Die sieben goldenen Regeln, um besser alt zu werden. Ein Blick über die Schultern von Irene Landis, 82, aus Beinwil am See AG.
In unserer Zeit wird Alter sehr gegensätzlich erlebt. Auf der einen Seite gibt es einen noch nie da gewesenen Jugendwahn. Auf der anderen spricht man von der goldenen Generation und von Best Agers. Das Defizitmodell, nachdem es ab dem 40. Lebensjahr nur noch bergab geht, ist heute überholt. Das modernde Verständnis von Alter basiert auf einem Ressourcenmodell, das nicht fragt, was ich nicht mehr kann, sondern was ich immer noch kann oder wieder neu kann. Die 82-jährige Irene Landis aus Beinwil am See verrät uns ihre sieben goldenen Regeln für ein glückliches Alter.
Regel 1: Abschied und Neuanfang
Alter ist Abschied und Neuanfang. Jeden Tag. Wer das nicht begreift, wird nicht glücklich alt. Alter kann und soll Spass machen. Lustvoll und frei von Zwängen. Irene Landis liebt die Freiheit und stemmt die Dinge gerne selber. Auch nach dem Tod ihres Mannes hat sie sich nicht fallen lassen. «Man muss das Leben annehmen, wie es kommt. Dinge loslassen und Neues zulassen. Häufig ist die Krankheit eines Partners die grössere Herausforderung als der Abschied von ihm. Natürlich geht nicht mehr alles so leicht von der Hand wie früher. Soll man darum aber verzagen? Nein, im Gegenteil! Aktiv bleiben und sich immer wieder von Neuem dem Leben stellen», sagt sie.
Regel 2: In Bewegung investieren
Selbst Hochbetagte profitieren von körperlicher Aktivität oder einfachem Training. Der Kraftzuwachs beträgt dabei bis zu 200 Prozent. Irene Landis: «Ich gehe jede Woche ins Seniorenturnen. Die Leiterin hat uns letzthin mit Luftballons überrascht. Nicht, weil jemand Geburtstag hatte, nein. Mit den Ballons haben wir spannende Übungen gemacht.» Auf dem Kopf balancieren, um den Körper herum rollen, ohne ihn zu aus der Hand zu verlieren. Eine Herausforderung für den Gleichgewichtssinn, für die Beweglichkeit und die Koordination. «Gar nicht so einfach, wenn man das zum ersten Mal macht.» Hausarbeit, Gartenpflege und ausgedehnte Spaziergänge in der Natur ergänzen die Aktivitäten der 82-Jährigen. Und: «Im Sommer gehe ich an den Hallwilersee und schwimme eine Runde. Aber 20 Grad muss das Wasser schon haben.»
Regel 3: Richtig essen
Ältere Menschen sind häufig von Mangelernährung und unzureichender Versorgung mit Nährstoffen betroffen. Auch Ballaststoffe und die Eiweissversorgung sind im Alter sehr wichtig. Irene Landis: «Ich fülle den Bauch nicht nur mit Kafi und Schoggi, sondern koche jeden Tag eine warme Mahlzeit mit frischen Zutaten.» Übergewicht kennt die 82-Jährige deshalb nur vom Hörensagen. «Meine Kolleginnen klagen immer, dass alles so viele Kalorien hat. Aber beim Kaffeekränzchen kann das eigene Stück Kuchen nicht gross genug sein. Am liebsten grösser als das der Tischnachbarin.»
Regel 4: Gedächtnis trainieren
Mit dem Gehirn ist es wie mit jedem anderen Körperteil: Benutzt man es, bleibt es leistungsfähig. Irene Landis trainiert ihr Gehirn und stellt sich immer wieder neuen Situationen. Zum Beispiel beim Jassen. Oder im Strassenverkehr mit dem Auto. «Meistens bin ich in der näheren Umgebung unterwegs. Aber nicht einfach auf ein Fährtchen ins Blaue mit den alten Damen. Wenn auf der Rückbank die ganze Zeit geredet wird, lenkt mich das nur ab. Ich bin lieber konzentriert, während ich durch unseren Kreisel fahre oder über die grosse Kreuzung, wo Fussgänger, Eisenbahn und Autos gleichzeitig aufeinandertreffen.»
