Jeder Mensch mit Demenz hat das Recht auf eine frühzeitige Diagnose. Jeder Mensch mit Demenz hat das Recht auf Behandlung und Zugang zu Therapien, sei das medikamentös und nicht-medikamentös. Jeder Mensch mit Demenz hat das Recht auf eine umfassende Unterstützung nach der Diagnose. Jeder Mensch mit Demenz hat das Recht auf eine personen-konzentrierte, koordinierte und qualitativ hochstehende Betreuung und Pflege während des ganzen Krankheitsverlaufs. Jeder Mensch mit Demenz hat das Recht, als Individuum innerhalb der Gemeinschaft respektiert und integriert zu sein. Das steht in der Deklaration von Glasgow, lanciert von Alzheimer Europa, mitunterzeichnet von der Schweizerischen Alzheimervereinigung.
Diagnose muss so früh wie möglich gestellt werden
Leider sind wir noch weit weg von diesen so selbstverständlich erscheinenden Maximen. In der Schweiz haben heute schätzungsweise nur gerade mal 50 Prozent der Menschen mit Demenz eine Diagnose. Eine Diagnose bedeutet Zugang zu Beratung, Behandlung und Betreuung. «Die Diagnose Demenz muss so früh wie nur möglich gestellt werden», sagt Stefanie Becker, Geschäftsleiterin der Alzheimervereinigung «Wir müssen die Warnzeichen noch viel eindringlicher bekannt machen und die Früherkennung verbessern. Demenz ist zwar nicht heilbar, aber behandelbar. Medikamente und Therapien können den Krankheitsverlauf verlangsamen und tragen zu einem besseren Leben bei. Erfolgt die Abklärung frühzeitig, können Menschen mit Demenz wichtige Entscheide noch selbst treffen.»
Es gibt ein Leben mit Demenz
Demenz gilt als die Geissel des Alters, als das grosse Schreckgespenst, der schwerste nur denkbare Schicksalsschlag. Das ist nur die halbe Wahrheit. «Es gibt ein Leben mit Demenz, und zwar ein durchaus gutes und menschwürdiges, für die Betroffenen und die Angehörigen», sagt die Gerontologin und Psychologin. «Was es braucht, sind Integration und Inklusion – oder auf Deutsch – ein Leben, das so normal ist wie nur irgendwie möglich.» Das heisst, Schluss mit jeder Form der Ausgrenzung und Stigmatisierung. Es braucht Bedingungen, die es Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen ermöglichen, ein gutes, möglichst normales Leben mit der Krankheit zu führen. «Statt sich zu isolieren, sollen sie aktiv am Leben teilnehmen können und wollen. Dazu braucht es eine geeignete Umgebung. Menschen mit Demenz brauchen spezifische Behandlung und Betreuung. Das erfordert Zeit und Wissen. Und die betroffenen Familien brauchen Unterstützung und Entlastung.»
Individuelle Betreuung und Beratung
Wie das im Idealfall funktioniert, zeigt ein von der Alzheimervereinigung initiiertes und gemeinsam mit Pro Senectute umgesetztes Pilotprojekt im Kanton Aargau mit dem Namen «zugehende Beratung» eindrücklich. Mit Hausbesuchen und Familiengesprächen gelang es, die Betroffenen und ihre Nahestehenden wirksam zu begleiten und zu unterstützen sowie die Stabilität der häuslichen Pflege zu erhöhen. Stefanie Becker: «Ein solches Angebot entspricht ganz offensichtlich dem grossen Bedürfnis, nach einer Diagnose individuelle Betreuung und Beratung zu erhalten. Dadurch wird es möglich, trotz der Erkrankung länger zu Hause zu wohnen – ein grosser Wunsch der Menschen mit Demenz und der Angehörigen. Denn gezielte Beratung hilft, Krisensituationen, Notfallhospitalisierungen, Erschöpfungszustände, verfrühte Heimeinweisung etc. zu vermeiden.»
Angehörige konsequent unterstützen und stärken
Demenz ist vor allem auch eine Krankheit der Angehörigen. In der Schweiz leben schätzungsweise über 58 000 Menschen mit Demenz zu Hause und werden grösstenteils von Angehörigen und nahestehenden Personen betreut. Die Situation für sie verändert sich aufgrund des Verlaufes der Demenz dauernd, oft von einem Tag auf den anderen. Das macht ihre Aufgabe enorm anspruchsvoll und belastend. «Die Betreuenden sind oft ebenfalls betagt, und das Risiko, aufgrund der Belastung selbst zu erkranken, ist gross», sagt Stefanie Becker. «Deshalb müssen die Angehörigen so konsequent wie nur möglich unterstützt und gestärkt werden. Ihre wichtige Rolle muss in der Gesellschaft endlich anerkannt werden. Es braucht flexible und vor allem bezahlbare Entlastungen wie Tages- und Nachtstätten, temporäre Plätze in Pflegeheimen, die auch kurzfristig beansprucht werden können, Entlastungsdienste zu Hause und so weiter.» Sehr gute Beispiele sind Tageszentren wie die «Centri diurni» von Pro Senectute im Tessin und der Entlastungsdienst «Alzamis» der Alzheimervereinigung Waadt.
Wie wichtig eine koordinierte Demenzstrategie ist, zeigen allein schon die Prognosen für die Zukunft. Bereits heute leben in der Schweiz 119 000 Menschen mit Demenz. Ihre Zahl wird sich bis 2050 auf über 300 000 verdreifachen. Von diesen internationalen Schätzungen muss im Moment noch ausgegangen werden.
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Alzheimervereinigung und Pro Senectute: Zwei starke Partner
Die Schweizerische Alzheimervereinigung verfolgt das Ziel, Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen in allen Stadien der Krankheit in die Gesellschaft zu integrieren. Eine rechtzeitige Diagnose und frühzeitige medizinische und soziale Interventionen fördern nachweislich die Autonomie und die Lebensqualität der Menschen mit Demenz und ihrer Nahestehenden. Alle Personen, die Hilfe leisten, betreuen und pflegen – Angehörige, beruflich Betroffene und Freiwillige – sollen zielgerichtet ausgebildet, unterstützt und begleitet werden. Heute hat die Schweizerische Alzheimervereinigung mehr als 10 000 Mitglieder und über 130 000 Gönnerinnen und Gönner. In den letzten 25 Jahren hat sie sich zu einem Kompetenzzentrum für das Leben mit Demenz entwickelt. Die Kernbereiche der Alzheimervereinigung umfassen Information und Beratung, Unterstützung für Menschen mit Demenz und für Angehörige, Aus- und Weiterbildung, Wissen und Forschung sowie Interessenvertretung gegenüber Politik und Öffentlichkeit.
Pro Senectute setzt sich seit bald 100 Jahren für ältere Menschen und deren Angehörige ein. Pro Senectute ist die grösste Fach- und Dienstleistungsorganisation der Schweiz und berät Seniorinnen und Senioren kostenlos in über 130 Beratungsstellen schweizweit. Mit vielfältigen Dienstleistungen und spezifischen Angeboten unterstützen über 1000 Mitarbeitende und 15 000 Freiwillige die ältere Bevölkerung in allen Belangen rund um das Alter. Über eine halbe Million Menschen im Pensionsalter sowie deren Angehörige nutzen die Angebote.