Überall lagen Hautfetzen herum

Scham und mangelndes Selbstvertrauen. Mike Hruby aus Oberengstringen erzählt, wie Psoriasis einem Menschen körperlich und seelisch zusetzen kann.

Psoriasis Mike Hruby

Die Schuppenflechte kam bei mir erst spät, etwa ab dem 35. Altersjahr, so richtig zum Vorschein. Bis dahin hatte ich einzig als Jugendlicher immer starke Akne gehabt. Zuerst war nur die Partie zwischen den Augenbrauen und der rechten unteren Wangenregion rötlich gefärbt. Das kennt meine Mutter auch. Sie hat keine Psoriasis, aber diese beiden Gegenden im Gesicht sind bei ihr oft auch rötlich verändert.

Auf einmal wurde die Schuppenflechte schlimmer. Die Kopfhaut wurde befallen sowie beide Hände und Füsse. Auch hinter den Ohren und rund ums Brustbein hatte ich starke Symptome. Lichttherapie, Salben sowie Duschlotionen brachten nur wenig. Ab dem 40. Lebensjahr bemerkte ich vor allem abends vor dem Schlafengehen und Anziehen des Pyjamas ein starkes Jucken an den Oberschenkeln, an beiden Armen und auf der Kopfhaut. Ein paar Jahre später wurde sogar mein Glied gerötet und die Haut der Eichel war irritiert.

Die betroffenen Stellen am Körper waren stark schuppig und sehr trocken. Die Haut löste sich. Überall lagen Hautfetzen herum. Auf dem Lenkrad, der Schaltung, auf dem Büro- und Esstisch. Da half das Eincremen der Hände und des Gesichts nicht sehr viel. Auch meine Gelenke waren betroffen. Schmerzen hatte ich vor allem in der Nacht. Jetzt habe ich ein neues Medikament. Es geht mir so gut wie schon lange nicht mehr.

Psoriasis Mike Hruby 2

Was macht das mit der Psyche? Ich bin von klein auf ein Grossmeister im Verdrängen. Es gab Zeiten, da schämte ich mich sehr. Diese Scham ist bis heute immer noch da. Als die Hände stark befallen waren, liess ich das Wechselgeld von der Kassiererin selbst herausnehmen. Schwimmen? Nein Danke. Sonnenbaden? Nein Danke. Auch im Hochsommer ziehe ich nur sehr ungern kurze Hosen an.

Natürlich leidet auch das Selbstvertrauen. Okay. Nicht nur wegen der Psoriasis. Es wäre zu einfach, alles auf die Schuppenflechte zu schieben. Trotzdem lernte ich, mich an unscheinbaren Dingen im Leben zu erfreuen. Auch habe ich eine grosse Begeisterungsfähigkeit. Sie hilft mir über die weniger guten Tage hinweg.

Ich bin nicht gerade die beste Version, die vom Stapel gelaufen ist. Doch auch ein solches Boot kann seinen Hafen finden. Wahrscheinlich mit mehr Stürmen und höheren Wellen und einigen Umwegen als die Vollversionen. Man arrangiert sich.

Zum Glück habe ich eine verständnisvolle, umsichtige Ärztin. Es brauchte lange, bis wir eine wirksame Therapie fanden. Die Geduld hat sich gelohnt.

Die Lebensqualität verbessert sich schnell

Befall der Gelenke, Depressionen. Psoriasis zeigt sich bei Weitem nicht nur auf der Haut. Dr. Annett Härtel erklärt das Vorgehen.

Wie häufig ist bei Psoriasis ein derart schwerer Krankheitsverlauf?

Bis zu einem Viertel der Psoriasis-Patienten haben einen schweren Verlauf und leiden gehäuft auch an anderen Krankheiten wie zum Beispiel Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen.

Wie wirkt sich das auf das Leben der ­Betroffenen aus?

Die Lebensqualität der Psoriasis-Patienten ist ohne Behandlung meistens schlecht bis sehr schlecht, da die Krankheit offensichtlich ist und so das berufliche und private Leben stark einschränkt.

Ist Psoriasis nur eine Krankheit der Haut?

Wird die Belastung durch die Schuppenflechte zu gross, kann auch die Psyche krank werden. So leiden Patienten mit schwerer Psoriasis oft an Depressionen und Angsterkrankungen. Bei rund 1 Prozent besteht sogar Suizidgefahr.

Wie häufig und wie heimtückisch ist der Befall der Gelenke?

Bei etwa 15 Prozent der Psoriasis-Patienten entwickelt sich eine Psoriasis-Arthritis. Sie kann Jahre vor den Hautsymptomen oder auch sehr viel später auftreten. Entscheidend ist, dass man den Befall der Gelenke nicht verpasst, weil es sonst zu bleibenden Schäden mit entsprechenden Einschränkungen der Beweglichkeit kommen kann.

Wie kann man so schwer Betroffenen wirksam helfen?

Schwer Erkrankte sollten einen Facharzt für Dermatologie und bei Gelenkbeteiligung auch einen Rheumatologen aufsuchen. Das gilt besonders für Patienten mit vielen Begleiterkrankungen. Unter fachärztlicher Behandlung kann das Immunsystem sehr gezielt mit Medikamenten beruhigt werden. Die Patienten bekommen relativ schnell eine gute Lebensqualität zurück. Wichtig ist, den Verlauf der Erkrankung auch bei leichter Ausprägung zu kontrollieren und gemeinsam mit dem Hausarzt Begleiterkrankungen frühzeitig zu erkennen oder sogar zu verhindern.

Psoriasis Annett Haertel
Dr. Annett Härtel
Dieser Eintrag wurde veröffentlicht am 22.04.2021.

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