelle Hilfe aus der Sucht finden, ist gering, weil die Fähigkeit, das süchtige Verhalten zu steuern, mehr und mehr abnimmt. Bei einer guten Therapie besteht aber eine günstige Prognose.
100 Tage Zölibat
Die Behandlung der Sexsucht erfordert in einer ersten Phase den vollständigen Verzicht auf jegliche sexuellen Aktivitäten für einen klar definierten Zeitraum. In der Regel dauert das Zölibat 100 Tage. Der Betroffene muss sich in dieser Zeit zwangsläufig mit seinen unterdrückten Gefühlen auseinandersetzen und sich mit seinem eigentlichen Schmerz befassen. Mit Hilfe seines Therapeuten bringt er auch in Erfahrung, welche Dinge im Leben der Auslöser für seine sexuelle Konfliktbewältigung waren und ab wann eine Gewöhnung einsetzte. Gleichzeitig sollte er wieder lernen, Intimität ohne Sexualität zu erleben und negative Gefühle zuzulassen, ohne sie mit Sex zu verdrängen. Ziel ist es, dem Sexsüchtigen eine Möglichkeit zu geben, zunächst eine gesunde Beziehung zu sich selbst aufzubauen, weil dies erst die Beziehung zu anderen und zur Sexualität ermöglicht. Die Behandlung der Sexsucht kann unterstützt werden durch Antidepressiva, welche die sexuelle Getriebenheit und eine oft begleitende depressive Symptomatik lindern können.
Sind Sie sexsüchtig? Machen Sie den Test!
Hypersexualität liegt vor, wenn über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten drei der folgenden fünf Punkte erfüllt sind:
- Die Zeit, die für sexuelle Fantasien aufgewendet wird, gefährdet andere Ziele.
- Die Beschäftigung mit Sex erfolgt wiederholt als Reaktion auf seelische Verstimmung.
- Die Beschäftigung mit Sex erfolgt wiederholt als Reaktion auf belastende Erlebnisse.
- Es kommt zu wiederholten, aber vergeblichen Versuchen, die sexuellen Fantasien, den Drang oder das Verlangen zu kontrollieren oder deutlich zu reduzieren.
- Ihr sexuelles Verhalten nimmt keine Rücksicht, weder auf sich selber noch auf andere.
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