So war es kein Leben mehr

Migraene

Mein Name ist Andrea. Ich bin 48 Jahre alt. Meine zwei Kinder sind nun erwachsen, jedoch wohnen sie noch zu Hause bei mir und meinem Ehemann. Meine Leidenschaft für das Schwimmen habe ich bereits seit meiner Kindheit und Zumba tanze ich seit zwei Jahren.

Die Migräne wurde 1995 diagnostiziert, als ich 32 Jahre alt war. Ich bin zum Arzt gegangen, weil ich auf einem Auge immer wieder schlecht sah und die Dinge nur noch verschwommen wahrgenommen habe. Mein Hausarzt hat mich ins Spital geschickt, damit sie dort meinen Kopf röntgen können. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch keine Kopfschmerzen. Deshalb war ich vom Befund, dass ich Migräne mit Begleiterscheinungen haben soll, völlig überrascht. Als ich mich mit meiner Diagnose beschäftigte, wurde mir klar, dass ich die Symptome schon als Kind hatte.

Eine stressige Zeit

Bis ins Jahr 2013 konnte ich mehr oder weniger normal leben, und ich fühlte mich nicht gross eingeschränkt. Doch dann wurde mein Leben auf den Kopf gestellt, und es kamen viele Schicksalsschläge auf meine Familie und mich zu. Es schien kein Ende zu nehmen. Angefangen hat es mit der Demenz meines Schwiegervaters. Wir mussten unseren Familienalltag komplett umgestalten, um sicherzustellen, dass er noch alleine in seinem Haus wohnen konnte. Wenn die Nachbarn etwas Ungewöhnliches feststellten, haben sie mich angerufen, und ich bin unverzüglich zu ihm gegangen. Das war eine sehr belastende und stressige Zeit.

Noch im selben Jahr wurde bei meiner Schwester Lungenkrebs diagnostiziert. Kurze Zeit später starb sie. Meine andere Schwester überlebte einen Helikopterabsturz. Danach ging es ihr psychisch schlecht, und sie musste erst wieder Boden unter die Füsse bekommen.

Es blieb keine Zeit zum Durchatmen, denn auch bei meiner ältesten Schwester wurde Krebs diagnostiziert. Sie litt an Brustkrebs. Die Chemotherapie schlug an und sie besiegte den Krebs, doch die Angst, dass er zurückkommt, bleibt.

Ich stiess an meine Grenzen

Bei meinem Schwager wurde ein Abszess im Hirn gefunden. Die Hirnhautentzündung setzte ihm schwer zu, und auch er hatte einen langen Weg der Genesung vor sich. Meine Schwägerin starb überraschend mit 55 Jahren, und eine Woche später fand auch mein Schwiegervater seine ewige Ruhe. Diese Ereignisse belasteten mich psychisch wie auch physisch enorm. Immer wieder stiess ich an meine Grenzen. Meiner Mutter, die im selben Haus wohnt, gingen die Ereignisse auch sehr nahe. Auch um sie musste ich mich zunehmend kümmern.

Als die turbulente Zeit abklang und ich nicht mehr nur für andere funktionieren musste, ging es mir rapide schlechter. Nun machte sich die Migräne in ihrem vollen Ausmass bemerkbar. Zwar hatte ich wieder mehr Zeit für meine Hobbys. Doch die Migräne machte mir einen Strich durch die Rechnung. Ich hatte andauernd Kopfschmerzen. Das wirkte sich auf meine Psyche aus, und ich war auch immer mehr gereizt.

Cola und Zucker halfen nicht

Wenn ich einen Migräneanfall hatte, wusste ich oft nicht mehr, was ich machen sollte. Zu Beginn versuchte ich es mit Cola und Zucker. Bis zu sechs Würfelzucker ass ich aufs Mal. Aber auch das half nicht viel. Meine Kopfschmerzen führten dazu, dass ich tagelang flachlag oder in der Wohnung umhertigerte, weil ich nicht wusste, ob ich liegen oder stehen soll. In keiner Position fühlte ich mich wohl.

Mein Hausarzt verschrieb mir ein Migränemittel. Zu Beginn half es mir, und ich konnte meinen Alltag wieder normal bewältigen. Jedoch musste ich immer öfter eine Tablette nehmen, weil sie zunehmend ihre Wirkung verlor. Die einfachsten Dinge wie die tägliche Arbeit fielen mir schwer. Ich arbeite in einer Bäckerei und fahre mit dem Znüni zu Firmen in der Umgebung. Da ich den Kunden sehr nahe bin, musste ich meine Schmerzen überspielen und so tun, als wäre nichts.

Schmerzen den ganzen Tag

Mein Alltag zog nur noch an mir vorbei und die Kopfschmerzen bestimmten meinen Tagesablauf. Immer wieder ging ich zu meinem Hausarzt. Weil er mir nicht mehr weiterhelfen konnte, überwies er mich an einen Neurologen. Dr. Andreas Baumann vom Neurozentrum Oberaargau erzählte mir von einem neuen Medikament, das einmal im Monat gespritzt wird und sich individuell dosieren lässt. Zu verlieren hatte ich nichts mehr, deshalb willigte ich ein. Ich musste aber ein Tagebuch über meine Migräne führen.

Eine Spritze hat geholfen

Weil sämtliche Alternativen zur Behandlung ausgeschöpft waren, musste die Krankenkasse die Kosten übernehmen. Im Dezember 2019 erhielt ich die erste Spritze, und meine Kopfschmerzen waren auf einmal weg. Mir war es das erste Mal seit Jahren möglich, meinen Alltag selbst zu bestimmen. Und auch wieder Freude an den Dingen zu haben, die ich gerne mache. Denn mit der Migräne war vieles eine Qual. Das Migränetagebuch muss ich weiterführen. Zu meiner Freude gibt es noch keinen Eintrag, seitdem ich die Spritze bekomme.