Wenn das Eisen vergessen geht

Eisenmangel Depression

Was ist, wenn Abbau und Schwäche im Alter gar nicht naturgegeben sind, sondern das Resultat von Unterbeschäftigung, Unterversorgung und Fehlbehandlung? Die geriatrische Forschung zeigt, dass dem so ist. Muskelabbau mit Verlust von Kraft, Ausdauer und Koordination sind Folgen von Bewegungsmangel und fehlendem körperlichen Training. Eine weitere Hypothek ist der Eiweissmangel, an dem viele ältere Menschen in Folge von einseitiger Ernährung und Appetitverlust leiden. Eine dritte der Vitamin-D-Mangel. Ein viertes, kaum beachtetes Problem im Alter sind Defizite bei der Versorgung mit dem Spurenelement Eisen, das nicht nur zur Blutbildung, sondern für unzählige Stoffwechselvorgänge im menschlichen Organismus benötigt wird. Ohne Eisen läuft im Körper rein gar nichts. Kein Denken, keine Bewegung.

Eisenmangel gibt es auch ohne Blut­armut. Eisendefizite beeinträchtigen die ­Gesundheit lange bevor es zur Anämie kommt. Auch bei unauffälligen Hämoglobin-Werten verschlechtern sich Gedächtnis, Aufmerksamkeit, Stimmung, Antrieb und Wachheit. Mangelnde Koordination und Muskelkraft führen zu erhöhter Sturzgefahr, zum Verlust der Selbständigkeit und zu Gebrechlichkeit bis hin zu einem erhöhten Demenz- und Sterbe­risiko, alles Veränderungen, die man gewöhnlich nur dem fortgeschrittenen Alter zuschreibt.

Blutarmut und selbst ein verborgener Eisenmangel sind keine natürliche Erscheinung des Alters. Die wahren Ursachen liegen auf der Hand: Je älter eine Person wird, desto ineffizienter ist die ohnehin schon sehr begrenzte Aufnahme von Eisen aus der Nahrung im Darm. Kommt dazu, dass sich viele ältere Menschen sehr unausgewogen ernähren oder gar keinen richtigen Appetit mehr haben. Stellen sich dann noch Schwierigkeiten beim Kauen und Schlucken ein, was sich vor allem beim Verzehr von Fleisch negativ auswirkt, sind Eisendefizite unvermeidlich.

Dass Eisenmangel umso häufiger wird, je älter eine Person ist, hat auch damit zu tun, dass eine ganze Anzahl von im Alter häufigen Krankheiten mit Eisendefiziten einhergehen. Das beginnt mit Magen-Darm-Krankheiten, die zu Blutverlusten führen, geht weiter über alle entzündlichen Erkrankungen wie Rheuma bis hin zu Herz- und Nierenkrankheiten.

Beklagt sich ein Mensch im fortgeschrittenen oder gar hohen Alter über Müdigkeit und Nachlassen der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit, muss man das genauso ernst nehmen wie bei Kindern, Jugendlichen und erwerbstätigen Personen. Die Kosten für die Diagnose und Therapie eines Eisenmangels im Alter sind nichts im Vergleich zu jenen Ausgaben, die anfallen, wenn Eisendefizite übersehen werden.

Wie können Eisendefizite im Alter behandelt werden? Einen gewissen Effekt hat eine ausgewogenere Ernährung. Sie reicht meistens nicht aus, um die leeren Eisenspeicher auszufüllen. Das gilt auch für die Behandlung mit oralen Eisenpräparaten wie Tabletten. Nur der geringste Teil wird ins Blut aufgenommen. Kommt dazu, dass ältere Menschen verstärkt mit lästigen Nebenwirkungen auf orale Eisenpräparate reagieren. Bleibt die intravenöse Eisenbehandlung mit Spritzen oder Kurzinfusionen. Die Wirkung setzt rasch ein und ist anhaltend. Die Behandlung wird in der Regel sehr gut ertragen. Eine Studie der Universitätskliniken Basel und Zürich zeigen, dass das Eisendefizit bei über 90 Prozent der Patienten innerhalb von nur drei bis vier Wochen korrigiert werden konnte.