Und immer kommt er zu früh

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Schnell drüber und fertig? Der Mann hatte sein Vergnügen und die Frau wieder das Nachsehen? Gut möglich, doch davon soll jetzt nicht die Rede sein. Hier geht es um das Problem, dass der Mann unfreiwillig zu früh kommt, und sich deswegen auch sein eigenes Vergnügen in engen Grenzen hält. Laut Dania Schiftan, Sexualtherapeutin aus Zürich, keine Seltenheit.

Drei Klassen unterscheidet sie und drei Typen von Männern nimmt sie ins Visier. «‹Frühzeitig› meint, dass der Mann schon nach drei bis vier Bewegungen ejakuliert. ‹Rasch› bedeutet, dass er nach 15 bis 20 Bewegungen kommt. ‹Vorzeitig› heisst, dass es schon passiert, bevor er überhaupt in sie eingedrungen ist oder bevor der Penis steht.»

Beschleunigen, zurücknehmen und wieder beschleunigen

Typ 1 der Männer, die zu früh kommen, nennt die Therapeutin junge Hengste. «Sie sind neugierig, vorpreschend und entdecken gerade, was Sexualität bedeutet. Das Alter spielt keine Rolle, obwohl vor allem jüngere oder unerfahrene Männer betroffen sind. Diese Männer kommen zu früh, weil sie über partnerschaftliche Sexualität zu wenig wissen. Sie müssen eigentlich nur lernen, die Gänge auszufahren. Nicht beim Start Vollgas geben und dann schon auf hundert sein, ohne dass die Partnerin richtig stimuliert wurde. Besser ganz langsam beschleunigen, die Touren im nächsten Gang ein wenig zurücknehmen, dann wieder beschleunigen und sich so langsam hochschaukeln. Bereits der Genuss auf dem Weg ist das Ziel, und nicht nur das Abspritzen. Das dient auch der Frau, denn sie braucht im Minimum zehn Minuten, um überhaupt warm zu werden.»

Woran liegt es, dass bereits junge Männer Rat suchen? «Nicht alle Jungen haben ein Problem, aber alle Jungen müssen lernen, dass der partnerschaftliche Sex langsamer und ausgedehnter abläuft als das, was sie von der Selbstbefriedigung her kennen. Die meisten lernen das mit der Zeit. Wer es nicht hinbekommt, braucht eine Anleitung, bevor er in eine Negativspirale gerät und sich abwendet. Je früher er Hilfe bekommt, desto besser für ihn. In der Anfangsphase der Therapie sage ich, sie sollen erst ihre Freundin befriedigen und sich selber etwas zurücknehmen. Auch nicht sofort in sie eindringen, damit der Penis nicht schon früh überreizt wird. Die jungen Frauen spüren Erregung ohnehin mehr aussen an der Vulva als innen in der Vagina, weil sie das selber mit der Selbstbefriedigung so eingeübt haben.»

Das Liebesspiel aktiv gestalten

Welches sind die anderen beiden Typen? Dania Schiftan: «Zum Typ 2 zählt jener Mann, der vor lauter Zuneigung, Verliebtheit oder Vorfreude so erregt ist, dass er sehr früh kommt – manchmal, wenn er sie nur schon beim Duschen beobachtet. Am Anfang einer neuen Beziehung passiert das noch oft. In den meisten Fällen verliert es sich, sobald das Paar mehrmals miteinander geschlafen hat. Stellt sich hingegen auch Wochen und Monate später keine Besserung ein, braucht der Mann Hilfe. Er muss lernen, das Liebesspiel aktiv zu steuern, ohne sich in der Emotion zu verlieren. Das ist nicht ganz einfach, weil sein Problem ja nur auftaucht, wenn die Frau dabei ist. Trotzdem kann er auch über die Selbstbefriedigung lernen, eine sachte Steigerung hinzubekommen, ohne gleich zu überschiessen. Sobald es alleine klappt, soll er es auch mit der Partnerin üben. Sich bewusst zurücknehmen und gemeinsam langsam forcieren, bis er seine sexuellen Emotionen gut im Griff hat. Helfen können Streichelübungen, bei denen die Partnerin den Penis stimuliert, aber das Liebespiel unterbricht, sobald er zu stark und zu schnell reagiert. Es geht um die Pausen, in denen der Reiz etwas abklingen soll. So oft, bis sich der Mann selber gut spürt und es alleine steuern kann.»

