Ganz herzlich möchte ich mich bedanken für die grossartigen Berichte, die ich jede Woche lesen darf. Ich bin sehr berührt von den vielen Menschen, die sich in ihrer Not mit viel Geduld selber helfen. Auch ich helfe mir seit vielen Jahren, habe ich doch in meiner Kindheit viele schwerwiegende Misshandlungen erdulden und überleben müssen.
Ich habe gelernt, mich richtig zu ernähren. Viel mehr Arbeit machen mir die seelischen Verletzungen. Eigene Bedürfnisse? Nein, das gab es nicht. Etwas zu wollen war lebensgefährlich. Unter solchen Umständen ist es sehr schwierig, Gefühle oder Bedürfnisse zuzulassen, für sich selbst einzustehen, sich selbst gern zu haben.
Ich bin in Ordnung
Ich musste lernen, meine Bedürfnisse richtig zu heissen, auch gerade, wenn ich Süssigkeiten brauchte, um den aufkommenden, unerträglichen Schmerz des Ungeliebtseins unten zu halten – auch dann bin ich in Ordnung. Ich musste lernen, dass das Kind in mir unschuldig war an den ihm angetanen Verletzungen, dass es dringend Beruhigung brauchte, um nicht unterzugehen in seinen vermeintlichen Schuldgefühlen. Erst als ich die Ursachen von meinen Symptomen kannte, konnte ich mich beruhigen, ohne im Übermass zu essen.
Das Kind lernt, dass es selber schuld ist, dass es ein böses Kind ist, wenn seine ganz normalen Bedürfnisse nach Nahrung, Geborgenheit und Liebe bestraft wurden. Oft sagen Eltern ihren Kindern leider nicht, dass sie selber ungeliebte, gequälte Kinder waren. Niemand half ihnen zur Klärung. So geschieht es, dass Eltern nicht ertragen, an ihre Bedürfnisse, an ihre Kindheit erinnert zu werden – und schädigen ihre Kinder weiter, wie sie es selber erdulden mussten. So hat das Kind gelernt, dass es nicht richtig ist mit seinem Hunger, und es versucht, seinem Hunger so gut wie möglich auszuweichen, ihn zum Beispiel mit Süssigkeiten so schnell wie möglich abzustellen. Zucker gelangt schnell ins Blut und beruhigt.
Sie trifft keine Schuld
Ich möchte Allen, die Mühe haben mit Abnehmen, versichern, dass sie absolut keine Schuld trifft, sondern dass das Kind in ihnen, das sie einmal waren, sie warnt, bedürftig sein zu dürfen, sich richtig zu heissen, sich zu helfen. Versuchen Sie, Ihr Kind, das Sie einmal waren, an die Hand zu nehmen, auf Ihren Schoss, ihm zu sagen, dass heute keine Gefahr mehr besteht, wenn Sie sich helfen wollen. Erklären Sie ihm, wieso Sie sich nicht richtig und gesund ernähren durften, wieso Sie nein sagen mussten, wenn Sie ja meinten. Wieso Sie nicht zu Ihrer Meinung stehen durften. Das Kind gibt Ihnen Antwort. Fragen Sie immer wieder nach, was es zu sagen hat, zu Ihrer heutigen Situation, Ihrer Befindlichkeit – vor allem dann, wenn Sie sich unsicher fühlen. Haben Sie keine Angst. Es kann Ihnen heute nichts mehr passieren, wenn Sie jetzt beginnen, sich richtig zu heissen und Ihr Handeln immer zu begründen. Ich kann ein falsches Essen, zu viel Alkohol durchaus berechtigen, aber nicht ohne Begründung, sonst bleiben Schuldgefühle zurück.
Ich wünsche Ihnen viel Mut, im neuen Jahr Sorge zu tragen, zu sich selbst und zu den Anderen.