Regel 5: Arbeiten, so lange man Lust dazu hat
Teilzeitarbeit und Freiwilligenarbeit im Alter sind stark im Kommen. In den jüngeren Rentnergenerationen nimmt die Zahl älterer Männer und Frauen zu, die auch im höheren Lebensalter fachlich und beruflich kompetent und motiviert bleiben. Alle Studien belegen, dass aktive Engagements wesentlich zu einem erfolgreichen Altern beitragen. Wie bei Irene Landis: Die gelernte Gärtnerin hat bis zum 62. Lebensjahr Teilzeit im Gartencenter gearbeitet. Darüber hinaus war sie viele Jahre für den Blumenschmuck im Schloss Hallwyl zuständig. Für ein paar Stunden an jeweils zwei Tagen pro Woche. «Erst letztes Jahr mit 81 habe ich diese Arbeit in jüngere Hände gegeben.»
Regel 6: Massvoll mit Alkohol umgehen
Alkoholprobleme bei älteren Menschen werden kaum diagnostiziert und bleiben oft lange Zeit unentdeckt. Man gönnt den Betagten ihr Gläschen, heisst es verniedlichend. Aber Vorsicht: Mit zunehmendem Alter überschreitet man die Promillegrenze schneller. Damit steigt die Unfallgefahr, zum Beispiel im Strassenverkehr oder im Haushalt. Alkohol ist zudem ein untaugliches Schlafmittel: Er beeinträchtigt die erholsamen Phasen des Schlafes, erzeugt oft paradoxe Reaktionen und provoziert verhängnisvolle Stürze. Irene Landis: «Ich trinke ab und zu zum Mittagessen ein Gläschen Wein. Auf keinen Fall abends, denn das putscht mich auf, und dann kann ich nicht gut schlafen.»
Regel 7: Sich gegen Depression wappnen
Depression im Alter hat viele Gesichter. Sie ist häufiger als jede andere Krankheit in dieser Lebensphase. Von den über 65-Jährigen, die zu Hause leben, haben rund zehn Prozent eine behandlungsbedürftige Depression. Wirksame Mittel dagegen: umfassende soziale Unterstützung, möglichst viele zwischenmenschliche Kontakte, angepasste neue Aufgaben sowie eine gute Tagesstruktur. Mit ihren vielfältigen Aktivitäten ist Irene Landis gegen Depression bestmöglich gewappnet. Sie geniesst das gesellschaftliche Leben, macht im Seniorenturnen mit und hat 60 Jahre aktiv im Frauenchor gesungen. Bis letztes Jahr. Warum jetzt nicht mehr? «Nach 60 Jahren mochte ich den Dirigentenwechsel nicht mehr mitmachen. Aber vor allem wollte ich rechtzeitig aufhören, bevor mich die jüngeren Kolleginnen am Händchen führen und für mich die Notenblätter sortieren müssen, weil ich dazu nicht mehr in der Lage bin.»
Ginkgo fürs Gehirn
Vergesslich geworden? Mühe mit der Konzentration? Voraussetzung für die optimale Funktion des Gehirns ist seine gute Durchblutung. In erster Linie erhöht Bewegung die Durchblutung bis in die kleinsten Gefässe. Doch es gibt auch andere Hilfsmittel, denen solch eine Wirkung zugeschrieben wird. Stichwort: Ginkgo-Baum. Aus seinen Blättern stellt man einen Extrakt her, der die Leistungsfähigkeit des Gehirns steigern kann. Sowohl Lernvermögen als auch Denkfähigkeit und zerebrale Neurotransmission können damit verbessert werden. Ginkgo-Extrakt gilt allgemein als durchblutungsfördernd und geniesst den Ruf eines milden mentalen Stärkungsmittels. Zudem hat er kaum Nebenwirkungen, was seine Anwendung unproblematisch macht. Flavonoide und Terepenoide sollen für die positiven Wirkungen aufs menschliche Gehirn verantwortlich sein. Studien können diese Effekte nachweisen. Damit die gewünschte Wirkung eintritt, müssen die Extrakte regelmässig eingenommen werden. Ginkgo-Präparate sind in Apotheken und Drogerien erhältlich.