Dania Schiftan warnt vor einer beliebten Selbsthilfemethode der Männer. «Auf der Suche nach einem Erregungsstopp denken sie sich anti-erotische Bilder aus. Um ihre Lust zu unterbrechen, stellen sie sich die kotzende Schwiegermutter oder den Arbeitsstress im Büro vor. Das ist fatal: Diese Bilder kommen dann auf einmal auch in unerwünschten Situationen und werden so zum negativen Selbstläufer.

Die Anspannung im Bett steuern

Beim dritten Typ Mann ist es genau umgekehrt. Nicht grenzenlose Begeisterung, sondern nackte Angst vor Nähe und Intimität führt ihn zur frühzeitigen Ejakulation. Sein Problem ist, dass er überhaupt nicht weiss, wie er seinen Samenerguss selber steuern kann. Er fürchtet vielleicht eine Art Kontrollverlust und fühlt sich der Partnerin ausgeliefert. Oder er hat derart Angst vor sexuellem Leistungsdruck, dass seine Befürchtung letztlich wahr wird. Dann kommt er viel zu früh oder im Extremfall gar nicht mehr. Dieser Typ muss lernen, seine Anspannung im Bett zu steuern. Dazu gibt es gute Techniken wie progressive Muskelrelaxation, die er mitten im Geschlechtsverkehr anwenden kann. Und solche, mit denen er auch die psychische Anspannung und Angst tagsüber in den Griff bekommt, denn dort liegt die Ursache seines Problems. Es gibt in dieser Kategorie sogar seltene Formen, bei denen der Mann in alltäglichen Stresssituationen ohne Vorwarnung ejakuliert. Das ist für den Betroffenen sehr unangenehm und peinlich, weil es einfach passiert. Im Büro zum Beispiel, wenn er sich über den Chef ärgert. Oder im Auto, wenn ein anderer Automobilist rücksichtslos fährt. Unkontrolliert entlädt sich dann seine psychische Erregung in einem spontanen Samenerguss.»

„Es“ ejakuliert nicht mit ihm

Haben viele Männer Probleme mit der Steuerung ihrer Erregung? Dania Schiftan: «Ja, mehr als man denkt. Zentraler Punkt meiner Therapie ist: Ich mache dem Mann klar, dass es kein unpersönliches ‹es› gibt. ‹Es› ejakuliert nicht mit ihm, ‹es› ist keine fremde Macht, der er ausgeliefert ist. Es gibt nur ihn als Mann, der ejakulieren kann. Und zwar genau dann, wenn er es möchte. Das kann man gut trainieren.» Wie sehen die Techniken aus? «Der Königsweg geht via Selbstbefriedigung. Und ich setze ihn bei allen drei beschriebenen Männer-Typen erfolgreich ein. Es beginnt damit, dass ich dem Betroffenen sage, er solle mit Gleitmittel arbeiten. Das ist der allererste Schritt. Wenn es gut funktioniert, soll er seinen Penis langsamer stimulieren, also das Tempo der Hand reduzieren. Hält er dank diesem Tempowechsel länger durch, soll er zusätzlich beim Masturbieren aufstehen. Klappt es im Stehen, empfehle ich ihm, künftig tiefer zu atmen und sich noch mehr zu entspannen. Hat er diese Stufe auch gemeistert, soll er nicht mehr die Hand am Penis reiben, sondern den Penis mit der Hüfte in der Hand bewegen. So lernt jeder, die Kontrolle über seinen Penis zu gewinnen und den Samenerguss gut zu steuern. Ich passe die Therapie natürlich auf jeden individuell an, aber das Grundrezept ist gleich.»

Kontakt

Dania Schiftan ist Psychotherapeutin und klinische Sexologin. www.daniaschiftan.ch

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