Sogar Skifahren ist möglich

Die gestiegene Lebenserwartung und die Freizeit- und Sportgesellschaft ­fordern ihren Tribut. Prof. Victor Valderrabano über die Arthrose des oberen Sprunggelenks und Fortschritte in der Therapie.

Sprunggelenk Aufmacherbild

Wie häufig sind Arthrosen des oberen Sprunggelenks?
Sie sind zwar weniger häufig als Knie- und Hüftarthro­se, nehmen aber stetig zu. Gründe dafür sind die gestiegene Lebenserwartung sowie die wachsende Anzahl von Sprunggelenksverletzungen in der Freizeit und beim Sport.

Wie entsteht eine solche Arthrose?
Die häufigste Ursache für eine Arthrose im Sprunggelenk ist zu rund 70 Prozent posttraumatisch, das heisst, sie entsteht nach einem früheren Unfall, sei es ein Bruch, eine chronische Bandinstabilität, was zum Umknicken führt, oder ein Knorpelschaden. Weitere Ursachen sind rheumatoide Arthritis oder andere Gelenksentzündungen sowie Fussfehlstellungen wie der Knick-Senkfuss oder der Hohlfuss im Endstadium.

Wie stark leiden die Patienten?
Die Arthrose des oberen Sprunggelenks ist recht schmerzhaft, da am Sprunggelenk eine circa drei- bis vierfache Körpergewichtsbelastung herrscht, und das bei normalem Gehen. Beim schnellen Laufen oder Rennen sind die Belastungen noch höher. Zudem sind diese Sprunggelenksarthrosen häufig in der Achse gekrümmt. Das führt zu starken punktuellen Gelenksbelastungen, die sehr weh tun.

Was für Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Zuerst behandelt man stets konservativ: Schmerzmittel, Physiotherapie, Einlagen, intraartikuläre Infiltrationen zur Regeneration des Knorpels, gegebenenfalls orthopädische Spezialschuhe. Falls dies nicht mehr möglich ist, kommt die operative Therapie in Frage. Zuerst, falls möglich, gelenkserhaltende Chirurgie. Das heisst Achsenkorrekturen, Knorpelchirurgie, Bänder- und Sehnenchirurgie. Wenn die gelenkserhaltende Chirurgie nicht möglich ist – Patient zu spät gekommen, Arthrose zu fortgeschritten – hat man zwei Optionen: Prothese, das heisst ein künstliches Gelenk, oder Versteifung.

Die Versteifung ist immer noch für viele Patienten ein Schreckgespenst. Zu Recht?
Die Versteifung ist die traditionelle Therapie und letzte Stufe in der Behandlung der endgradigen Arthrose des oberen Sprunggelenks. Die Versteifung bewirkt eine gute Schmerzlinderung, im Stil: Was sich nicht mehr bewegt, tut auch nicht mehr weh. Viele Patienten brauchen diese Behandlung, zum Beispiel ein Schwerarbeiter. Eine Versteifung kann jedoch im Laufe der Jahre zu Arthrose in den benachbarten Gelenken führen. Wir nennen das Anschlussarthrose durch biomechanischen Überstress der Nachbargelenke. Der Patient zeigt beim Barfussgehen eine deutliche Gangbildveränderung – dies kann jedoch mit Abrollschuhen kompensiert werden.

Welche Patienten profitieren am meisten von einem künstlichen Gelenk?
Die Prothese des oberen Sprunggelenks ist eine gute Option für Menschen mit normalem Lebensstil. Diese Therapieform erlaubt eine physiologischere Funktion des Sprunggelenks und Fusses im Vergleich zur Versteifung. Durch die Prothesebewegung können die Nachbargelenke vor der Arthrose geschützt werden.

Auf was kommt es bei der Nachbehandlung an?
Wichtig ist die Physiotherapie mit Dehnung der Sehnen und der Muskelaufbau am Unterschenkel.

Wie sind die Resultate in der Hand eines ­versierten Chirurgen?
Die Prothesen des oberen Sprunggelenks wurden in den 70er-Jahren erfunden. Im Laufe der letzten Jahrzehnte haben sich diese im Design, der anatomischen Form, der Materialien und der Biomechanik entscheidend weiterentwickelt. Die Literatur-Resultate und die Eigenerfahrung zeigen, dass eine Prothese lange überleben kann, wenn man alle schlechten mechanischen Faktoren des Sprunggelenks und Rückfusses bei der Implantation der Prothese mitkorrigiert. Eine Prothese in einem krummen Rückfuss hat eine kürzere Überlebensdauer als eine Prothese bei einem Rückfuss mit korrekter Achse oder Stabilität.

Kann man mit einer Prothese Sport treiben?
Gemäss unseren Studien und Empfehlungen von Fachgesellschaften können Patienten mit einer Prothese des oberen Sprunggelenkes gut Low-Impact-Sportarten treiben: Velofahren, Wandern, Schwimmen, Golfen etc. Auch das alpine Skifahren ist im stützenden Skischuh wieder möglich, sagen Patienten.

Gibt es eine Alterslimite?
Alterslimiten als solches für eine Prothese des oberen Sprunggelenks gibt es nicht. Jeder Patient muss individuell evaluiert werden, damit eine Operation wirklich sinnvoll ist.

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Prof. Dr. med. Dr. phil. Victor Valderrabano, MD PhD Leiter SWISS ORTHO CENTER Schmerzklinik Basel, Swiss Medical Network.


Weitere Informationen

www.swissorthocenter.ch
www.sfas.ch
www.efas.co

 

 

 

 

 

 

 

 

Fast wieder schmerzfrei

Rosi Rickenbacher, 56, Arzthelferin aus der Zentralschweiz, über ihr neues Sprunggelenk und die wiedergewonnene Bewegungsfreiheit.

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Nach einer Fraktur im Jahr 2011 entwickelte sich meine Arthrose rasend schnell. Vor der Operation konnte ich kaum mehr laufen, die Schmerzen waren unerträglich. Ab vier Uhr nachmittags brauchte ich Stöcke. Sport ging gar nicht mehr. Der Leidensdruck war enorm. Eine Operation war unausweichlich. Schon alleine das Wort Versteifung schreckte mich jedoch ab. Deshalb befasste ich mich eingehend mit dem Thema Prothese. Die grössere Bewegungsfreiheit, der natürlichere Gang, der Fortschritt auf dem Gebiet der Chirurgie und mein Bauchgefühl gaben schliesslich den Ausschlag für ein künstliches Gelenk.

Ein langer Weg

Im Mai 2015 setzte mir Prof. Valderrabano eine moderne Prothese ein. Mit dem Resultat bin ich sehr zufrieden. Meinen Alltag und meine Arbeit kann ich wieder fast schmerzfrei bewältigen. Ich würde die Operation wieder machen lassen, auch wenn der Weg lang ist. Denn die Mitarbeit des Patienten ist genauso entscheidend wie der Eingriff selber.

 

 

 

 

 

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht am 20.10.2016.

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